«Es gibt keinen digitalen Graben in Liechtenstein»

Rainer Schnepfleitner, Leiter des Amts für Kommunikation.

Liechtenstein verfügt über das schnellste Internet der Welt, ist global wohl der einzige Staat, der im Mobilfunkbereich zwei Ländervorwahlen im Angebot hat und verfügt über deutlich mehr Handyabonnements als es Einwohner hat. Dies sind nur einige der Besonderheiten des Liechtensteiner Kommunikationsmarkts. Den Überblick über alle Entwicklungen hat das Amt für Kommunikation, das eine breite Aufgabenpalette bewältigt und mit dafür sorgt, dass Liechtenstein seine Standortvorteile wahren oder sogar ausbauen kann. 

«Im Bereich der elektronischen Kommunikation ist das Amt für Kommunikation (AK) die Regulierungs-, Aufsichts- und Verwaltungsbehörde. Als unabhängige Regulierungsbehörde fördert und überwacht sie einen wirksamen Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten.» So steht es auf der Webseite des AK in Bezug auf diejenige Aufgabe, die für die breite Bevölkerung am ehesten wahrnehmbar ist. Die Überwachung des Wettbewerbs ist aber bei weitem nicht das Einzige, das die Mitarbeitenden des Amts in ihrer täglichen Arbeit zu bewältigen haben. Sie sind auch zuständige für die Funkfrequenzen, elektronische Signatur- und Vertrauensdienste, den Postbereich, die audiovisuellen Medien und fungieren als Geschäftsstelle für die Medienkommission. «Dass wir dies alles mit neun Personen bewältigen können, zeugt einerseits von Effizienz, spricht aber andererseits auch für den Markt Liechtenstein», sagt Dr. Rainer Schnepfleitner. Der promovierte Ökonom leitet das Amt seit rund drei Jahren. Trotz aller Unterschiede und der wesentlich grösseren Fallzahlen zieht er schmunzelnd den Vergleich zum Schweizer Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) mit seinen 250 Mitarbeitenden. «Denn hoheitliche Aufgaben haben auch wir zu erledigen. Wir müssen alle neun in der Lage sein, Querverbindungen zwischen den Aufgabenbereichen herzustellen, aber auch fähig sein, dort, wo es nötig ist, tiefer in die Materie einzutauchen. Dabei arbeiten wir gut mit dem BAKOM sowie den zuständigen Stellen in Österreich, der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, kurz RTR, zusammen.»

Gerichtsfälle vermeiden statt gewinnen
Das erklärte Ziel von Rainer Schnepfleitner, das er sich bei seinem Amtsantritt gesetzt hat: «Liechtenstein soll in allen Kommunikationsbereichen gut dastehen. Das konnten wir bisher gewährleisten, und ich bin überzeugt, dass dies so bleibt.» Dazu ist dem Amtsleiter nicht zuletzt der vertrauensvolle und regelmässige Kontakt zu den Anbietern in den Bereichen, Telefonie, Mobiltelefonie oder Internet ein grosses Anliegen. «Wenn wir Verfügungen erlassen oder Gebührenerhöhungen anstehen, informieren wir so früh wie möglich.» So lassen sich juristische Konflikte weitgehend vermeiden. «Denn ich messe das AK nicht daran, wie viele Gerichtsfälle wir gewinnen, sondern wie viele wir vermeiden können. Schliesslich bindet jeder Prozess Ressourcen, die wir andernorts fruchtbarer einsetzen können.» Zu diesen Partnern, die es einzubinden gilt, gehört künftig auch die Liechtensteinische Post, für deren Regulierung bisher das Amt für Volkswirtschaft verantwortlich zeichnet – eine Aufgabe, die aber bald beim Amt für Kommunikation angegliedert ist.

Wettbewerb sorgt für höchste Qualität
Was das AK neben Gerichtsprozessen auch vermeiden möchte, sind marktmächtige Unternehmen, Unternehmen also, die eine privilegierte Stellung ausnutzen, um Preise in die Höhe zu treiben. «Da die Netzinfrastruktur in Liechtenstein aber nicht im Besitz eines Telekommunikationsanbieters, sondern der LKW ist, die es bedarfsgerecht vermieten, ist diese Gefahr hierzulande gering, was ebenfalls wieder Ressourcen beim AK schont. Dennoch achten wir stets darauf, dass es auch in Liechtenstein zu keinerlei Diskriminierungen kommt. Auch die Qualität ist – nicht zuletzt aufgrund des Wettbewerbsdrucks auf die 13 Internet- und sieben TV-Anbieter – grossartig, und die Preise sind in Ordnung. Tendenziell sinken sie eher oder Leistungen wie zum Beispiel Bandbreiten im Up- und Downloadbereich werden bei gleichen Kosten für den Kunden erhöht», sagt Rainer Schnepfleitner. So hat er sich über eine britische Studie gefreut, die Liechtenstein im Jahr 2020 das schnellste Internet der Welt bescheinigt hat. «Ich höre an Konferenzen zwar ab und zu, dass die Preise bei uns hoch seien. Gerne betonte ich dann aber, dass dies nur so scheine und man auch das Lohnniveau in Betracht ziehen muss oder die Kosten für ein Einfamilienhaus, die in Liechtenstein ein Vielfaches höher sein können als für ein vergleichbares Objekt in Deutschland oder Österreich.» So seien beispielsweise die Kosten für den Liechtensteiner Mobilfunk zwar nicht die günstigsten. «Aber die Kunden sind bereit, für Qualität zu bezahlen, welche die drei Anbieter mit eigenem Netz gewährleisten. Ausserdem befinden wir uns inzwischen auf europäischem Niveau was das Roamen in EWR-Ländern zu gleichen Bedingungen wie im Heimnetz betrifft. Da beneiden uns Nutzer von Schweizer Mobilabos sehr.»

Nur zwei Beschwerden von Endkunden pro Jahr
Die inoffizielle Auszeichnung zum Staat mit dem schnellsten Internet hängt für Rainer Schnepfleitner nicht zuletzt mit dem raschen Ausbau der Glasfaseranschlüsse zusammen. «Bis Ende des Jahres ist das ganze Land erschlossen inklusive des Berggebiets. Einen digitalen Graben gibt es nicht, und für die Betriebe ist dies ein grosser Standortvorteil. Im Sinne der grünen Revolution ist Homeoffice in Ruggell, Schaan oder Balzers genauso möglich wie auf Silum oder in Steg. Hinzu kommt, dass das Netz dies für die nächsten 40 bis 50 Jahre gewährleisten wird – bei einer Investition von lediglich rund 2100 Franken pro Anschluss.» Doch die Erfolgsgeschichte Glasfaser verlangte anfänglich, wie vieles, das neu ist, einiges an Überzeugungsarbeit durch die Mitarbeitenden des Amts für Kommunikation. «Inzwischen haben sich die Vorzüge jedoch herumgesprochen. Die LKW hören nun häufiger die Frage ‹Wann seid ihr endlich bei mir?›», sagt Rainer Schnepfleitner und schmunzelt. Entsprechend macht das Amt für Kommunikation mit dem Glasfaserausbau viel Öffentlichkeitsarbeit für den Standort Liechtenstein. «Wir pflegen intensive internationale Beziehungen, knüpfen Kontakte und bringen Liechtenstein auf die Landkarte. Denn verstecken müssen wir uns wahrlich nicht.»

Die leistungsfähige und hochwertige Infrastruktur mache das Netz ausserdem sehr stabil. «In der Pandemie ist es zu keinem einzigen nennenswerten Ausfall gekommen. Die Netze waren und sind voll einsatzfähig» Sollte es doch einmal zu Ausfällen kommen, müssen diese dem AK gemeldet werden. «Da wir aber weder Betreiber noch Netzeigentümer sind, können wir direkt nichts unternehmen», sagt der Amtsleiter. Für Beschwerden von Endkunden ist das Amt für Kommunikation jedoch die richtige Adresse. «Wer Probleme mit einem Betreiber hat, kann sich jederzeit bei uns melden. Oft ist dies jedoch nicht der Fall. Im langjährigen Durchschnitt erreichen uns nur rund zwei Beschwerden.» Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Erreichbarkeit Liechtensteins aus dem Ausland, die zu Anfang des Jahrtausends regelmässig für Probleme gesorgt hat, mittlerweile global gewährleistet ist. Auch die Missbrauchsfälle mit Mehrwertdienst-Nummern, die bis zum Jahr 2015 zum Teil zu Sperrungen des Liechtensteiner Netzes im Ausland geführt haben, konnten dank einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage erfolgreich eingedämmt werden. «Die Roamingverträge sind inzwischen ebenfalls sehr gut. Aufgrund der EWR-Mitgliedschaft ist der sogenannte Billshock, also überzogen hohe Rechnungen nach Auslandsaufenthalten, ohnehin kaum mehr ein Problem. Auch die Tarife der Liechtensteiner Anbieter sind fair und einfach zu verstehen. Versteckte Zusatzoptionen gibt es eigentlich nicht», sagt Rainer Schnepfleitner. 

Erfolgsrezept: Ausbildung, Lernfähigkeit und Pragmatismus
Weniger wird die Arbeit für das AK mittel- wie langfristig nicht. Um alle Aufgaben weiterhin zu bewältigen, müssen die Mitarbeitenden des Amts für Kommunikation Generalisten sein. «Natürlich brauchen wir ausbildungsspezifische Fachkenntnisse. Sehr wichtig sind aber auch Lernfähigkeit, Interesse und die Bereitschaft, sich immer wieder mit Neuem auseinanderzusetzen. Wir pflegen die Netzwerke zu unseren Schweizer und europäischen Partnern und sind so stets auf dem neusten Stand, was Entwicklungen betrifft», sagt Rainer Schnepfleitner. Er ergänzt: «Da das Wissen in einem Bereich wie der Telekommunikation eine kurze Halbwertzeit hat, ist auch Pragmatismus von grosser Bedeutung für unsere Arbeit.» Dank der Kombination aus all diesen Eigenschaften und der guten Ausbildung der Mitarbeitenden ist es dem AK in den vergangenen Jahren stets gelungen, mit nur neun Personen erfolgreich einen eigenen Liechtensteiner Weg zu gehen.