Neujahrsbotschaft von Albert Frick

Mit dem Beginn der Adventszeit wird zunehmend bewusst, dass sich das Jahr dem Ende zuneigt, und es kommt nicht ganz überraschend, wenn eine Anfrage für eine Weihnachts- bzw. Neujahrsbotschaft eintrifft. Diesem Ansuchen komme ich gerne nach.

«Nichts ist so beständig wie der Wandel», sagte einst der griechische Philosoph Heraklit. Wie recht er doch hatte. Wer hätte zu Beginn dieses Jahres gedacht, welch einschneidende Veränderungen unsere Gesellschaft in Kürze erfahren wird. Der 24. Februar 2022 wird in unrühmlicher Weise in die Geschichte eingehen. Der russische Überfall auf die Ukraine hat unsere Welt verändert. Eine Welt, die durch die Corona-Pandemie ohnehin schon verunsichert war. Eine Prüfung folgt auf die andere, und wieder sind wir alle betroffen. Dass in Europa zur Verfolgung politischer Ziele Gebiete erobert, Menschen in Massen getötet oder verschleppt werden und Infrastrukturen mit dem Ziel zerstört werden, den dort lebenden Menschen die Lebensgrundlagen zu entziehen, war für uns unvorstellbar geworden. Nun ist es Tatsache mit verheerenden Folgen auch für uns.

Die Energiekrise stellt unsere Gewissheit auf den Kopf, dass Gas und Öl einfach so fliessen und das zu erschwinglichen Preisen. Es ist zum Hauptthema unserer Politik geworden, den plötzlich aufgetretenen Herausforderungen zu begegnen. Die Krise zeigt sich durch Energieknappheit, steigende Energiekosten, europaweite Inflation, steigende Zinsen und Anzeichen einer ernsthaften Rezession. 

Bemühungen um Ausweitung der Energiegewinnung im Lande selbst, d.h. deutliche Erhöhung der Energieautarkie, sind das politische Gebot der Stunde. Das darf aber auch als Chance angesehen werden. Krisen können Innovationstreiber sein. Mannigfaltige Bestrebungen, die Stromproduktion im Lande zu erhöhen, z.B. durch eine Photovoltaikoffensive, werden zukünftig Früchte tragen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es auch, in entstandenen Notsituationen Unterstützung zu gewähren. Mit befristeten Entlastungsmassnahmen zur Abfederung der Energiepreissteigerungen für einkommensschwache Haushalte und energieintensive Unternehmen wird schnelle Hilfe geboten. Die Energiekrise zieht ein Umdenken und eine Menge an Massnahmen nach sich, wie wir es uns noch vor einem Jahr nicht vorstellen hätten können.

«Wir dürfen uns auf 100 Jahre Zollvertrag mit der Schweiz und auf mindestens zwei weitere 100-Jahr-Jubiläen freuen.»

Albert Frick, Landtagspräsident

 

Gesundheitsversorgung im Zentrum
Wir befinden uns mitten in der Legislaturperiode 2021–2025. Da scheint es angebracht, einige Themen anzusprechen. Zu Beginn hat die Pandemie noch alles überschattet und die politische Arbeit wesentlich geprägt. Es ist heute eine unbestrittene Erkenntnis, dass die Massnahmen in bester Absicht und in Sorge um die Volksgesundheit getroffen wurden. Auf der anderen Seite wurde aber auch offenbar, dass Teile der Bevölkerung sich durch die Massnahmen bevormundet und ausgeschlossen fühlten. Die Gefühls- und Gemütszustände führten zu Demonstrationen, die für unser Land aussergewöhnlich sind und letztlich gar in die Gründung einer politischen Partei mündeten. Bei all dem darf nicht vergessen werden, dass wir als Kleinstaat in Pandemiefragen nicht absolut autonom handeln können, sondern auf Zusammenarbeit und Koordination angewiesen sind. Im Zusammenhang mit Gesundheitsfragen hat ein Thema die liechtensteinische Bevölkerung besonders aufgerüttelt. Die anlässlich der Pandemie vieldiskutierte medizinische Versorgung hat die Abstimmung über ein neues Landesspital mit Sicherheit beeinflusst. Das Volk hat sich für einen Neubau des Landesspitals entschieden. Sich abzeichnende Mehrkosten könnten nun dazu führen, dass die Grundsatzfrage über die Notwendigkeit eines eigenen Spitals erneut zur Debatte steht. 

Klimakrise gefährdet die gesamte Menschheit
Angesichts der von Pandemie, Kriegsereignissen und Energieknappheit bestimmten Aktualität besteht leider die gewaltige Gefahr, dass die grösste Herausforderung der Menschheit, die Klimakrise, in den Hintergrund gedrängt wird. Sie gefährdet die Existenz der gesamten Menschheit, ihre Gesundheit, ihre Sicherheit und ihre Ernährung. Wir dürfen uns nicht hinter unserer Kleinheit verstecken. Auch wenn die grossen Weltmächte die Hauptverursacher der Klimakrise sind, so sind doch alle Teile der Menschheit gefordert, in ihrem Einflussbereich eindämmende Anstrengungen zu ergreifen. Mit der Klimastrategie 2050 wird aufgezeigt, wie Liechtenstein das gesetzlich verankerte Netto-Null-Ziel bei Treibhausgasemissionen erreichen kann. Wir haben alles Interesse, unseren Beitrag zu leisten, denn eine ungebremste Klimaerwärmung durch Treibhausgase wird Auswirkungen haben, die sich niemand wünscht. So ist eine Migrationswelle bisher nie gekannten Ausmasses zu befürchten, die insbesondere auch unseren Kontinent Europa überfluten würde.

Erfreulich gute Finanzlage des Staates
Die Leserschaft wird sich wohl die Frage stellen: «Hat die Politik denn nichts anderes als Krisen zu bieten?» Dem ist natürlich nicht so. Es gibt in unserem Land durchaus Erfreuliches zu berichten. So zeigt es sich, dass die finanzielle Lage des Staates nach wie vor gut ist. Vorübergehende negative Turbulenzen an den Finanzmärkten dürfen nicht überbewertet werden. Ihnen standen in den vergangenen Jahren übermässige Gewinne entgegen. Die Erfahrung lehrt, dass ein Vermögenspolster in längerfristiger Betrachtung finanzielle Zugewinne generiert. Es besteht derzeit kein Grund, in Panik zu verfallen. Nach wie vor ist der Staat in der Lage, erhebliche Investitionen zu tätigen. Das zeigt sich in mehreren Schulbauprojekten, die den im Bildungswesen wachsenden Infrastrukturbedarf abdecken werden. Ein besonderes Bijou soll die neue Landesbibliothek an prominentem Standort im Vaduzer Städtle werden. Diese Bildungs- und Begegnungsstätte in Nähe des Regierungs- und Landtagsviertels wird einen Mehrwert mit sich bringen, der uns Freude bereiten wird.

100 Jahre Zollvertrag und weitere 100-Jahr-Jubiläen
Freude ist das Stichwort, mit dem ich ins Jahr 2023 überleiten möchte. Grosse Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus. So ein Ereignis steht 2023 in unserem Land an. Wir dürfen 100 Jahre Zollvertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein feiern. Dieses Vertragswerk, das Grundlage für den fast beispiellosen Aufstieg Liechtensteins vom armen Selbstversorgerland zum heutigen modernen und wohlhabenden Staatswesen ist, wird unter Einbezug der Bevölkerung gebührend gefeiert werden. Neben etlichen von der Regierung initiierten Veranstaltungen wird der Landtag am 26. April eine Sondersitzung zur Würdigung des Vertragswerkes abhalten. Die Thematik «100 Jahre Zollvertrag» wird die erste Hälfte des Jahre 2023 in besonderer Weise prägen und die politischen Mandatsträger beider Länder ebenso wie die nahegelegenen Teile der Bevölkerung zusammenführen. 

«Die Energiekrise darf auch als Chance angesehen werden. Krisen können Innovationstreiber sein.»

100 Jahre haben es in sich. So stehen weitere 100-Jahr-Feiern im Land an. Die Ivoclar Vivadent, eines unserer renommiertesten Industrieunternehmen, wurde 1923 in Zürich gegründet und ist einige Jahre später nach Liechtenstein übersiedelt. Der Firmenspot «We all smile in the same language» hat es mir angetan. Wie schön und zuversichtlich stimmend ist es doch, dass wir uns weltweit mit einem Lächeln verständigen können. Und wenn dieses Lächeln dank liechtensteinischer Innovationen besonders gewinnend ist, so strahlt dies glanzvoll auf unser Land zurück. Auch die Liechtensteinischen Kraftwerke werden 100 Jahre ihres Bestehens feiern können. Dazu ist kurz nach dem Staatsfeiertag 2023 rund um den Schaaner SAL ein Fest vorgesehen. Den LKW dann alles Gute zu wünschen, wird eine willkommene Angelegenheit sein. Die Kraftwerke sind in dieser ereignisreichen Zeit ganz besonders gefordert, die Energiesicherheit im Lande für weitere 100 Jahre zu gewährleisten.

Unter vielen anderen erfreulichen Gegebenheiten möchte ich das kulturelle Leben im Lande hervorheben. Neben zahlreichsten Darbietungen im nationalen Format locken auch Veranstaltungen von höchster internationaler Qualität. Es ist wunderbar, dass wir uns in Liechtenstein auf Konzerte mit Andrea Bocelli und Anna Netrebko freuen können. Diese Aussicht erhellt den Blick auf das Jahr 2023. Voll Zuversicht wünsche ich allen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern eine besinnliche Advent- und Weihnachtszeit und ein glückliches Neues Jahr. 

«Der Staat ist nach wie vor in der Lage, erhebliche Investitionen zu tätigen.»