«Es läuft viel in unserer kleinen Gemeinde»

Gemeindehaus Schellenberg

Schellenberg erfreut sich als Wohngemeinde wachsender Beliebtheit – gerade auch bei jungen Familien. Wieso dem so ist und was die Gemeinde dafür tut, dass es so bleibt und sich alle Generationen in Schellenberg wohlfühlen, erklärt Vorsteher Norman Wohlwend.  

Die Gemeinde Schellenberg wird mit ihren wunderbaren Wanderwegen auch von Gästen aus anderen Gemeinden sowie aus der benachbarten Schweiz und Österreich rege besucht. Welches sind die legendärsten Wege und wer ist für die Instandhaltung zuständig?
Norman Wohlwend:
Einer der beliebtesten und bekanntesten Wanderwege befindet sich definitiv am Gantenstein. Ob über den Gantenstein oder unten herum über den Felsbandweg – dort finden Einheimische und Gäste intakte Laubmischwälder, viel Ruhe und spektakuläre Aussichten. Zudem ist der neue Wurz und Zirp-Weg, der vom Liechtensteiner Unterland Tourismus initiiert und mit der finanziellen Unterstützung der Unterländer Gemeinden realisiert worden ist, vor allem für Familien mit Kindern ein sehr beliebter Anziehungspunkt in unserer Gemeinde. Der Unterhalt der Wanderwege und Spielplätze obliegt unserem Werkhofteam, das dafür sorgt, dass die Wanderwege in gutem Zustand sind. Für die Sauberkeit in den öffentlichen Toiletten sind unsere drei Damen vom Reinigungsteam zuständig. Gerade kürzlich haben wir von einem Ehepaar aus Eschen eine Karte erhalten, in der sie sich mit einem «Zustupf» für die Znünikasse beim Reinigungs- und Werkhofteam der Gemeinde für den Topzustand der Wege und auch der sanitären Anlagen bedankt haben. Die Mitarbeitenden haben sich natürlich sehr über diese Post gefreut. Das Werkhof- und Reinigungsteam ist täglich im Einsatz, um Einheimischen sowie Gästen den Aufenthalt in unserer Gemeinde so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich bin überzeugt, dass dies sehr geschätzt wird und eine gute Investition ist. Gerade in unserer hektischen Zeit – die immer stärker von Stress und Lärm geprägt ist – benötigen wir Rückzugsorte in der Natur. In Schellenberg haben wir diese Rückzugsorte direkt vor der Haustüre.

Die rege Bautätigkeit in Ihrer Gemeinde führt dazu, dass die Einwohnerzahl steigt und junge Familien nach Schellenberg ziehen. Hat dies Folgen auf die Infrastruktur, insbesondere auf die Bildung und entsprechende Einrichtungen?
In der Gemeindeschule besteht langfristig sicher Handlungsbedarf, da unsere Gemeinde bei jungen Familien mit Kindern sehr beliebt ist und die Schule immer wieder an ihre Grenzen stösst. Mit kurzfristigen Umbau- und Sanierungsmassnahmen konnten wir bisher dafür sorgen, dass die Schule ihren Betrieb in den bestehenden Räumlichkeiten aufrechterhalten konnte. Die Gemeinde muss sich mittel- bis langfristig jedoch klar positionieren und Angebote wie Kinderbetreuung und den Ausbau des Mittagstisches ins Auge fassen, um für junge Familien mit Kindern attraktiv zu bleiben.

Der Gemeinderat hat im vergangenen Jahr eine Projektgruppe eingesetzt, die sich mit der mittel- und langfristigen Entwicklung der Gemeinde Schellenberg befasst: «mein Schellenberg 2050» lautet der Arbeitstitel dieses Projektes. Liegen bereits Ideen und Ergebnisse vor?
Wir haben uns intensiv mit der Weiterentwicklung unserer Gemeinde befasst, Gespräche mit der Schule und Vereinsvertretern geführt und dann gemeinsam Ideen und Visionen entwickelt. Im Rahmen der Projekt-arbeit haben sich folgende fünf Handlungsfelder herauskristallisiert:

  1. Raumplanung und Zentrumsgestaltung
  2. Menschen bzw. Einwohnerschaft
  3. Bildung
  4. Kultur, Vereine, Sport und Freizeit
  5. Infrastruktur Gemeindeverwaltung, Kommunale Dienste

Über diesen Handlungsfeldern stehen verschiedene Prämissen, zum Beispiel dass die Bürgernähe oberstes Gebot sein muss und die Menschen sowie ihre Bedürfnisse ernst genommen sowie das Miteinander gefördert werden soll, um nur einige Beispiele zu nennen.

Was sind die Hauptintentionen bzw. Hauptstossrichtungen, insbesondere hinsichtlich des Erbes, das den nächsten Generationen übergeben werden soll?
Neue Bauten sollen nachhaltig, klimaneutral und zweckmässig umgesetzt werden. Die Schule, unsere Vereine und die Gemeindeverwaltung sowie der Werkhof sollen langfristig ihren Bedürfnissen, der Zeit und den Aufgaben entsprechende Räume haben. Es wurde aber auch das schöne Ziel definiert, nicht alles zu verbauen und unsere Weilerstruktur zu erhalten. Denn wir möchten auch zukünftig grüne Oasen der Ruhe in unserem Dorf haben.

«Bürgernähe ist das oberste Gebot der Schellenberger Gemeindeverwaltung. Wir nehmen die Menschen und ihre Bedürfnisse
ernst und fördern das Miteinander.» Norman Wohlwend, Vorsteher Gemeinde Schellenberg

In Schellenberg scheint stets Frieden und Harmonie zu herrschen. Gibt es auch Problemfelder oder besondere Herausforderungen, mit denen sich die Gemeinde beschäftigt?
Auf den ersten Blick scheint die Welt in Schellenberg noch in Ordnung zu sein. Grösstenteils ist das auch so. Aber auch wir sind immer öfter mit Situationen konfrontiert, dass Menschen nicht mehr weiterwissen, bei der Gemeinde anklopfen und um Hilfe und Unterstützung bitten. Dabei geht es nicht um finanzielle Hilfe, sondern einfach um ein offenes Ohr, darum sich Zeit zu nehmen und sich der Sorgen und Nöte der Menschen anzunehmen. Mit der zunehmenden Anonymisierung ist auch eine Vereinsamung spürbar geworden – gerade ältere Menschen brauchen vermehrt Hilfe und Unterstützung bei der Erledigung von Aufgaben, denen sie nicht mehr gewachsen sind. Die Angestellten der Gemeindeverwaltung sind für unsere Einwohner da und helfen gerne. Es ist aber auch spürbar geworden, dass immer höhere Ansprüche an die Angestellten der Verwaltung gestellt werden und diese trotzt ihrer hohen Sozialkompetenz manchmal an ihre Grenzen stossen. Deshalb hat die Gemeinde Schellenberg gemeinsam mit den Gemeinden Gamprin-Bendern und Ruggell die Stelle der Seniorenkoordination geschaffen. Ann Näff-Oehri hat ihre Arbeit als neue Seniorenkoordinatorin der drei Gemeinden am
1. März 2022 aufgenommen und wird sich den Anliegen der älteren Generation widmen. Es geht aber nicht nur um Dienstleistung. Die ältere Generation verfügt über ein immenses Potential an Wissen und Talenten, welches wir im Idealfall wecken, fördern und für unsere Gesellschaft nutzbar machen können. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass der Aufbau dieser Angebote viel Zeit und Aufwand benötigt.

Betrachten wir die Lage in Europa, so fühlt es sich sehr irreal an, dass wir uns auf unserem Kontinent im Krieg befinden. Spüren Sie in der Gesellschaft Gefühle der Angst und der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine?
Im Gespräch mit den Menschen spürt man das zwangsläufig. Die Bilder und Berichte aus diesem Krieg sind nur sehr schwer zu ertragen und belasten die Menschen. Sie müssen aber von uns allen verarbeitet werden. Jetzt geht es darum, die Menschen in der Ukraine bestmöglich zu unterstützen, die vielen Vertriebenen aufzunehmen und zu versorgen. Selbstverständlich hat sich die Gemeinde Schellenberg solidarisch erklärt und der Regierung angeboten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, Unterstützung zu bieten. Auch wenn wir im Verhältnis nur einen kleinen Beitrag zur Linderung der Not der geflüchteten Menschen leisten können, so erachten wir es dennoch als unsere Pflicht, zu helfen.

Nach 20 Jahren Vorstehertätigkeit kandidieren Sie nicht mehr für eine weitere Amtsperiode. Welche Themen stehen in Ihrer verbleibenden Zeit als Schellenberger Vorsteher noch an?
Es läuft viel in unserer kleinen Gemeinde. Aktuell beispielsweise gerade die Sanierung vom Spielplatz Tüfenacker, andere kleinere Tiefbauprojekte stehen an. In den Sommerferien werden beim Schulgebäude Sanierungs- und Umbauarbeiten realisiert. Der gesamte Eingangsbereich wird neu gestaltet und mit elektrischen Schiebetüren ausgestattet. Die Weiterbearbeitung des Projektes «mein Schellenberg 2050» ist sicher ein weiteres wichtiges Projekt, das ich dann an den neuen Vorsteher oder die neue Vorsteherin sowie an den neuen Gemeinderat übergeben möchte, damit diese auf der Vorarbeit aufbauen und die weiteren Schritte in Richtung Umsetzung einleiten können. Und eigentlich weiss man als Vorsteher nie, welche Herausforderungen und Überraschungen noch auf einem zukommen.

Neue Klöppel für einen harmonischen Klang

Die Schellenberger Pfarrkirche ist die jüngste und sicher die modernste des Landes. Dennoch sind ihre Glocken in ein Alter gekommen, in dem ihr Klang nachgelassen hat. Mit einfachen Mitteln konnte die Gemeinde dies korrigieren. Ein Bericht zu Geschichte und Gegenwart der Schellenberger Kirchenglocken.

Am 22. September 1963 erlebte die Bevölkerung der Gemeinde Schellenberg ein besonderes Ereignis. Zwei Tage später berichtete das «Liechtensteiner Vaterland»: «Der vergangene Sonntag (…) wird für die ganze Gemeinde Schellenberg als grosser, unvergesslicher Tag eingehen. Galt es doch an diesem Tag, das neuerbaute Gotteshaus feierlich einzuweihen. Das ganze Dorf war in Fahnenschmuck gekleidet und schon Tage vorher waren unermüdliche fleissige Hände damit beschäftigt, um die nötigen Vorbereitungen für einen so seltenen Anlass zu treffen. (…) Um ca. 7.45 Uhr sammelten sich die Kinder, die Jungmannschaft und Jungfrauen, Schellenberger Trachten, Musikverein, Kirchenchor, Geistlichkeit, Gemeindevertretung, Kirchenrat, Baukommission und Gäste zu einem Festzug. Ganz besonders vermerkt wurde die Anwesenheit des Durchlauchtigsten Fürstenpaares unter den Gästen. Eine grosse Menschenmenge stand Spalier, als der Hochw. Diözesanbischof Johannes Vonderach dann im Festzug unter den Klängen des Musikvereins nachmals zur alten Pfarrkirche geleitet wurde. In einer Prozession begab sich alsdann die Hochwürdige Geistlichkeit in Begleitung der Vereine und des ganzen Volkes zum neuen Gottesbaus, wo Seine Exzellenz Diözesanbischof Dr. Johannes Vonderach die (…) Weihe der neuerbauten Pfarrkirche vornahm.»

Schon die zweite Kirche für eine junge Pfarrei
Damit erhielt die noch junge Pfarrei – erst 1874 erfolgte die Abkurung von der Altpfarrei Bendern – bereits ihre zweite Pfarrkirche. Die erste war gemäss Historischem Lexikon in den Jahren 1855 und 1856 nach Plänen von Ferdinand Malang aus privaten Mitteln erstellt und 1865 an die Gemeinde übergeben worden. Ab 1858 entstand in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft das Kloster Schellenberg. Die alte Pfarrkirche wurde 1972 abgebrochen. Bereits ab 1960 war an ihrem Nachfolgebau gearbeitet worden. Dieser erste moderne Kirchenbau Liechtensteins ging aus dem ebenfalls ersten internationalen Architekturwettbewerb des Landes hervor und gilt als Markstein der modernen liechtensteinischen Architektur. «Nüchterne Innenausstattung mit Marmoraltar von Georg Malin und Madonnenskulptur von Rico Galizia, Kirchenfenster von Fritz Weigner. Seit 1992 unter Denkmalschutz», heisst es im Historischen Lexikon über die Pfarrkirche vom Unbefleckten Herzen Mariens.

Einen ganz besonderen Stellenwert nahmen, wie bei jedem Kirchenbau, die Glocken ein. Zwar nicht oder kaum sichtbar, aber tagtäglich zu hören, sind sie ein ganz besonderer Ausstattungsgegenstand und vielfach der Stolz einer Gemeinde. Wie in anderen Liechtensteiner Pfarreien fanden sich auch in Schellenberg grosszügige Spender. Es handelte sich um die Familie Elkuch. Sie finanzierte fünf Glocken mit einem Gesamtgewicht von über 7000 Kilo (siehe Infobox 1). Geweiht wurden sie bereits am 12. November 1961 von Pater Bernhard Kälin aus Sarnen. In der Christnacht des Jahres 1961 erklangen sie zum ersten Mal.

Der Klang lässt nach und wird korrigiert
Doch auch der Klang der besten Glocken lässt irgendwann nach, wenn sich Materialverschleiss bemerkbar macht. So war es Mitte Oktober 2021 für ein paar Tage sehr ruhig im Schellenberger Kirchturm, obwohl emsig gearbeitet wurde. Die Glocken läuteten nicht wie sonst dreimal täglich. Denn die neuen Klöppel der fünf Glocken wurden ausgewechselt. Auch die Antriebsmotoren, die Antriebsräder und die Glockensteuerung wurden ersetzt. Als dann nach ein paar Tagen zögerlich eine Glocke nach der anderen wieder in Betrieb genommen wurde, war es anfänglich ein fremder Klang – jedoch klingen sie seither sanfter, sauberer und ruhiger: die alten Glocken mit den neuen Klöppeln. 

Zur Vorgeschichte: Bei einer Inspektion des Glockenstuhls hat ein Servicetechniker festgestellt, dass die Klöppel stark verhärtet waren und die Glocken beschädigten. Dies hatte zur Folge, dass die Anschlagpunkte bei den Glocken sichtbar breiter waren. Zudem hatten die Klöppelaufhängungen seitlich zu viel Spiel. Es wurde empfohlen, die bestehenden Klöppel und die Klöppelaufhängungen zu ersetzen, damit die Glocken nicht noch stärker beschädigt werden. Zudem musste auch die Steuerung ersetzt werden, da sie nicht mehr dem Stand der Technik entsprochen hat. Die Motoren und die Antriebsräder wurden ebenfalls ersetzt. Mit diesen Massnahmen wurden die Schwungwinkel reduziert und die Lebensdauer der Glocken erhöht. Zudem werden jetzt geringere Kräfte auf das Mauerwerk übertragen. 

Falsch konstruierte Glockenausrüstungen und vor allem falsch dimensionierte Klöppel führten ganz generell in den vergangenen 60 Jahren zu mehr Glockenschäden als in den 600 Jahren zuvor. Die neuesten Forschungsergebnisse zeigen, dass die Klangerreger grundsätzlich als Verschleissmaterial zu betrachten und von Zeit zu Zeit zu ersetzen sind. Die Tatsache, dass ein Klöppel einfacher, schneller und viel preiswerter herzustellen ist als eine Glocke, erleichterte dem Gemeinderat die Entscheidung für den Ersatz der bereits 58 Jahre alten Klöppel. 

Der Klöppel macht die Musik
Grundsätzlich ist es die Glocke, die den Ton angibt. Der Klöppel aber macht erst die Musik. Darum ist fundiertes Fachwissen um die Entstehung der Glocke Voraussetzung für die Herstellung perfekt dimensionierter, individueller Klöppel. Denn mit jeder Berührung der Glockenwand bringt der Klöppel die Glocke zum Klingen. Damit dieses Klingen harmonisch weich tönt, hat die Firma Muff Kirchturmtechnik AG den leichten Rundballen-Klöppel entwickelt. Mit seinen, in Dimensionierung und Gewicht optimal aufeinander abgestimmten vier Klöppelteilen – Blatt, Schaft, Ballen und Vorschwung –, erzeugt der individuell gefertigte, frei- und formgeschmiedete Muff-Rundballen-Klöppel ein sonores Läuten und schont zudem die Glocke nachhaltig (siehe Infobox 2). Norbert Meier von der Firma 10er Kran Trans Anstalt war vor Ort, um die altgedienten Klöppel aus dem Kirchturm herunterzuheben und das neue Material wurde Stück für Stück mit dem Kran hinaufgehoben. Diese Arbeiten waren nur mit einem Spezialkran möglich, verliefen dank der Unterstützung von Norbert Meier aber reibungslos.