«Mehr Breite bedeutet auch mehr Spitze»

Der Liechtensteiner Fussballverband (LFV) ist gemeinsam mit den Vereinen stets bemüht, die Ausbildung des Nachwuchses optimal zu gestalten, um so ein möglichst grosses Spielerreservoir für den Fussball im Land auf allen Altersstufen aufzubauen. Dazu geht er mit den Jugendausbildungskoordinatoren, kurz JAK, die sowohl Spielern als auch Trainern als Ansprechpartner dienen, neue Wege.

Drei Jugendausbildungskoordinatoren – Julia Oehri, Dominik Seiwald und Lothar Bösch – sind seit vergangenem Sommer für den LFV tätig. Das visionäre Fernziel des Verbands ist es, deren sieben zu beschäftigen – einen pro Liechtensteiner Fussballverein. Durch die Tätigkeit der JAKS möchte der LFV in der Ausbildung der Juniorinnen und Junioren eine landesweit einheitliche Philosophie etablieren. Dieses Konzept beruht auf den beiden Säulen der technischen und taktischen Begleitung der Vereinstrainer durch die Koordinatoren und in der Unterstützung der Spielerinnen und Spieler durch die JAKs. So soll für jeden Nachwuchsfussballer die richtige Mannschaft gefunden werden – ob im Breitenfussball in den Vereinen oder im Spitzenfussball in den Auswahlmannschaften des Verbands. Dabei nehmen die JAKs nicht nur Rücksicht auf das individuelle Talent, sondern auch auf die jeweiligen Lebensumstände und auf die momentane Motivation. Kurz gesagt soll die Anzahl der Fussballbegeisterten, der Profis sowie gut ausgebildeter Trainer gesteigert werden.

«Die UEFA ist begeistert»
Das Projekt Jugendausbildungskoordinator wurde im Rahmen der «Vision Fussball Liechtenstein» in enger Zusammenarbeit mit den Vereinen entwickelt. «Der Auslöser waren Grundlagengespräche mit allen Vereinen im Jahr 2018, in welchen der Status quo der Liechtensteiner Fussballlandschaft analysiert wurde. Insgesamt arbeiteten unter der Leitung und Koordination von Sportdirektor Rene Pauritsch Verbands- und Vereinsvertreter über zwei Jahre am Konzept. 2021 fiel der offizielle Startschuss und die ersten drei JAKs haben ihre Arbeit aufgenommen», sagt LFV-Generalsekretär Peter Jehle. Das Konzept kommt gut an und macht bereits Schule. «Die UEFA ist begeistert, und auch andere Nationalverbände sind interessiert und prüfen, ob das Konzept des Jugendausbildungskoordinators, angepasst nach spezifischen Verbandscharakteristika, bei ihnen eingeführt werden könnte. Mit unseren Vereinen wiederum stehen wir im engen Kontakt und evaluieren fortlaufend mögliche Optimierungen. Die Rückmeldungen sind grundsätzlich sehr positiv.»

Wurzeln in den Vereinen schlagen
Das zentrale Ziel des JAK-Projekts ist es, wieder mehr Breite für den Fussball zu entwickeln. Es soll jeder und jede Fussballbegeisterte, angepasst an die individuelle Leistungsfähigkeit sein, bzw. ihr fussballerisches Potenzial optimal ausschöpfen können und dadurch dem Fussball lange verbunden bleiben. «Der wichtige Beitrag unseres Sports für die Gesellschaft soll somit erhalten und weiter gestärkt werden. Dazu wollen wir den Fussball in Liechtenstein stetig weiterentwickeln. Gelingt dies, wird natürlich wieder ein grösserer Pool an Spitzenspielern zur Verfügung stehen. Mehr Breite bedeutet auch mehr Spitze. Die Frage, ob wir im Spitzenfussball nochmals ‹goldene Zeiten› erleben dürfen, bleibt trotzdem offen. Hierfür müssen viele weitere Faktoren zusammenstimmen», sagt Rene Pauritsch, Sportdirektor im LFV, der mit dem bisherigen Projektverlauf sehr zufrieden ist. «Wir befinden uns in der frühen Implementierungsphase. Ein personeller Ausbau der JAKs ist Gegenstand einer späteren Analyse. Vorerst konzentrieren wir uns darauf, dass die Koordinatoren gut in unseren Vereinen ankommen und das Projekt Wurzeln schlägt.» 

«Es ist noch viel Potenzial vorhanden»

Julia Oehri ist eine der drei Jugendausbildungskoordinatoren des LFV und bisher die einzige Frau im Team. Sie schwärmt davon, dass sie ihr Hobby damit zum Beruf machen durfte und erklärt, wie sie ihre Aufgabe angeht.  

Wie wird man Jugendausbildungskoordinatorin?
Julia Oehri: In der Stellenausschreibung waren spezifische Trainerdiplome und eine gute Kenntnis des Fussballs in Liechtenstein gefragt. Da ich selbst Spitzenfussball bis hinauf in die Nationalliga A gespielt habe und 15 Jahre Trainerin sowie viele Jahre Funktionärin beim USV Eschen/Mauren war, habe ich die Voraussetzungen wohl erfüllt (schmunzelt). Ausserdem war ich im LFV schon für das Projekt «Fussball macht Schule» zuständig. Das war im Gegensatz zur Jugendausbildungskoordinatorin aber keine 100-Prozent-Stelle. So konnte ich mein Hobby Schritt für Schritt zum Beruf machen.

Seit wann bist du als Jugendausbildungskoordinatorin tätig und wie beschreibst du deine Aufgabe in dieser Funktion?
Angefangen habe ich im Juli 2021. Seither bin ich mit meinen zwei Kollegen für den Kinderfussball von den G- bis zu den E-Juniorinnen und -Junioren zuständig. Wir haben seither schon viele Trainings beobachtet und geben, wenn nötig, Inputs, wie die Einheiten noch kindgerechter gestaltet werden können. Dazu sprechen wir uns untereinander und mit den Vereinstrainern sowie den Juniorenobmännern ab, um nach und nach eine einheitliche Philosophie in die Ausbildung von Balzers bis Ruggell zu bringen. Ausserdem fungieren wir als Schnittstelle zwischen Verein und Verband.

LFV-Jugendausbildungskoordinatorin Julia Oehri

Wie steht es um die Ausbildung ab den D-Junioren?
Wir befinden uns noch im Aufbau des Projekts. Im Augenblick ist es daher mit drei JAKs noch nicht möglich, alle Altersklassen in allen Vereinen zu betreuen. Wenn sich das Projekt weiterhin bewährt, könnte, wie visionär angedacht, jeweils ein JAK für einen Verein zuständig sein und alle Juniorenstufen betreuen. Der Verband wollte dies aber langsam angehen und nicht von heute auf morgen alle Strukturen auf den Kopf stellen.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Vereinen bisher?
Super! Ich bin für den FC Ruggell und den USV zuständig. Beide Juniorenobmänner und die meisten anderen Funktionäre kannte ich ohnehin schon sehr gut. Das ist ein grosser Vorteil, und sie sind überaus offen für meine Anregungen. Die Rückmeldungen, die ich von den beiden anderen JAKs erhalte, zeigen, dass es auch in den Oberländer Vereinen so ist wie bei mir. Da wir alle das gleiche Ziel verfolgen, ist die Zusammenarbeit sehr bereichernd und schön.

Wie funktioniert die flexible Zuteilung zu den Teams?
Früher war es so, dass Sichtungen für die Auswahlmannschaften stattfanden. Wer dabei durchgefallen ist, hatte zunächst einmal Pech gehabt, auch wenn er oder sie vielleicht einfach einen schlechten Tag hatte. Nun sind wir JAKs aber regelmässig bei den Trainings dabei. Das ganze System wird damit flexibler, und es geht kein Talent auf dem langen Weg zum erwachsenen Fussballer verloren. Gerade bei den jungen talentierten Fussballern ist es doch so, dass sie vielleicht im Winter noch Skifahren oder zusätzlich einen anderen Sport betreiben, sich jedoch noch nicht endgültig für einen davon entscheiden wollen. In unserer Funktion als JAK haben wir sie aber immer im Auge und können sie zum richtigen Zeitpunkt an ein Spitzenteam heranführen. Das flexiblere Wechseln zwischen Vereins- und Verbandsmannschaften ist natürlich eine Herausforderung für uns und die Trainer. Aber es zeichnet sich schon heute ab, dass diese Koordination gut funktionieren wird. Übrigens kommen wir auch hin und wieder mit Eltern ins Gespräch. Sie sind natürlich neugierig, warum beim Training oder bei den Spielen plötzlich jemand Neues dabei ist und sprechen einen an. Das ist immer eine schöne Gelegenheit, unsere Arbeit zu erklären.

Kannst du schon ein Zwischenfazit ziehen?
Wir konnten die Kennenlernphase bereits erfolgreich abschliessen, sind jetzt gut in die Ausbildung integriert. Damit ist eine Basis geschaffen, um auch einmal etwas Unangenehmes ansprechen zu können, was glücklicherweise aber sehr selten nötig ist. Wir hatten schon viele gute Gespräche, erste Erfolge und alle Beteiligten sind dem Projekt gegenüber äusserst positiv eingestellt. Selbstverständlich gab es am Anfang auch einige kritische Stimmen, wie immer, wenn man etwas Neues einführt. Aber die sind verflogen. Ab dem Frühjahr können wir nun noch verstärkter inhaltlich arbeiten.

Welche Ziele hast du dir selbst bei deiner Tätigkeit gesetzt?
Ich möchte meine Erfahrung einbringen, um einen Beitrag zu leisten, den Fussball in Liechtenstein einen Schritt vorwärtszubringen. Denn Potenzial ist noch viel vorhanden – wir müssen es nur gemeinsam nutzen!