Der Klimawandel heizt dem Bodensee ein

Bodenseeufer, Lindau, 2022.

Auch in diesem heißen und trockenen Sommer ist der Bodensee für Touristen und Einheimische dank angenehmer Wassertemperaturen wieder ein attraktives Badeziel, das an südliche Strände erinnert: So stiegen die Wassertemperaturen Anfang August bis auf 24,2 Grad, und zwar in Seemitte. In den Buchten sowie im flacheren Untersee können es durchaus zwei Grad mehr sein.

Ganz ungetrübt ist die Badefreude allerdings vielerorts nicht, weil der Weg bis zum Wasser wegen der sinkenden Pegelstände zunehmend weiter wird. Auch immer mehr Bootsliegeplätze fallen trocken. Aktuell liegt der Seespiegel knapp einen Meter niedriger als in einem normalen Sommer. Üblicherweise wird ein derart niedriger Wasserstand wie im August 2022 nur im Winter erreicht.

Heiße Sommer, hohe Wassertemperaturen, niedrige Pegelstände: die Fachleute verfolgen genau, wie sich das Ökosystem des Sees verändert

Neue Rekordwerte wurden bisher allerdings nicht erreicht – 2003 und 2018 wurden 26 Grad Wassertemperatur gemessen. Gleichwohl reiht sich der Sommer 2022 klar in den Trend der letzten Jahre und Jahrzehnte ein: „Der Klimawandel lässt den See immer wärmer werden“, stellt Martin Grambow fest, der Vorsitzende der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB). Das bleibt nicht ohne Folgen für den See: Je länger und stärker er sich im Sommer erwärmt, desto schwieriger wird es für ihn, im Winterhalbjahr lebenswichtigen Sauerstoff zu tanken. Denn bei warmem Oberflächenwasser ist zum einen die Schichtung zum kühlen Tiefenwasser hin stabiler, was eine Zirkulation des Sees bei starkem Wind erschwert. Zum anderen wird die Zeitspanne für eine bis in große Tiefen reichende Durchmischung immer kürzer, weil sich der See im Frühjahr zeitiger erwärmt und im Herbst später abkühlt. Daher musste der Bodensee in den letzten Jahren immer häufiger von seinen Sauerstoffvorräten zehren. „Das hat bisher auch recht gut funktioniert, weil die Wasserqualität des Sees wieder sehr gut ist“, stellt Grambow fest. Hierdurch hält sich das Algenwachstum in Grenzen, sodass vergleichsweise wenig Sauerstoff für den Abbau abgestorbener Biomasse durch die am Seeboden lebenden Mikroben benötigt wird.

Klimawandel verändert auch die Pegelstände am Bodensee

Der Klimawandel lässt aber nicht nur die Wassertemperaturen steigen, er verändert offensichtlich auch die Pegelstände am Bodensee. Im Vergleich zu früher werden deutlich niedrigere Seespiegel, so wie jetzt im Sommer 2022, zunehmend die Regel. Ein noch niedrigerer Wasserstand im Juli und August wurde zuletzt im Jahr 2006 gemessen. Normalerweise hat der Bodensee im Sommer maximale Pegelstände, während sie im Winter – und hier zumeist im Februar – am niedrigsten sind. Im Mittel der Jahre 1981 bis 2021 betrug dieser jahreszeitliche Unterschied etwa 1,3 Meter. Der Grund liegt im überwiegend alpinen Einzugsgebiet des Sees: Im Winter fallen dort die Niederschläge als Schnee. Diese fehlen dem See zunächst, dafür lässt dann die Schneeschmelze im späten Frühjahr und Sommer die Pegelstände steigen. „Die Messreihen am Pegel Konstanz, die mehr als hundert Jahre zurückreichen, zeigen, dass der Wasserstand des Sees im Winter zunimmt und im Sommer geringer wird“, erläutert Grambow.

Dieser Trend dürfte auch in Zukunft anhalten, weil es im Winter wärmer wird und damit der Schneevorrat in den Alpen tendenziell abnimmt. Und im Sommer werden Hitze- und Dürreperioden wohl häufiger werden. „Somit wird der Klimawandel die Entwicklung des Bodenseepegels und seine saisonalen Dynamiken weiter beeinflussen“, ist sich Grambow sicher. In diesem Zusammenhang verweist er auch auf die Bewirtschaftung der Talsperren und Wasserspeicher im Einzugsgebiet des Sees, die in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird.