Leserbrief: Elektronisches Gesundheitsdossier: Wo ist der Nutzen?

Vor einer Woche hat sich eine Mehrzahl von Personen in einem Leserbrief aus Datenschutzgründen gegen das elektronische Gesundheitsdossier (eGD) ausgesprochen. Ihren Standpunkt gilt es zu respektieren.

Interessehalber habe ich meinen Hausarzt und einen weiteren Arzt auf das elektronische Gesundheitsdossier (eGD) angesprochen und gefragt, was sie davon halten. Von der Antwort war ich sehr überrascht. Keiner der beiden Ärzte hat einen grossen Nutzen im elektronischen Gesundheitsdossier erkennen können. Elektronisch gespeicherte Daten, die ein paar Wochen oder sogar Monate alt sind, sei dies beispielsweise ein MRI oder andere Gesundheitsdaten, haben später meist keine grosse Relevanz mehr. Bei einem akuten Notfall, z.B. Diskushernie im Rücken, wird ohnehin ein neues MRI benötigt. Muss einem verunfallten Patienten mit grossem Blutverlust Blut verabreicht werden, muss die Blutgruppe zuerst neu bestimmt werden, auch wenn dies schon mehrfach gemacht wurde (Vorschrift). Also wo liegt denn der Nutzen? Einer der beiden Ärzte meinte, dass ein gewisser Nutzen u.U. für ihn dann gegeben sein könnte, wenn es sich um einen Patienten handle, der oft den Arzt wechsle. Aber wie viele Patienten tun das? Vermutlich liegt die Zahl im tiefen einstelligen Prozentbereich.

Beide Ärzte waren sich darin einig, dass das eGD für sie noch mehr Arbeit (Bürokratie) generiere. Diese wird auf die eine oder andere Art abgegolten werden müssen, sei es durch eine eigene Tarifposition oder versteckt durch Abrechnen zusätzlicher Leistungen. Das heisst, die Kosten werden im Gesundheitswesen weiter in die Höhe getrieben, der Arzt hat noch weniger Zeit für die Patienten.

Fazit: Das elektronische Gesundheitsdossier (eGD) scheint also weder dem Arzt noch dem Patienten einen grossen unmittelbaren Nutzen zu bringen. Ein Nutzen für den Medizinfortschritt könnte sich evtl. dann ergeben, wenn durch die Analyse grosser Datenmengen («big data») festgestellt werden könnte, dass gewisse Therapien oder Medikamente besser wirken als andere. Alles andere ist wohl Wunschdenken. Digitalisierung ist zwar Mode, bringt uns aber nicht überall weiter.

Erich Hasler, stv. Abg. DpL