Das volkswirtschaftsfreundliche Fremdenrecht Liechtensteins

DOMENIK VOGT, Rechtsanwalt und Senior Associate

Das Fürstentum Liechtenstein, Katar, die Vatikanstadt und Bhutan haben allesamt gemeinsam, dass es verhältnismässig schwierig ist, eine Aufenthaltsbewilligung oder gar die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Im Königreich Bhutan mag der Beitrag zum Bruttonationalglück eine massgebliche Rolle dafür spielen, im Fürstentum Liechtenstein sind dagegen vorwiegend wirtschaftliche Faktoren entscheidend – manchmal aber auch nur Glück. 

Aufnahme des Aufenthalts in Liechtenstein
Die Beweggründe für die Aufnahme des Wohnsitzes bzw. für einen Aufenthalt von mehr als 12 Monaten in Liechtenstein können unterschiedlicher Natur sein. Unabhängig der Beweggründe sehen sich Staatsbürger eines EWR Mitgliedstaats, der Schweiz oder eines Drittlands mit den Bestimmungen des Fremdenrechts konfrontiert. Der Aufenthalt unterliegt der Genehmigung der Behörden Liechtensteins, die aufgrund der Gesetze zu entscheiden haben. Die anwendbaren rechtlichen Grundlagen ergeben sich aus der Herkunft des Antragstellers. Für Drittstaatsangehörige, die weder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats des EWR noch der Schweiz sind, ist das Ausländergesetz (AuG) relevant. Für Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates des EWR oder der Schweiz gilt das Personenfreizügigkeitsgesetz (PFZG). Im Zuge des Beitritts zum EWR handelte sich Liechtenstein einen Sonderstatus hinsichtlich der Personenfreizügigkeit aus. Neben der Herkunft der antragstellenden Person ist zudem relevant, ob während des Aufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wird.

Von persönlichen und öffentlichen Interessen
Den Beweggründen der Antragsteller für eine Aufenthaltsbewilligung werden die Interessen des Staats Liechtenstein entgegengestellt, die sich in den Bewilligungsvoraussetzungen wiederspiegeln. Es wird vorausgesetzt, dass die Zulassung von erwerbstätigen Ausländern im Interesse der Volkswirtschaft erfolgt. Bei Erwerbstätigen kann es im Sinne der Wettbewerbsneutralität ausschlaggebend sein, welchem Erwerbssektor sie zugehören. Die Wirtschaft ist in fünf Erwerbssektoren unterteilt: Land- und Forstwirtschaft, Baugewerbe, Industrie, Finanzdienstleistungen und Allgemeine Dienstleistungen. Wurde ein Sektor überproportional berücksichtigt, kann es gerechtfertigt sein, an diesen im Folgejahr keine oder weniger Bewilligungen zu erteilen. Die hohe fachliche Qualifikation der antragstellenden Personen ist insbesondere relevant, wenn diese nicht aus dem EWR oder der Schweiz stammen.

Bei Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit kann ein «besonderes Interesse» für das Land von Vorteil für den Antragsteller sein, das bei Personen mit bedeutendem kulturellem, wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Ansehen für gegeben erachtet wird. Nichterwerbstätige müssen nachweisen, dass die notwendigen finanziellen Mittel für den Lebensunterhalt vorhanden sind, sodass keine Sozialhilfe in Anspruch genommen werden muss und dass umfassender Krankenversicherungsschutz besteht. Im Bewilligungsverfahren entscheiden die Behörden nach Ermessen. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung aller relevanten Marktteilnehmer und der Wettbewerbsneutralität. Die Beschränkung der Neuzuwanderung von ausländischen Staatsangehörigen wird als im öffentlichen Interesse gelegen erachtet. Dieses öffentliche Interesse geht in aller Regel den persönlichen Interessen von Ausländern vor.

Vergabeverfahren und Auslosung
Nicht-EWR-Bürger können eine Aufenthaltsbewilligung grundsätzlich nur im Antragsverfahren erlangen. EWR-Staatsangehörigen steht die Möglichkeit offen, jährlich an einer der beiden Auslosungen teilzunehmen. Insgesamt werden jährlich 72 Aufenthaltsbewilligungen an EWR-Bürger vergeben, 56 an Erwerbstätige, 16 an Nicht-Erwerbstätige. Die Hälfte dieser Bewilligungen werden im Auslosungsverfahren vergeben. Wer die Aufenthaltsbewilligung «B» erlangt, ist zum Aufenthalt von mehr als 12 Monaten berechtigt und kann nach einem Aufenthalt von 5 Jahren um eine Daueraufenthalts- bzw. um eine Niederlassungsbewilligung ansuchen. Wird ein ordentlicher Wohnsitz in Liechtenstein von 30 Jahren nachgewiesen, besteht der Anspruch auf Aufnahme in das Landes- und Gemeindebürgerrecht.

Die Zulassungspolitik Liechtensteins für den Zuzug aus dem Ausland wird aus den gegebenen geographischen Umständen wohl auch weiterhin den Fokus auf hochqualifizierte Fachkräfte oder vermögende Antragsteller legen. Ausschlaggebend sind sohin der im anspruchsvollen Antragsverfahren belegte Vorteil für Liechtenstein oder der Losentscheid – ein Glückspiel besonderer Art.