«Die Zukunft gemeinsam mit der Bevölkerung gestalten»

Dr. Gert Risch im Gespräch mit Angestellten seines Labors.

Eine der schlechtesten Erfindungen, sagte Gert Risch einmal, sei die Pensionierung mit einem fixen Ablaufdatum. «Mir wäre es im Ruhestand zu langweilig», bekannte er, als er das 80. Lebensjahr schon hinter sich gelassen hatte. Und heute, ein paar Jahre später? Immer noch aktiv, aber ein bisschen weniger. Er ist noch Mitglied des Verwaltungsrates der Dr. Risch-Gruppe, deren Grundstein er 1970 mit dem Aufbau eines medizinischen Laboratoriums gelegt und deren Leitung er im Jahr 2011 an die Hände seiner beiden Söhne Martin und Lorenz übergeben hat. 

Monatlich einmal trifft sich die Führungsmannschaft der Dr. Risch-Gruppe, um aktuelle oder strategische Fragen zu besprechen. Das persönliche Interesse von Gert Risch gilt seit einiger Zeit einem brisanten, kontrovers diskutierten und unterschiedlich bewerteten Thema: Wie entwickelt sich derzeit und in Zukunft die medizinische Versorgung der Bevölkerung? Für ihn ist eines klar: Sowohl in Liechtenstein als auch in der Schweiz werden zu wenige Mediziner ausgebildet, gibt es zu wenig Nachwuchs in allen Bereichen der medizinischen Versorgung. Damit ist seine Sorge verbunden, in Zukunft könnten der zunehmend älter werdenden und auf eine umfassende medizinische Versorgung angewiesenen Bevölkerung nicht mehr die gleichen Standards zur Verfügung stehen, wie sie heute üblich sind. Wie rasch sich eine Situation im Gesundheitsbereich verändern könne, habe man während der Corona-Pandemie erlebt, gibt Gert Risch zu bedenken. Die Wirtschaft sei in diesem Zeitraum massiv unter Druck geraten – und die alte, aber in der Vergangenheit etwas vergessene Weisheit habe sich wieder einmal bestätigt: «Eine gesunde Bevölkerung ist eine Garantie für eine florierende Wirtschaft.» 

Erstes Labor im Laurentiusbad in Schaan
Ohne Gert Risch gäbe es wohl kein medizinisches Labor in Liechtenstein. Das Interesse an der Medizin ist ihm sozusagen in die Wiege gelegt worden. Sein Vater Martin Risch war Arzt und Landesphysikus, Vertrauensarzt des Liechtensteinischen Roten Kreuzes und Gründungspräsident des liechtensteinischen Ärztevereins. Gert Rischs Kindheit- und Jugendzeit war geprägt durch das medizinische Elternhaus, womit die Berufswahl schon vorgezeichnet war. «Bei mir ging es nur noch um die Frage», erinnert er sich, «ob Arzt oder Apotheker.» Spontan habe er sich für den Apotheker entschieden, ausgehend von seinen Interessen für Naturwissenschaften, was auch ausschlaggebend war für sein Studium an der ETH Zürich und die Promotion als Dr. sc. nat. am Universitätsspital Zürich. Pharmazie und medizinisches Labor passte für Gert Risch ausgezeichnet zusammen, weil der Mensch im Mittelpunkt steht. Von diesem Selbstverständnis wird auch die heutige Dr. Risch-Gruppe getragen, die in einer Informationsbroschüre ihre Ausrichtung mit einem prägnanten Bekenntnis definiert: «Die Gesundheit von Mensch und Gesellschaft zu fördern, ist für uns eine Herzensangelegenheit.»

Der Aufbau der Dr. Risch-Gruppe begann im Jahr 1970 im Laurentiusbad in Schaan. Wie der Name Laurentiusbad andeutet, handelte es sich um ein Heilbad, das nach den Regeln von Pfarrer Kneipp geführt wurde. Das Kurangebot umfasste Bäder, Güsse und Wickel, die von ausländischen Kurgästen nachgefragt wurden. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs erwarb der Heilpraktiker Pfarrer Albert Emmenegger den Betrieb. Mit dem Besitzerwechsel wurde die frühere «Bad und Kuranstalt Gustav Biedermann» in «Kneippbad Emmenegger» umgetauft. Pfarrer Emmenegger, der das Laurentiusbad bis zu seinem Tod 1967 betrieb, hatte von der Regierung eine Konzession für den Kurbetrieb erhalten, allerdings mit der Auflage, keine einheimischen Patienten für eine Behandlung aufzunehmen. Für Gert Risch ist diese Auflage heute noch völlig unverständlich, denn wöchentlich seien bis zu 90 Kurgäste nach Schaan gekommen, die neben medizinischen Anwendungen viel freie Zeit hatten, um Schaan und Umgebung kennenzulernen – und auch viele Einkäufe tätigten. Eigentlich ein einträgliches Geschäft, dessen Möglichkeiten man damals jedoch offensichtlich nicht erkannt hatte. 

Vom Labor Risch zur Dr. Risch-Gruppe
Wie aber kam Gert Risch mit seiner Idee, ein medizinisches Labor zu eröffnen, in das Laurentiusbad? Nach dem Tod Emmeneggers versuchten einige Geschäftsleute aus Schaan, das Bad weiterzuführen und suchten nach Mietern oder Anbietern von medizinischen Leistungen. Das Angebot erreichte auch Gert Risch, der dann mit den beiden Ärzten Arthur Ospelt und Josef Marogg die Liegenschaft übernahm. Weil zuerst Marogg ausstieg und anderswo seine Praxis eröffnete und etwas später auch Ospelt, blieb Gert Risch als einziger übrig. Trotz Erweiterungen und Umbauten erwies sich das Gebäude, in dem die heute noch bestehende Apotheke untergebracht war, als zu klein für das expandierende Labor. Gert Risch entschloss sich, ein neues Laborgebäude zu bauen, in welches im Jahr 2000 der gesamte Laborbetrieb verlegt wurde. Dieses Gebäude war aber wiederum innerhalb von 14 Jahren zu klein geworden, sodass ein Neubau geplant und gebaut werden musste. Gleichzeitig musste die Analytik für Einsender aus der Schweiz aufgrund einer neuen Interpretation des Territorialgesetzes innert kürzester Zeit in die Schweiz verlegt werden. Für das Gebäude an der Landstrasse in Schaan gab es keine weitere Verwendung. Es wurde einer liechtensteinischen Firma verkauft, die es dann für eine Spielbank zur Verfügung stellte. Gehört Gert Risch damit zu den Casino-Besitzern? «Nein, auf keinen Fall», winkt er ab, «das war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich ein Gebäude oder ein Grundstück verkauft habe.» 

Die Dr. Risch-Gruppe verlegte 2016 den Firmensitz in einen Neubau an der Wuhrstrasse in Vaduz. Gert Risch hatte das Glück, dass beide Söhne eine Ausbildung zu Ärzten und dann zu Labor-Spezialärzten FAMH absolviert haben. Dadurch konnte die langfristige Erhaltung und Ausrichtung des Unternehmens gesichert werden. Lorenz und Martin Risch übernahmen ab dem Jahr 2011 zunehmend Funktionen in der Gruppenleitung. Nach dieser zukunftsgerichteten Nachfolgeregelung verblieb der Firmengründer im Unternehmen vorerst als Präsident des Verwaltungsrats, später als einfacher Verwaltungsrat. Er unterstützt seine Nachfolger aber bis heute mit seiner langjährigen Erfahrung. 

Der Ausbau der Dr. Risch-Gruppe konnte in den letzten Jahren weitergeführt werden, sodass sie inzwischen über 22 Standorte in der Schweiz und einen in Liechtenstein verfügt: eine Unternehmung im Gesundheitssektor, die jeden Tag rund um die Uhr ihre leistungsfähige Infrastruktur sowohl Ärzten als auch Spitälern zur Verfügung stellt. Sie gehört heute im Raum Liechtenstein-Schweiz zu den führenden Dienstleistern im Gesundheitswesen. Die Laborgruppe engagiert sich aber auch in der Ausbildung und Forschung, erarbeitet eigene Studien und ist anerkannter Partner bei internationalen Forschungs- und Entwicklungsprojekten. 

Die Gesundheit von Mensch und Gesellschaft zu fördern, ist für uns eine Herzensangelegenheit.

Dr. Gert Risch

 

Engagement für die Hochschulbildung
Nach beinahe zwanzig Jahren ist Gert Risch als Stiftungsratspräsident der Privaten Universität Liechtenstein auf Anfang dieses Jahres zurückgetreten. Sein Engagement für die Hochschulbildung resultierte aus der Überlegung, dass Liechtenstein weder Bodenschätze noch andere natürliche Ressourcen habe, womit für ihn die Förderung des geistigen Kapitals im Vordergrund stand. Investitionen in die Bildung hatten für ihn immer hohe Priorität: Schon Ende der 1960er-Jahre habe er ein Exposé geschrieben zuhanden des damaligen Regierungschefs Gerard Batliner mit dem Kernsatz: Liechtenstein sollte eine eigene Universität haben. Leider ist dieses Papier nicht mehr auffindbar, weder bei ihm selbst noch im Regierungsarchiv. «Bei der Übergabe des Exposés hatte ich den Eindruck, dass ich ihn von meiner Idee nicht überzeugen konnte», sagt Risch. Dennoch bildete die Regierung eine Hochschulkommission, in die auch Gert Risch berufen wurde. Die Kommission tagte zwar, konkrete Beschlüsse zur Errichtung einer eigenen Universität resultierten aber nicht. 

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Gert Risch im Jahr 2005 dem Ruf von Peter Ritter folgte, Einsitz im Universitätsrat der Privaten Universität zu nehmen. Dort aber lief auch nicht alles nach Plan. «Nach und nach haben sich alle Mitglieder des Universitätsrates verabschiedet, aus unterschiedlichen Gründen», blickt Gert Risch auf diese schwierige Phase zurück. Er stellte gezwungenermassen ein neues Gremium zusammen. Die Private Universität konnte damit erhalten werden und hat nach seiner Einschätzung in den letzten Jahren wesentliche Schritte nach vorne gemacht. Sein Sohn Lorenz folgte ihm als Stiftungsratspräsident, aber geblieben seien zwei Probleme: Einerseits erfahre die Private Universität aus der Politik nicht die erhoffte Anerkennung, andererseits sei es sehr schwierig, Geldgeber zur Finanzierung dieser einmaligen Hochschule zu finden – wobei das eine Problem eng mit dem anderen verbunden sei.

Der Politiker und die Grenzen des Wachstums
Sein Vater war für Gert Risch nicht nur das Vorbild für die Berufswahl im Medizinbereich, sondern auch für seine politischen Aktivitäten. Martin Risch gehörte dem Landtag von 1953 bis 1966 an, amtierte dort zeitweilig als Fraktionssprecher der Fortschrittlichen Bürgerpartei und stand von 1960 bis 1966 als Landtagspräsident an der Spitze des Parlaments. Gert Risch begann die politische Karriere in Vaduz, wo er von 1975 bis 1983 dem Gemeinderat angehörte. Nach einer kurzen Pause kandidierte er 1986 als Abgeordneter für den Landtag, wurde stellvertretender Abgeordneter bis 1989 und hatte von 2001 bis 2005 Einsitz in der Regierung als Regierungsrat-Stellvertreter. Die Zeit zwischen seinem Engagement in Vaduzer Gemeinderat und der Kandidatur für den Landtag nutzte er als «politische Auszeit», um sich wieder voll auf seine beruflichen Tätigkeiten zu konzentrieren. «Um mit einem modernen, medizinischen Labor höchsten Ansprüchen zu genügen», sagte er zu dieser Entscheidung, «muss man sich immer wieder für eine Zeitlang ganz seinem Beruf widmen.» Schon drei Jahre später folgte seine Rückkehr auf die politische Bühne. Man sollte nicht nur reden, sagte er an der damaligen Nominationsversammlung, sondern aktiv etwas für die Gesellschaft tun. Kritisch bewertete er damals die Aussenpolitik, welche die Mitglieder der Regierung in einer Art «Polittourismus» immer wieder ins Ausland führe. «Anstatt überall an irgendwelchen Konferenzen teilzunehmen», regte er an, «wäre es wahrscheinlich für unser Land nützlicher, eigene Lösungen zu erarbeiten.» Schon damals setzte Gert Risch sich mit den «Grenzen des Wachstums» auseinander. Die Entwicklung der vorangegangenen Jahrzehnte bewertete er als Voraussetzung für den hohen Lebensstandard und das hohe Mass an sozialer Sicherheit. Liechtenstein sei eine ländliche Gegend, habe aber Angebote einer städtischen Agglomeration. Beim rasanten Wachstum stelle sich die Frage, wie lange diese Entwicklung durchgehalten werden könne: «Wir müssen uns der Kleinheit unseres Landes bewusst sein.» Und dann fügte er, vorausschauend auf die verbleibenden Möglichkeiten der künftigen Generationen hinzu: «Es wäre an der Zeit, sich zu überlegen, wo die Grenzen unseres Wachstums liegen.»

Gerne macht Gert Risch Fahrradtouren.

Gesundheitspolitik müsste höchste Priorität haben
Der Politiker wird in Gert Risch wieder lebendig, wenn es um die Frage des Spitals geht. Schon als Gemeinderat setzte er sich für den Ausbau des damaligen Krankenhauses ein und sich mit seiner Vorstellung eines Landesspitals durch – gegen viele Widerstände, wie ihm noch gut in Erinnerung ist. Für ihn ist unverständlich, wie in der heutigen Situation, mit bedeutend mehr Geldreserven als damals, kein Spitalprojekt umgesetzt wird. Wenn es um Investitionen geht, dann hat für ihn die Gesundheit der Bevölkerung höchste Priorität. Aber offenbar nimmt nach seiner Einschätzung das Gesundheitswesen nicht jenen Stellenwert ein, wie es sein sollte: gleichrangig mit dem Bildungswesen oder der öffentlichen Sicherheit. 

Bei der Eröffnung des Spitals Vaduz im Jahr 1981, erinnert sich Gert Risch, habe er bei seiner Ansprache darauf hingewiesen, man könne nun fünf Jahre sehen, wie es im neuen Spital laufe – und dann habe man fünf Jahre Zeit, um sich mit der Planung für einen Weiterausbau zu beschäftigen. Wenn es nach seiner damaligen Vorstellung gegangen wäre, dann hätte man Anfang der 1990er-Jahre mit dem Ausbau beginnen müssen. «Und was haben wir heute»? Mit Verspätung von drei Jahrzehnten wisse man immer noch nicht richtig, ob ein neues Spital verwirklicht werde. 

Das Gesundheitswesen und die Spitalplanung sind für Gert Risch nicht nur eine Frage der Volkswohlfahrt, sondern haben auch eine bedeutende wirtschaftliche Komponente.

Wenn möglichst viele Gesundheitsleistungen im Land angeboten würden, bliebe die Wertschöpfung dort, ganz abgesehen von den vielfältigen Berufsangeboten im Gesundheitsbereich. Bei Kooperationen mit ausländischen Spitälern fliesse das Geld jedoch ins Ausland. Natürlich könne man aufgrund der Kleinheit des Landes nicht alles anbieten, was mit der heutigen Medizin möglich wäre. Insbesondere dürfe man seiner Auffassung nach aber keine hohen Risiken eingehen, die Qualität stehe im Vordergrund. 

Seine Idealvorstellung bei der Spitalversorgung? Eine gewisse Grosszügigkeit bei der Planung wäre notwendig, also kein Feilschen um ein paar Millionen. Gert Risch ist sich bewusst, dass er sich in die Nesseln setzt, aber kann einem Vergleich doch nicht widerstehen: In die Feuerwehrdepots in den Gemeinden ist in den vergangenen paar Jahren mehr investiert worden als ein grosszügig ausgebautes Spital kosten würde. «Natürlich erfüllen die Feuerwehren eine wichtige Aufgabe für die Sicherheit der Bevölkerung, aber für mich ist es unverständlich, dass über diese Investitionen nicht diskutiert wird, bei der Spitalplanung jedoch jahrelange Diskussionen stattfinden.» 

Also findet Gert Risch: Grosszügig planen wie in der Privatwirtschaft. Wenn nur so viel gemacht wird, wie aktuell unbedingt notwendig ist, dann bleibt in Zukunft für eine organische Weiterentwicklung kein Spielraum. Wenn zu knapp geplant werde, bestehe bereits Handlungsbedarf für einen Weiterausbau, wenn das neue Gebäude seiner Bestimmung übergeben wird.