Das richtige Verhalten nach einem Verkehrsunfall

Carmen Oehri, Rechtsanwältin und Partnerin

Zu Fuss, mit dem Fahrrad, dem Auto, oder dem öffentlichen Verkehr – Liechtenstein ist mobil. Die Teilnahme am Strassenverkehr birgt allerdings auch immer ein gewisses Risiko, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Oft bleibt es dabei glücklicherweise nur bei «Blechschäden»: So weist die Statistik der Landespolizei für das Jahr 2019 insgesamt 509 Verkehrsunfälle aus, wovon bei 103 Unfällen Personen zu Schaden kamen. Die Kosten einzelner Schadensereignisse sind in den letzten Jahren stark gestiegen. 

Selbst vermeintlich geringfügige Unfallschäden können langwierige juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Die möglichen Konfliktfelder sind vielfältig. Die Praxis zeigt jedoch, dass viele dieser Streitigkeiten durch eine richtige Vorgehensweise im Nachgang des Unfalls abgekürzt oder gar vermieden werden können. Grund genug, um sich mit diesem Thema für den Fall der Fälle näher auseinanderzusetzen. 

Ein Verkehrsunfall hat sich ereignet – was nun?
Ganz allgemein sieht das Strassenverkehrsgesetz vor, dass bei einem Unfall, an dem ein Fahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, sämtliche Beteiligte sofort anhalten müssen. Zudem muss die Unfallstelle abgesichert werden. Etwaigen verletzten Personen ist Hilfe zu leisten. Bei Unfällen mit Personenschäden muss jedenfalls auch die Landespolizei verständigt werden. Sofern der Unfallgegner bei blossen Sachschäden sofort ausfindig gemacht und kontaktiert werden kann, muss die Landespolizei nicht alarmiert werden. Aus Gründen der Absicherung der Unfallstelle oder der Dokumentation des Unfallherganges kann es im Zweifelsfall dennoch ratsam sein, die Landespolizei hinzuzuziehen. Auch bei Parkschäden an fremden Fahrzeugen sollte neben der Versicherung ebenfalls die Landes-
polizei über den Unfall informiert werden.

Austausch der Daten und Dokumentation
Ganz generell ist der Austausch von Kontakt- und Versicherungsdaten von entscheidender Bedeutung. Der Einfachheit halber bietet sich das weit verbreitete und bei Versicherungsunternehmen in der Regel als Vorlage kostenfrei erhältliche Europäische Unfallprotokoll an. Darin können nicht nur die Daten aller Unfallbeteiligten erfasst, sondern gleichzeitig der Unfallhergang und andere relevante Informationen eingetragen werden. 

Durch die Unterschrift aller Beteiligten kann das Unfallprotokoll zu einem Beweismittel werden. 

In diesem Zusammenhang ist es daher wichtig, Ruhe zu bewahren. Oft kommt es vor, dass Beteiligte – noch unter Schock stehend – leichtfertig am Ort des Geschehens die Unfallschuld eingestehen. Richtig wäre es aber, nicht voreilig Schuldeingeständnisse abzugeben. Zunächst gilt es, den Sachverhalt, also den Unfallhergang, zu klären. 

Dokumentation des Geschehens
Viel wichtiger als die Klärung der Schuldfrage unmittelbar nach einem Unfall ist die Beweissicherung. Dieser Aspekt hat sich durch die flächendeckende Verbreitung von Smartphones inzwischen sehr gewandelt. Die bildliche Dokumentation der Endposition, von Bremsspuren, Hindernissen und anderen relevanten Faktoren, die zum Unfallgeschehen beigetragen haben, wurde dadurch entschieden erleichtert. 

Neben Fotos zählen aber auch die eigenen Wahrnehmungen und etwaige Zeugenaussagen zu wichtigen Dokumentations- und Beweismitteln. Da zwischen dem Unfall selbst und einer (gerichtlichen) Aufarbeitung viel Zeit verstreichen kann, empfiehlt es sich, ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen. So können die eigenen Wahrnehmungen auch noch später möglichst präzise und klar dargelegt werden. In manchen Fällen wird ausserdem ein Gutachten über die Höhe oder die Art des Schadens für die Aufklärung benötigt.

Fazit
Ein Verkehrsunfall stellt immer eine Ausnahmesituation dar. Gerade deshalb sollte Ruhe bewahrt werden. Es ist wichtig, das Geschehen zu dokumentieren und möglichst rasch die Versicherung zu kontaktieren. Rechtliche Aspekte, wie etwa die Klärung der Schuldfrage, Höhe des Schadens, Zuspruch von Schmerzengeld und Schadenersatz, können auch zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden. Die dafür notwendige Dokumentation selbst gelingt in der Regel jedoch nur im unmittelbaren Nachgang.