«Den ÖV einfacher, attraktiver und günstiger machen»

Landtagsabgeordnete Dagmar Bühler-Nigsch (VU), Foto: Tatjana Schnalzger

Mehr Personen zum Umstieg auf die Busse der LIEmobil motivieren: Das ist, kurz gesagt, das Ziel eines parlamentarischen Vorstosses, den der Landtag diese Woche an die Regierung überwiesen hat. Die VU-Abgeordnete Dagmar Bühler-Nigsch war federführend an der Ausarbeitung beteiligt und legt dar, wie die Stossrichtung genau aussieht.

Interview: Heribert Beck

Frau Bühler-Nigsch, wie nutzen Sie persönlich den öffentlichen Verkehr?

Dagmar Bühler-Nigsch: Ganz klar, auch ich nutze den öffentlichen Verkehr noch viel zu wenig. Dies liegt vor allem daran, dass ich für meinen Arbeitsweg mit dem Bus von daheim in Triesenberg nach Schaan keine direkte Verbindung habe und somit rund 45 Minuten unterwegs bin. Mit dem Auto über die Schlossstrasse sind es nur 15 Minuten für einen Weg. Für die Rückfahrt steht der Bus im Stau, und je nach meinen Terminen am Abend habe ich keinen Halbstundentakt zurück nach Hause. Ich versuche aber trotzdem, einmal pro Woche mit dem Bus zu fahren. Im Sommer bin ich gerne in Vaduz auf das LIEbike umgestiegen und über die Felder nach Schaan geradelt, und so war ich gleich schnell im Büro wie mit dem Bus. Für Termine in Vaduz und auch für die Landtagssitzungen nehme ich jeweils gerne den Bus.

Was bewegt Sie, auf das Auto zu verzichten?

In erster Linie möchte ich meinen Beitrag leisten zur Verkehrsverminderung und natürlich auch zum Umweltschutz. Es ist mir ausserdem wichtig, selbst zu erleben, wie sich die Verkehrssituation bei uns im Alltagsverkehr entwickelt. Das sensibilisiert und schafft Bewusstsein. Ich finde generell, dass reisen im ÖV, sei es mit der Bahn oder dem Bus, entschleunigt, und es ermöglicht interessante Begegnungen und Gespräche mit der Bevölkerung. Zudem habe ich etwas mehr Bewegung und bin auf dem Weg zur Haltestelle an der frischen Luft.

Dennoch ist, Sie haben es angetönt, im Liechtensteiner ÖV aber nicht alles so, wie Sie es sich wünschen. Sie haben daher mit anderen Abgeordneten einen Vorstoss lanciert, der inzwischen an die Regierung überwiesen ist. Was möchten Sie gerne ändern? 

«Ein Land – eine Zone – ein Tarif»: Das war die Ursprungsidee zum Vorstoss in Sachen Einheitsticket. Wir möchten den öffentlichen Verkehr einfacher, attraktiver, günstiger und für alle zugänglich machen. Die Regierung wird daher beauftragt, die Eignerstrategie und die Leistungsvereinbarung mit der LIEmobil so abzuändern, dass die Einführung eines vergünstigten Einheitstarifs ermöglicht wird mit einheitlichen Jahresabos für alle Gemeinden und kostenlosen Abos für Schüler sowie Lernende mit einer Zone fürs ganze Land. Ich habe schon Rückmeldungen erhalten, dass der vergünstigte Einheitstarif auch als positive und sympathische Aussenwirkung für unser Land gesehen wird. Wir sollten alles daransetzen, möglichst viele Leute zum Umsteigen auf den ÖV zu bewegen. Das entlastet die Strassen, führt zu weniger Stau und steigert den Bedarf für die LIEmobil, den Takt und das Angebot noch weiter auszubauen und zu optimieren. 

Was ist der Grund dafür, dass Sie die Tarifzonen vereinheitlichen wollen?

Geschätzt wird der ÖV vor allem dort, wo der Takt stimmt und der Zugang einfach ist, also auch wenn sich jemand spontan entscheidet mit dem Bus zu fahren. Die bestehenden vier verschiedenen Zonen, die zahlreiche Sonderlösungen enthalten, weil die LIEmobil-Busse in diesem kleinen geografischen Raum effektiv durch vier Tarife fahren – Liechtenstein, Vorarlberg, Ostwind und Vorarlberg-Liechtenstein grenzüberschreitend – stossen in der Bevöl¬kerung immer wieder auf Unverständnis. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ich von Malbun nach Vaduz für drei Zonen bezahle, bis nach Balzers sind es aber nur zwei Zonen, und im ganzen Unterland gibt es nur eine Zone. Dies macht die Tarifberechnung unnötig kompliziert, und dort muss eine einfache Lösung gefunden werden für ein Land, eine Zone, ein Tarif.

Welche organisatorischen beziehungsweise gesetzgeberischen Hürden stehen einer Umsetzung noch im Weg und wie können diese Ihres Erachtens überwunden werden?

Die Regierung wird jetzt nach der Überweisung bis zur übernächsten Landtagssitzung im März ihre Stellungnahme ausarbeiten sowie darlegen, was sie von unserem Vorschlag hält, und dies begründen. Dann erst folgt die Debatte, und der Landtag entscheidet, ob der vergünstigte Einheitstarif durch die Anpassung der Eignerstrategie der LIEmobil eingeführt werden soll. Die Kosten könnten ein Hindernis sein, da der Vorstoss nicht kostenneutral ist. Wir müssen entscheiden, ob und wieviel Geld wir in vergünstigte Ticket- und Abopreise investieren wollen oder lieber in den Taktausbau. Ich bin der Meinung, dass wir beides brauchen, und das dürfen wir uns auch etwas kosten lassen, vor allem jetzt in Zeiten, in denen die Energie- und Treibstoffpreise hoch sind und das Leben generell immer teurer wird. Im Landtag haben wir im Dezember 2022 die Studie zur Einführung eines Gratis-ÖV behandelt, was uns deutlich mehr kosten würde. Mobilität hat einen Wert, und deshalb sind die Antragsteller überzeugt, dass dieser Vorstoss besser ist als eine Gratislösung. Die Regierung hat signalisiert dass sie offen ist für Anpassungen, sobald der politische Wille vorhanden sei und parlamentarische Mittel ergriffen werden. Und genau das haben wir jetzt mit diesem Vorstoss getan.

Welche Kosten würde eine Vereinheitlichung des Tarifs mit sich bringen und wie sollen sie nach der Vorstellung der Antragsteller gedeckt werden? 

Unser Vorschlag ist es, dass ein Jahresabo für jede und jeden 120 Franken kostet. Dies entspricht jetzt dem günstigsten Kinderabo für eine Gemeinde. Eine Einzelfahrt soll 2 Franken kosten. Dies entspricht dem günstigsten Tarif für eine Kurzstrecke. Schüler und Lernende sollen gratis fahren. Wir gehen davon aus, dass dies rund 2,5 Millionen Franken pro Jahr kosten würde. Die LIEmobil wäre für die Verrechnung aller Jahresabos zuständig und die Gemeinden für ihre eigenen Ortsbusse. Die LIEmobil hat im vergangenen Jahr 2 Millionen Franken des Überschusses aus dem Grundangebot an den Staat zurückbezahlt. Dieses Jahr ist es gemäss mutmasslicher Rechnung wieder 1 Million. Die Antragsteller sind der Meinung, dass wir uns den vergünstigten Einheitstarif leisten können und sollen.

Die Erhöhung der Taktfrequenz bei den Busverbindungen ist Ihnen ebenfalls ein Anliegen. Was wäre Ihres Erachtens der Idealzustand?

Stellen wir uns vor, wir hätten im ganzen Land nicht nur zu Hauptverkehrszeiten, sondern auch an den Abendstunden einen Viertel- oder Halbstundentakt, so bräuchten wir gar keinen Fahrplan mehr. Dieser Ausbau kann aber nur gelingen, wenn das Angebot auch genutzt wird. Doch davon sind wir leider noch sehr weit entfernt. Wichtig ist vor allem, dass der Verkehr rollt und der Bus nicht im Stau steht. Nur so können wir die Leute für das Busfahren gewinnen. 

Der politische Wille und jener der LIEmobil sind das eine, die Verbindungssicherheiten das andere. Selbstverständlich lässt sich das Liechtensteiner Stauproblem zu den Stosszeiten nicht von heute auf morgen verändern. Aber wie könnte dieses Hindernis bei der Erhöhung der Taktfrequenz gemeistert werden?

Das Mobilitätskonzept 2030 enthält viele wichtige Massnahmenpakete und Leitprojekte, die laufend aktualisiert und abgearbeitet beziehungsweise umgesetzt werden. Dazu gehören auch Busbevorzugungssysteme, betriebliches Mobilitätsmanagement, Parkplatzbewirtschaftung, Ausbau der Radwege oder langfristig hoffentlich auch das Projekt Raum und Mobilität 2050. Bei uns sind noch viel zu viele Arbeitnehmende für kurze Strecken allein mit dem Auto unterwegs, und das verursacht Stau zu Stosszeiten. Sobald wir mit dem Bus schneller und günstiger unterwegs sind als mit dem Auto, funktioniert der öffentliche Verkehr. 

Was ist, zusammengefasst, Ihr mittelfristiges Ziel für den öffentlichen Verkehr in Liechtenstein. 

Ich denke, wir müssen den für uns am besten geeigneten Mobilitätsmix finden. Das heisst: langfristige Reduktion des Verkehrsaufkommens bei gleichzeitiger Optimierung des bestehenden Verkehrsflusses. Mein Wunschziel ist, dass der Verkehr rollt, die Busse bevorzugt werden und nicht mehr im Stau stehen, dass es Online-Fahrgemeinschaften und Shuttle-On-Demand-Angebote mit Kleinbussen gibt, die uns dann auch von Triesenberg auf direktem Weg nach Balzers, Schaan oder bis ins Unterland bringen. Und natürlich das alles zum günstigen Einheitstarif für alle.