Service public: Was muss, was soll, was kann der Staat?

Seit einigen Monaten beschäftigt sich der Landtag wieder vermehrt mit Themen rund um die staatsnahen Unternehmen. LKW, Gasversorgung (Liechtenstein Wärme), Radio Liechtenstein, Landesspital und Co. beschäftigen die Bevölkerung und die Politik derzeit intensiv.

Im Wahlprogramm der Vaterländischen Union kann man dazu lesen: «Unsere finanzielle Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit bewahren wir durch einen weitsichtigen und haushälterischen Umgang mit den Staatsfinanzen. Dazu gehören die Überprüfung der staatlichen Aufgaben, die Sicherung der Einnahmequellen sowie zukunftsgerichtete Investitionen für die Menschen in Liechtenstein.» Dabei ist es zentral, dass man sich regelmässig fragt, welche Aufgaben der Staat übernehmen muss, welche Aufgaben er übernehmen soll und welche Aufgaben er übernehmen kann.

Während grundlegende Themen in unserer Landesverfassung (III. Hauptstück, Art. 14 ff.) festgeschrieben sind, gibt es für gewisse Dienstleistungen entsprechende Gesetze, welche die Aufgaben festlegen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Verfassung auf dem Bildungswesen und den sozialen Verpflichtungen des Staates. Auch die Themen der Wirtschaftsförderung und des Umweltschutzes sind dort klar als Staatsaufgabe ausgewiesen. Bei den Themen des sogenannten service public werden daraus dann einige Aufgaben abgeleitet, die in Gesetzen ihren Niederschlag fanden: Beispielsweise wird in der Verfassung nicht explizit festgehalten, dass Liechtenstein ein eigenes Landesspital, ein Busunternehmen, eine Post oder einen Radiosender braucht oder dass Strom- und Wärmeanbieter als staatsnahe Unternehmen geführt werden müssen. Diese Strukturen hat der Gesetzgeber mittels der Schaffung von Gesetzen geschaffen.

Gerade auf Gesetzesebene ist es für den Landtag deshalb erstrebenswert, diese Strukturen regelmässig auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Es ist zudem die ureigenste Aufgabe des Landtags mit seiner Finanzhoheit entsprechende strategische Zielsetzungen solcher Unternehmen zu fixieren. Die Regierung ist dann für die Umsetzung dieser Gesetze zuständig.

In ihrer Studie «Service public. Weniger Staat – mehr privat» analysierte vor zwei Jahren die Stiftung Zukunft.li den service public der Sektoren Post, Telekommunikation, Gas, Elektrizität und Verkehr auf ihre Rechtfertigung hin. Die Studie offenbart in all diesen Bereichen Handlungsbedarf, um die Unternehmen zukunftsfit aufzustellen. Eine zentrale Aussage ist auch, dass der Begriff des service public für sich noch nicht rechtfertigt, dass sich der Staat in diesen Themen engagiert und damit aktiv in die Wirtschaft eingreift.

Im Landtag erleben wir in letzter Zeit wieder häufiger, dass sich aufgrund der Gesetzgebung die Spielräume der Politik in engen Grenzen bewegen. Der Anspruch an die staatsnahen Unternehmen seitens der Bevölkerung ist aber grossteils ein anderer: Kurzum – steigen die Energiepreise, wird vom Staat gefordert, dass sich diese Preise nicht 1:1 auf die Kundinnen und Kunden niederschlagen, da die Unternehmen ja quasi staatsnah sind und deshalb gefälligst darauf achten sollen, dass die Bevölkerung von billiger Energie profitieren kann. Geschieht das nicht, werden staatliche Eingriffe gefordert, die sich im Rahmen des ÖUSG als sehr komplex erweisen. Die Regierung übt die Oberaufsicht aus, hat aber wenig Handlungsspielräume, im Rahmen dieser Oberaufsicht in das operative Geschäft einzugreifen. Der Landtag spricht zwar Gelder, wenn die Unternehmen in Not geraten, hat aber auch keine Durchgriffsrechte. Und am Ende führen viele Debatten zu den Vorwürfen, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Und einige provokante Fragen könnten folglich lauten: Kann der Staat das wirklich besser, als es Private können? Was nützen uns diese Netzinfrastrukturen und eine staatliche Oberaufsicht, wenn nicht gewährleistet werden kann, dass uns diese Dienstleistungen günstig angeboten werden können? Müsste man Unternehmen wieder ganz verstaatlichen, damit Gesetzgeber und Exekutive mehr Mitsprache erhalten und diese Zustände ändern?

Die aktuell geltenden Gesetze wurden immer wieder von allen Parteien im Landtag kritisch hinterfragt, wenn auch teilweise nur andeutungsweise. In dieser Aktuellen Stunde möchte die Fraktion der VU diese Fragen rund um die Staatsaufgaben offen diskutieren und sich ein Stimmungsbild verschaffen, wie der Landtag die Situation rund um die staatsnahen Betriebe einordnet. Es dürfen in dieser Diskussion Gesetze kritisch hinterfragt werden und es sind auch mutige Statements willkommen. Der aktuelle Landtag und die aktuelle Regierung sind mittlerweile zwei Jahre im Amt. So konnten sich auch «die Neuen» einen vertieften Einblick zu diesen Themen verschaffen. Die Fraktion der Vaterländischen Union möchte gerne offen die Meinungen im Landtag abholen und keine Denkverbote gelten lassen.

Deshalb möchten wir auch keine Fragen vorgeben, denn diese Fragen laden meist nur dazu ein, Voten vorzufertigen, was am Ende oft dazu führt, dass man in der Aktuellen Stunde aneinander vorbeiredet, weil man teilweise komplett verschiedene Vorstellungen der Dinge hat. Statt vorgefertigten Voten soll vor allem der offenen Diskussion Raum gegeben werden. Eine Kernfrage könnten aber beispielsweise lauten «Was muss, was soll, was kann der Staat – und was nicht?», «Was könnten Private aktuell besser als der Staat?» und «Wo wäre in Sachen service public ein stärkerer Staat gefragt?»

Da bei diesen Themen unseres Erachtens der Input der Regierung substanziell ist, laden wir die Regierungsmitglieder herzlich zur Teilnahme und aktiven Beteiligung an der Aktuellen Stunde ein.