Ein Testament ist nicht für die Ewigkeit

Dr. Klemens Jansen ist Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt Vorsorge- und Nachlassplanung in der Kanzlei BATLINER WANGER BATLINER (www.bwb.li).

Die Regierung hat im Frühjahr 2023 angekündigt, dass das liechtensteinische Erbrecht modernisiert und den heutigen Verhältnissen angepasst werden soll.

Was soll sich ändern?
Das Erbrecht soll flexibler als bisher ausgestaltet werden, indem Erblasserinnen und Erblasser künftig über einen grösseren Teil ihres Nachlasses «frei», also unbelastet von Pflichtteilen, verfügen können. Aus diesem Grund soll bspw. das Pflichtteilsrecht der Vorfahren (Eltern) aufgehoben werden.

Als weitere Änderung wird die Möglichkeit zur Abgeltung von Pflegeleistungen angedacht. Neu könnten gewisse Pflegeleistungen im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens geltend gemacht werden. Zudem sollen Testamente zu Gunsten der früheren Ehegattin oder des früheren Ehegatten bzw. der früheren eingetragenen Partnerin oder des früher eingetragenen Partners bei Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft als aufgehoben gelten. Dasselbe wäre während eines hängigen Scheidungsverfahrens oder während einer hängigen Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft der Fall.

Dies sind einige der Änderungen, welche die Regierung vorgesehen hat. Aktuell findet zur betreffenden Vorlage das Vernehmlassungsverfahren statt und es ist davon auszugehen, dass die Rechtsänderungen im Jahr 2024 im Landtag beraten werden.

Redet ihr noch miteinander oder habt ihr schon geerbt?
So lautet ein geflügeltes Wort, welches deutlich machen soll, dass eine Erbschaft auch erhebliches Konfliktpotenzial birgt. In Bezug auf eine Erbschaft ist zu berücksichtigen, dass deren Anfall für die Erben in der Regel eine spürbare Verbesserung der finanziellen Verhältnisse bedeutet. Diese zu «erwarten», kann legitim oder nicht legitim sein, spielt aber für die Lebensplanung eines Erben häufig eine grosse Rolle. Jedenfalls ist die Konfliktbereitschaft in vielen Fällen vorhanden, wenn diese Erwartungen ganz oder teilweise enttäuscht werden. Entsprechend kann bereits jetzt überlegt werden, ob die geplanten Änderungen des Erbrechts eine Bedeutung für den eigenen Nachlass haben werden und welche Anpassungen im eigenen Testament notwendig sein könnten. Voraussichtlich werden die neuen Bestimmungen nämlich auch dann anzuwenden sein, wenn ein Testament noch nach dem «alten» Erbrecht erstellt wurde. Massgebend wird voraussichtlich nur sein, ob ein Erblasser oder eine Erblasserin noch während Geltung des «alten» oder aber schon nach dem «neuen» Erbrecht verstirbt. Wann das Testament erstellt wurde, spielt für die Anwendung des neuen Erbrechts hingegen aber keine Rolle.

Wann sollte man Testamente noch ändern?
In der Regel sollte man das eigene Testamente alle drei bis fünf Jahre kritisch hinterfragen. Zumindest eine Überprüfung des Testaments durch einen Rechtsanwalt ist empfohlen, wenn dabei eine der folgenden Fragen mit «Ja» beantwortet werden kann:

Haben sich die persönlichen Lebensumstände verändert (Trennung, Scheidung, Tod des Partners, Krankheit etc.)? Haben sich persönliche Beziehungen verschlechtert oder verbessert? Kommen Personen im Testament vor, die nichts mehr oder weniger erhalten sollen? Fehlen andererseits Personen, die (umfangreicher) begünstig sein müssten? Sind wesentliche Vermögenswerte hinzugekommen oder abgeflossen? Werden Liegenschaften zunehmend als Belastung empfunden?

Häufig lässt sich eine stimmige Nachlass- und Vorsorgeplanung nicht über ein Testament allein realisieren, sondern es bedarf weiterer sachkundig verfasster Urkunden, um ein «sinnvolles Ganzes» zu schaffen.

In Abhängigkeit der konkreten Situation sind dies z. B. Liegenschaftsverträge, Erb- und / oder Pflichtteilsverzichte, Vorsorgevollmachten als auch Patientenverfügungen. Was konkret benötigt wird, hängt von den konkreten Lebensumständen, den Familienverhältnissen als auch den zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb einer Familie ab.  In vielen Fällen ist es unumgänglich und erspart auch gerichtliche Auseinandersetzungen innerhalb der Familie, wenn bereits in einem frühen Stadium ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin beigezogen wird.