Beseitigung der Inländerdiskriminierung betreffend Gemeindesteuerzuschlag

Johannes Kaiser, Karin Zech-Hoop und Rainer Gopp stellen Motion an die Regierung


Durch den Entscheid des Staatsgerichtshofes zur Anwendung des tiefsten Gemeinde-Zuschlagssatzes von (derzeit) 150% bei den im Ausland wohnenden EWR-Angehörigen im öffentlichen Dienst in Liechtenstein ist eine Diskussion über die steuerliche Inländer-Diskriminierung entstanden, da die Einwohner von Balzers, Eschen, Mauren und Ruggell höhere Steuerzuschläge bezahlen müssen.

Dies ist sehr störend, weil damit Gemeinden mit einer verantwortungsvollen Finanzpolitik durch einen schwer nachvollziehbaren Gerichtsentscheid bestraft werden. Diese Gemeinden repräsentieren über 40% der Bevölkerung in unserem Land.

Diskriminierung der einheimischen Bevölkerung beseitigen
Es ist deshalb ein dringendes Anliegen, diese Diskriminierung zu beseitigen. Eine Absenkung auf 150% hat jedoch bei den betroffenen Gemeinden deutliche Steuerverluste in der Grössenordnung von CHF 6 Mio. p.a. zur Folge, weshalb eine Kompensation erforderlich ist. Basierend auf dem Durchschnitt der letzten 3 Jahre wäre der Steuerverlust für die Gemeinde Balzers CHF 1.5 Mio., in Eschen und Mauren je CHF 1.9 Mio. und in Ruggell CHF 0.8 Mio. Für die Gemeinden Balzers, Eschen und Mauren ist der Steuerverlust aus finanzpolitischen Gründen nicht zu verantworten.

Bei der Gemeinde Ruggell ist die Situation so, dass derzeit zwar höhere Steuereinnahmen erzielt werden, die jedoch auf adverse Weise zu einem geringeren Finanzausgleich führen, und bereits ein Beitrag in Stufe 2 des Finanzausgleichs erfolgt, jedoch infolge des künftigen notwendigen Ausbaus der Infrastruktur sowie aufgrund weiterer Kostenfaktoren – insbesondere durch das anhaltend starke Bevölkerungswachstum (aktuell 2480 Einwohner) – eine Absenkung von 175% auf 150% aus finanzieller Sicht nicht befürwortet wird.

Der Einnahmenausfall würde bei einzelnen betroffenen Gemeinden bereits in der Laufenden Rechnung tiefe Einschnitte bedeuten, womit die Mittel für die Investitionstätigkeit deutlich geschmälert würden. Durch die massive Absenkung der Finanzausgleichsmittel im Rahmen der Sanierungsbeschlüsse ist in den letzten Jahren der Spielraum für Investitionen bereits sehr eingeschränkt, bei genauer Betrachtung ist in mehreren Gemeinden ein Modernisierungs- respektive Investitionsstau entstanden.

Antrag der FBP-Fraktion an die Regierung
Die Regierung wird beauftragt, die Abschaffung der Inländerdiskriminierung beim Gemeindesteuerzuschlag zu ermöglichen. Dies mit der Zielsetzung, das Finanzausgleichsgesetz im Art. 7 so zu ergänzen bzw. abzuändern, dass in Stufe 2 des Finanzausgleichs an Gemeinden >3300 Einwohner mit tiefer effektiver Steuerkraft Beiträge gewährt werden.

Die Beiträge werden pro Einwohner und aufgrund der effektiven Steuerkraft bis Zielwert 60% des Finanzbedarfs mit einer Skalierung von bis zu CHF 500 pro Kopf bemessen. Die Finanzierung erfolgt über eine zusätzliche Absenkung des maximalen Anteils einer Gemeinde an der Ertragssteuer nicht unter den Wert von 21% (Steuergesetz Art. 74). Ergänzend ist die Kürzung des Einwohnerzuschlags in Höhe von 10% aus dem Jahr 2012 zu revidieren und mit einer verfeinerten Skalierung zu versehen.

Pragmatischer Lösungsvorschlag
Es wird deshalb vorgeschlagen, den Finanzausgleich in Stufe 2 zu ergänzen, wonach Gemeinden >3300 Einwohner einen Beitrag erhalten, sofern ihre «Effektive Steuerkraft», d.h. die Summe aus Vermögens- und Erwerbsteuer mit 150% Zuschlagssatz und die effektiven Ertragssteuereinnahmen, unter 60% des Finanzbedarfs von derzeit CHF 6’571 pro Kopf liegen. Bei einer Anwendung des Zuschlagssatzes von 150% würde die Effektive Steuerkraft (ESK) in Balzers – mit den Zahlen aus 2020 gerechnet – auf 49% des Finanzbedarfs absinken, in Eschen und Mauren sogar auf 44%. Nach dem starken Rückgang der Ertragssteuern im Jahre 2020 in Triesen würde sogar diese Gemeinde mit 58% unter dieser Limite liegen. Ruggell liegt bei dieser Position noch über diesem Wert.

Der neue Beitrag an diese Gemeinden in Stufe 2 des Finanzausgleichs kann mit einer Skala bis CHF 500 pro Einwohner einfach berechnet werden: Bis 40% ESK CHF 500 pro Einwohner, bis 45% CHF 475 pro Einwohner und fortan abgestuft mit jeweiligem Abschlag von CHF 25 pro höherem Prozentpunkt ESK bis CHF 200 und Abschlag von CHF 40 ab CHF 200 bis auf null bei > 60% ESK. Der Beitrag kann sich entweder auf die ESK-Berechnung des laufenden Fiskaljahres oder auf einen Durchschnittswert von z.B. 3 Jahren stützen.

Der Zielwert von 60% Effektive Steuerkraft (ESK) ist eine gewählte Zielgrösse, vergleichbar mit der Einwohnergrenze von 3300 Personen beim Kleingemeindezuschlag, ebenfalls in Stufe 2 des Finanzausgleichs. Die Effektive Steuerkraft ist ein guter Gradmesser zu einer Beitragsberechnung, da er im Finanzausgleich keine Anwendung findet und deshalb nicht direkt mit den Berechnungen für die Beiträge in Stufe 1 des Finanzausgleichs zusammenhängt.  Diese zusätzlichen Nominalbeiträge würden sich mit der vorerwähnten Abstufung auf CHF 6.4 Mio. pro Jahr summieren. Bei einem 3-Jahresdurchschnitt wären dies für die Gemeinde Balzers CHF 1.8 Mio., für die Gemeinde Triesen 0.3 Mio., für die Gemeinde Eschen CHF 2.2 Mio. und für die Gemeinde Mauren CHF 2.1 Mio.  pro Jahr.

Dass diese neuen Beiträge gerechtfertigt sind, kann an der Veränderung der Steuerkraft pro Kopf eindeutig nachvollzogen werden. Selbst unter Einrechnung der Stufe 1 des Finanzausgleichs und den neuen Beiträgen liegen die Gemeinden Balzers, Triesen, Eschen und Mauren mit ca. 70% bis 75% des Finanzbedarfs von derzeit CHF 6’571 pro Kopf deutlich hinter den anderen Gemeinden zurück. Es reicht nicht einmal aus, um den Mindestfinanzbedarf zu decken. Sie liegen als einzige Gemeinden unter 100% in der Summe aus effektiven Steuereinnahmen sowie den Beiträgen aus Stufe 1 und Stufe 2 des Finanzausgleichs.  Zu erwähnen ist im Weiteren, dass die Doppelgemeinden in punkto Infrastruktur-Erstellung und -Erhaltung für zwei Ortsteile erhebliche Zusatzaufwendungen zu bestreiten haben.


Finanzierung durch Abänderung des maximalen Gemeinde-Steueranteils
Zur Finanzierung der neuen Beiträge wird der maximale Betrag (CAP) bei den Ertragssteuern nicht unter den Wert von 21% gesenkt, was in etwa einer jährlichen Summe von CHF 6.6 Mio. im Durchschnitt der letzten 3 Jahre entspricht. Diese Kürzungs- respektive Korrekturmassnahme soll diese neuen Beiträge im Sinne eines horizontalen Ausgleichs decken, jedoch keinesfalls zusätzliche Steueranteile von den Gemeinden Vaduz und Schaan an das Land verschieben.

Verfeinerte Skalierung beim Einwohnerzuschlag
Ergänzend soll beim Einwohnerzuschlag in Stufe 2 des Finanzausgleichs die im Jahre 2012 vorgenommene Kürzung von 10% wieder rückgängig gemacht und mit einer feineren Skalierung versehen werden. Damit soll verhindert werden, dass eine kleine Veränderung in der Einwohnerzahl eine finanzielle Auswirkung von mehreren Hunderttausend Franken haben kann, wie das z.B. bei Planken bei Überschreitung der Einwohnergrenze von 500 Personen der Fall wäre. Nach den starken Einbussen der Finanzausgleichsgemeinden durch die Sanierungsmassnahmen ist es bereits lange ein Anliegen der Gemeinden, diese Kürzung zurückzunehmen. Davon könnte auch die Gemeinde Ruggell profitieren und ihren Einnahmenverlust aus der Steuerabsenkung deutlich vermindern.

Die Motionäre sehen folgende, verfeinerte Skalierung:
Bis 500 Einwohner gilt ein Zuschlag von 2.0, bis 600 Einwohner 1.9, bis 800 Einwohner 1.7, bis 1000 Einwohner 1.5, bis 1500 Einwohner 1.4, bis 2000 Einwohner 1.3, bis 2500 Einwohner 1.2, bis 3000 Einwohner 1.1 und bis 3300 Einwohner 1.0.

Mit der vorgeschlagenen Lösung wären die Gemeinden finanziell in der Lage, einen Gemeindesteuerzuschlag von 150% anzuwenden. Bei der Gemeinde Ruggell bleibt allerdings nach wie vor ein kompensatorisches Defizit bestehen. Die Regierung wird gebeten, für die Gemeinde Ruggell eine Lösung zu prüfen, die es ihr ebenfalls erlaubt, einen 150% Gemeindesteuerzuschlag anzuwenden.

Die Kompetenz zur Festlegung liegt beim Gemeinderat und soll auch dort verbleiben. Dieses wichtige Element der Gemeindeautonomie bleibt erhalten und damit auch die Möglichkeit, in einer Sondersituation den Zuschlagssatz anpassen zu können. Das Steuergesetz ist hinsichtlich des maximalen Anteils einer Gemeinde am Gesamttotal der Ertragssteuern anzupassen. Der Steuerzuschlagssatz von 150% bis 250% muss nicht abgeändert werden. Jedoch könnte eine Obergrenze von 200% analog der Berechnung der Standardisierten Steuerkraft in Betracht gezogen werden.

Der hier an die Regierung formulierte Auftrag zur Anpassung des Steuergesetzes (Art. 74 Abs. 2) und des Finanzausgleichsgesetzes (Art. 7 Abs. 1 Bst. b) kann kurzfristig umgesetzt werden, wenn die Vorlage von der Regierung im Frühjahr 2022 eingebracht wird und der Landtag den Gesetzesänderungen zustimmt. Die Anpassungen könnten bereits auf den Finanzausgleich des Fiskaljahres 2022 angewendet werden und die Gemeinderäte der betroffenen Gemeinden könnten im Herbst 2022 entscheiden, ob sie für das Folgejahr bereits einen reduzierten Gemeindesteuer-Zuschlagsatz beschliessen wollen.


Steuerwettbewerb ja oder nein
Ein aktiver Steuerwettbewerb zwischen den Gemeinden ist in Liechtenstein zwar nicht bekannt, aber es ist anzunehmen, dass sehr vermögende Personen wohl kaum aus Vaduz oder Schaan nach Balzers oder Mauren ziehen würden, um deutlich höhere Steuern zu zahlen. Störend ist die Problematik der Aufrechnung auf 200% Standardisierte Steuerkraft, wie es bei der Steueramnestie zum Tragen kam, oder wenn ein guter Steuerzahler in eine Finanzausgleichsgemeinde umzieht. Dies reduziert bei dieser Gemeinde den Finanzausgleich deutlich, weil die Vermögens- und Erwerbssteuer auf 200% Standardisierte Steuerkraft hochgerechnet wird. Ein expliziter Steuerwettbewerb ist für Liechtenstein nicht notwendig, es gibt auch bei der Ertragssteuer einen einheitlichen Tarif. Dank einer guten finanziellen Situation kann es sich Liechtenstein leisten, einen tiefen Steuersatz anzuwenden und es wäre vorteilhaft, wenn dieser in den Gemeinden einheitlich ausfallen würde.

 

Gesamtrevision des Finanzzuweisungssystems
Mit dem vorliegenden Auftrag zur Abänderung des Finanzausgleichs soll eine kurzfristige und pragmatische Lösung der steuerlichen Diskriminierungsproblematik erzielt werden. Es ist jedoch ein Anliegen, das Finanzausgleichsystem grundlegend zu revidieren mit einer deutlichen horizontalen Komponente, damit eine ausreichende sowie solidarische Grundfinanzierung der Gemeindehaushalte ermöglicht wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Gemeinden mit tiefer Steuerkraft genügend Finanzierung für ihre Infrastrukturvorhaben und für Langfristprojekte erhalten, wie z.B. für den strategischen Landerwerb. Zudem ist das Problem der Standardisierten Steuerkraft zu lösen, damit eine Domiziländerung innerhalb des Landes grundsätzlich keine finanziellen Auswirkungen nach sich zieht. Ein simpler Wegfall der Standardisierten Steuerkraft würde den Finanzausgleich um über CHF 20 Mio. erhöhen, weshalb gerade auch aus diesem Grund diesbezüglich eine neue Systematik zu erarbeiten ist.