Gegen das Vergessen: Zwei Stolpersteine in Vaduz verlegt

Bildlegende: Katja Demnig von der Stiftung „Spuren – Gunter Demnig“ verlegt die zwei Stolpersteine. (Bild Gemeinde Vaduz/Julian Konrad)

Sie sind nur 10 x 10 cm gross und doch das grösste dezentrale Mahnmal der Welt. Am Mittwoch wurden in Vaduz zwei Stolpersteine in Gedenken an Gertrud und Alfred Rotter verlegt.

Es ist ein Projekt gegen das Vergessen. Seit 1992 verlegt der Künstler Gunter Demnig bzw. die Stiftung „Spuren – Gunter Demnig“ sogenannte Stolpersteine, kleine im Boden verlegte Gedenktafeln, die an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Heute gibt es in rund 30 europäischen Ländern rund 95‘000 solcher Stolpersteine. Am Mittwoch, 31. August 2022, kamen zwei in Vaduz dazu – es sind die ersten in Liechtenstein.

In Gedenken an Gertrud und Alfred Rotter
Im Rahmen einer kleinen Feier wurden die Stolpersteine in Gedenken an Gertrud und Alfred Rotter beim Brunnen in der Kreuzung Beckagässli – Städtle verlegt. Das ursprünglich aus Deutschland stammende jüdische Ehepaar stürzte am 5. April 1933, verfolgt von Liechtensteiner Nationalsozialisten, unterhalb von Gaflei zu Tode.

Eine Interessensgemeinschaft kam mit dem Vorschlag auf die Gemeinde Vaduz zu, in Gedenken an die Geschehnisse vom 5. April 1933 einen zentralen Standort in Vaduz zu finden, um die Stolpersteine zu platzieren. Damit soll auch ein Einstehen gegen Extremismus und für Toleranz sowie die Stützung eines humanistischen Menschenbildes zum Ausdruck gebracht werden. „Der Gemeinde Vaduz war es ein grosses Anliegen zusammen mit der Interessensgemeinschaft und den involvierten Familien einen relevanten Standort für die Platzierung der Stolpersteine zu finden“, sagte Bürgermeister Manfred Bischof. „Es ist dies auch ein Zeichen, dass wir diesen dunklen Teil der Liechtensteiner Geschichte nicht
verdrängen, sondern dass wir ihn aktiv aufarbeiten und daraus lernen, indem wir auch in unserem Alltag an diesen Steinen vorbeikommen und vielleicht kurz innehalten und die Inschrift lesen.“

Dass die Zeit des Nationalsozialismus sehr viel Leid, Trauer und Unsicherheit auch für die nachfolgenden Generationen brachte, sollte nie vergessen werden, betonte auch Evelyne Bermann, Ehrenpräsidentin des Vereins der Liechtensteiner Freunde von Yad Vashem. Sie erzählte von den Erfahrungen ihres Vaters, der 1935 aus Deutschland einwanderte und als erfolgreicher Unternehmer tätig war. Nach 1940 wurde er jedoch regelmässig von der liechtensteinischen Regierung schikaniert. Es ging bis zum Berufsverbot. Und sie erzählte auch von ihren ganz persönlichen antisemitischen Erfahrungen, die noch gar nicht so lange zurückliegen, wie anonymen Telefonaten und Briefen. „Diese Stolpersteine mögen Ansporn sein, sich mit diesem Teil der liechtensteinischen Geschichte zu befassen“, sagte Evelyne Bermann.

Verlegung kleiner Gedenktafeln
Die wissenschaftliche Seite beleuchtete Peter Kamber. Er schrieb die erste Biografie über die Gebrüder Fritz und Alfred Rotter, über ihre Glanzzeit als Bühnenkönige der Goldenen Zwanziger Jahre in Berlin, ihre Verfolgung durch das Nazi-Regime und über ihr Exil in Liechtenstein. Von liechtensteinischen Nationalsozialisten entführt und verfolgt, stürzten sie auf der Flucht in der Nähe von Gaflei zu Tode. „Es wird nie mehr zu ermitteln sein, ob Alfred Rotter und seine Frau Gertrud Rotter-Leers das auffällige, vielleicht von weitem leuchtende Rot des Pullovers eines der Täter auf sich zukommen sahen, als sie sich – in anhaltender Panik – bei Obmatu zu dem lebensgefährlichen Abstieg in den Bergwald oberhalb eines Felsabbruchs entschlossen (…)“, so der Historiker.

In Anwesenheit der Interessensgemeinschaft und Vertretenden der damals involvierten Familien sowie Vertretenden der Gemeinde Vaduz setzte Katja Demnig von der Stiftung „Spuren – Gunter Demnig“ die zwei Stolpersteine in Gedenken an Gertrud und Alfred Rotter, damit sie und ihr Schicksal nie vergessen werden.