Post- und Zollvertrag im Vergleich

Patricia Schiess, Forschungsbeauftragte Recht am Liechtenstein-Institut

In diesen Tagen feiert der Zollvertrag seinen 100. Geburtstag. Rund zwei Jahre zuvor, im November 1920, hatten Liechtenstein und die Schweiz den Postvertrag geschlossen: Das Übereinkommen «betreffend die Besorgung des Post-, Telegraphen- und Telephondienstes im Fürstentum Liechtenstein durch die schweizerische Postverwaltung».

Beide Verträge garantierten Liechtenstein die gleiche Behandlung wie der Schweiz. Im Falle des Postvertrags bedeutete dies im Wesentlichen, dass für Anrufe von Liechtenstein in die Schweiz und umgekehrt derselbe Tarif wie für ein Gespräch in der Schweiz galt und Briefe von Liechtenstein in die Schweiz gleichviel kosteten wie solche innerhalb der Schweiz. Als Bedingung für diese Gleichberechtigung verlangten sowohl der Zoll- als auch der Postvertrag, dass die einschlägigen Schweizer Normen auch in Liechtenstein
gelten. 

Neuverhandlung des Postvertrags
Nach langen Verhandlungen schlossen die Vertragspartner 1978 einen neuen Postvertrag. Die Schweiz wünschte nämlich die «volle Abgeltung der von den PTT-Betrieben für Liechtenstein erbrachten Leistungen». Sie behauptete, 1920 sei «den ungleichen Grössenverhältnissen der beiden Staaten in Bezug auf die Kostenanrechnung zu wenig Beachtung geschenkt worden.» Liechtenstein zahle seit seinem «wirtschaftlichen Aufschwung» zu wenig an die Schweizer Infrastruktur. 1978 erhielt Liechtenstein dafür die ausdrückliche Anerkennung des Post- und Fernmelderegals. Dadurch war nun klar, dass Liechtenstein Radio- und Fernsehkonzessionen erteilen und die Gebühren einziehen durfte.

Änderungen mit dem EWR-Beitritt
Wegen des EWR-Beitritts wurden der Zoll- und der Postvertrag per 1. Mai 1995 geändert. Zudem wurden zu beiden Verträgen zusätzliche Vereinbarungen getroffen. Diese sahen vor, dass in Liechtenstein Schweizer Recht und EWR-Recht nebeneinander Anwendung finden. Beim Abweichen des EWR-Rechts sollte für Liechtenstein im Verhältnis zu den Partnern des EWR-Abkommens das EWR-Recht angewendet werden und nicht das widersprechende Schweizer Recht. Trotz dieser Freiheit wünschte Liechtenstein bald das Ende des Postvertrags. Die Regierung war bereits 1996 zum Schluss gekommen, dass die mit dem EWR-Beitritt eingegangene Pflicht zur Liberalisierung des Fernmeldewesens eine rasche Neuausrichtung des Telekommunikationsrechts verlangte und das Land eigene
Behörden errichten musste. 

Per 31. März 1999 lösten die Schweiz und Liechtenstein den Postvertrag einvernehmlich auf. Der Zollvertrag ist hingegen heute noch in Kraft. Er sieht nur für den Zolldienst die Besorgung durch Schweizer Behörden vor. Da der EWR keine Zollunion ist, ist hier das Reibungspotenzial auf Ebene Staatsvertrag geringer, als es dies beim Postvertrag war.

Der Postvertrag ist gleichsam der ältere Bruder des
Zollvertrags.