«Die Natur ist ein Teil meiner Seele»

Als Rainer Kühnis Informatikunternehmer wurde, war er ein junger Student, und die Welt der Informatik war noch eine andere. Er ist der Materie bis heute treu geblieben. Bekannt ist er in Liechtenstein und der Schweiz aber vor allem durch seinen Einsatz für die Natur. Der Präsident des Fischereivereins berät Behörden und Private bei Bauprojekten, welche Gewässerlebensräume beeinflussen, bietet Führungen an und fotografiert am sowie unter Wasser. 

Aufgewachsen und zur Primarschule gegangen ist der 54-jährige Vaduzer Rainer Kühnis in Schaan. «Wir lebten im Quartier Malarsch am Rand des Siedlungsgebiets, und so war ich mit meinen Kollegen jeden Tag und oft auch nachts in der Natur draussen, um Tiere zu beobachten. Egal, ob die Sonne schien oder es geregnet hat.» Nach dem Besuch des Liechtensteinischen Gymnasiums führte ihn der Bildungsweg nach St. Gallen, wo Rainer Kühnis Wirtschaftsinformatik studierte. Während dieser Zeit wohnte er einige Jahre in Nendeln am Waldrand. Dort erfreuten ihn die abendliche Rufe der Waldkäuze und Uhus. Später absolvierte er diverse Weiterbildungen und übernahm Anfang der 1990er in jungen Jahren die Firma «Toppic Informatik AG». «Heute hat das Unternehmen zwei Standorte. Die Toppic Informatik AG in Sevelen und die Toppic Consulting AG in Vaduz. Als Angestellter in der eigenen Unternehmung war ich aber doch auch mein ganzes Berufsleben hindurch mein eigner Chef», sagt Kühnis und schmunzelt. Was sich ebenfalls über all die Jahre trotz – oder gerade wegen – des Bürojobs am Computer nie geändert hat, ist die Liebe zur Natur. «Sie ist einfach ein Teil meiner Seele, und ihr Zustand liegt mir sehr am Herzen.» 

Alle Landesgewässer unter der Lupe
«Mein persönliches Engagement für die Natur dreht sich seit fast zwei Jahrzehnten besonders um den Lebensraum Wasser. Fische, heimische Krebse sowie Muscheln und die Gewährleistung ihres intakten Lebensraumes haben es mir angetan», sagt Rainer Kühnis. So ist er seit neun Jahren Präsident des Fischereivereins Liechtenstein und hat in dieser Zeit mehrere Studien in Fisch- und Gewässerökologie erfolgreich absolviert. «Wenn es um Projekte zur Gewässeraufwertung geht, ist es etwas vom Wichtigsten, ein Gewässer so genau wie möglich beurteilen zu können, ob es den aquatischen Zielarten entspricht, und was es bräuchte, damit diesen auch tatsächlich ein bestmöglicher Lebensraum geboten werden kann.» Dank mehrerer Zertifikate und Diplome in Advanced Studies an der ZHAW, den sogenannten CAS- und DAS-Ausbildungen, kann Kühnis heute ein Gewässer effizient untersuchen und beurteilen, ob es sich in einem für die Zielgruppen lebenswerten oder in einem ungenügenden Zustand befindet. «Dies bedingt natürlich auch eine vertiefte Artenkenntnis. Anhand des Vorkommens gewisser Arten kann nämlich ein Gewässer nochmals genauer beurteilt werden.» Mittlerweile ist aus der Gewässerökologie ein solides, zweites berufliches Standbein geworden. «Beispielsweise durfte ich ein Flusskrebsinventar für den Kanton Schwyz erstellen und habe dazu die Gewässer auf dem Kantonsgebiet untersucht.» Derzeit verfasst Rainer Kühnis wieder zusammen mit zwei Kollegen im Auftrag des Landes den alle zehn Jahre neu aufgelegten «Fisch- und Krebsatlas Liechtenstein», der 2024 publiziert wird. «Dafür untersuchen wir ebenfalls alle Liechtensteiner Gewässer und analysieren, ob sich ökologische Verbesserungen eingestellt haben und, wenn ja, in welcher Form.»

Kühnis hat sich in den vergangenen Jahren in vielerlei Hinsicht persönlich für Lebensraumaufwertungen in und an den Gewässern eingesetzt. Bei gewässerbaulichen Projekten in Liechtenstein und weiteren Regionen fungiert er, ebenfalls über die Firma «Toppic Consulting AG», als Berater. «Zum Beispiel kann es darum gehen, bei einer Brückensanierung mit Fachwissen zur Seite zu stehen und Dohlenkrebse einzusammeln, sie artgerecht zu überwintern und nach der Fertigstellung des Projekts wieder an Ort und Stelle auszusetzen, sofern ihre Lebensgrundlage weiterhin gewährleistet ist.» Seit dem Jahr 2010 unterstützt Rainer Kühnis die Fürstliche Regierung ausserdem als Mitglied des Fischereibeirats in allen Fragen rund um Fische, Krebse und Grossmuscheln.

Ein Sorgenkind entwickelt sich gut
Vom Fischereibeirat war es ein logischer Schritt, dass der engagierte Naturfreund zum Präsidenten des Fischereivereins gewählt wurde. Dieser ist der einzige Pächter, den die Liechtensteinische Fischereiverordnung für die Gewässer im ganzen Land vorsieht. Wer also angeln möchte, kommt um den Verein nicht herum. Dass die Fische schliesslich gegessen werden, ist für Rainer Kühnis kein Widerspruch. «Wir sind auch ein Naturschutzverein, der sich für den Erhalt, den Schutz und die Optimierung des Lebensraums der Fische einsetzt. Das Fangen der Fische, unsere Ernte, erfolgt nach strengen Regeln und untersteht einem gezielten Artenmanagement. Unsere 350 Mitglieder sind, wenn sie eine Karte zum Fischen lösen, zu einem Froneinsatz pro Jahr verpflichtet. Sie arbeiten dann immer irgendwo an einer geplanten Verbesserung eines Bachlaufs oder eines Naturschutzgebietes.» Aber auch als Bauherr tritt der Verein dank des Know-hows des Präsidenten und weiterer engagierter Mitglieder in Erscheinung. «Derzeit sind wir dabei, auf Ruggeller Gemeindegebiet eine rund 1000 Meter lange, noch ziemlich monotone Strecke des Binnenkanals aufzuwerten. Das beinhaltet unter anderem sorgsam geplante Verengungen und Aufweitungen innerhalb des Gewässerkörpers, welche gezielt Fliessgeschwindigkeiten beeinflussen und Instream-Restaurierungen genannt werden. Meine Weiterbildungen in Renaturierung zahlen sich dabei mehr als aus», sagt Kühnis. Bei einem solchen Projekt müssen die Arbeiten aber nicht nur geplant und beaufsichtigt werden. Auch für das Auftreiben der notwendigen finanziellen Mittel ist der engagierte Verein selber zuständig.

Anzeichen dafür, dass sich der Einsatz des Fischereivereins, das Engagement von zielverwandten Organisationen und jenes von Land und Gemeinden lohnen, gibt es zur Freude von Rainer Kühnis tatsächlich. «Wir stellen heute deutlich mehr Arten und auch grössere Fischdichten fest als noch vor zehn Jahren. Das zeigt sich besonders am Beispiel der Esche. Sie war 2011 beinahe ein totes Gewässer. Fische fand man in ihr so gut wie keine. Heute zappelt es im Bach nur so davon. Die Esche ist zwar immer noch ein Sorgenkind. Aber sie erholt sich schrittweise.» Das Gleiche gilt für die anderen Liechtensteiner Gewässer. «Zur Verbesserung haben ausser unseren Einsätzen auch viele weitere Massnahmen beigetragen. Eine ganz Wesentliche war der Bau der zentralen Abwasserreinigungsanlage in Bendern vor rund 50 Jahren und ihre stetige Weiterentwicklung im Lauf der Zeit, welche die Qualität der Gewässer erheblich beeinflusst hat.» Einen wichtigen Beitrag geleistet hat aber auch die Entfernung der Wanderhindernisse in den Talfliessgewässern. Wird das Wasser an einer Stelle zu warm, was gerade angesichts der Klimaerwärmung häufiger vorkommt, können die Fische nun an kühlere Stellen wechseln. «Ein jedes Tierchen hat sein Pläsierchen. Dies gilt es zu berücksichtigen, um so für sie eine langfristige Lebensgrundlage zu schaffen. Liechtenstein hat seine Hausaufgaben nicht überall im Naturschutz gemacht. Bei zahlreichen Stellen an den Binnengewässern kann man dies aber getrost feststellen», sagt Rainer Kühnis.

Abschalten als Fotograf am, auf und unter dem Wasser
Gerne gibt Rainer Kühnis zusammen mit seiner Frau Andrea auch die gemeinsame Leidenschaft für die Natur und besonders den Lebensraum Wasser weiter. «Wir werden oft angefragt, ob wir Zeit haben, einer Gruppe zum Beispiel Fische, Krebse und Muscheln in Liechtenstein näherzubringen. Diese Anfragen können an uns privat adressiert sein, über die Botanisch-Zoologische Gesellschaft Liechtenstein-Sarganserland-Werdenberg oder über den Fischereiverein, der in der Jugendbildung auch durch andere Mitglieder sehr aktiv ist. Fast jede zweite Woche haben wir vom Frühling bis Herbst Besuch von einer Schulklasse, der wir direkt in der Natur den Lebensraum Wasser erklären. Meistens unter speziellen Gesichtspunkten wie zum Beispiel der Frage, wie Fische sich eigentlich ernähren oder Muscheln sich fortpflanzen.»

Viel Freizeit bleibt Rainer Kühnis neben Beruf und ehrenamtlichem Engagement sowie Familie nicht mehr. «Meinem grossen Hobby, der Naturfotografie, kann ich nur sporadisch nachgehen.» Ab und zu nimmt sich Rainer Kühnis diese Zeit aber auch einfach. «Meine Fotos durften bereits an einigen Orten ausgestellt werden und erschienen in mehreren Fachmagazinen. Natürlich haben sie immer mit der Natur und besonders mit dem Lebensraum Wasser zu tun. Die Motive können Vögel sein, Insekten, aber oft auch Fische und Krebse. In Kürze möchte zum Beispiel das Naturzentrum Glarnerland eine ganze Reihe meiner Eulen- sowie danach meiner Unterwasserfotografien präsentieren.» Und selbstverständlich wird Rainer Kühnis auch an allen Liechtensteiner Gewässern weiterhin regelmässig anzutreffen sein.