Impfpflicht in Liechtenstein? Lasst uns darüber reden!

«Warum aus Empfehlungen so schnell eine Pflicht wurde» so lautete die Schlagzeile einer Liechtensteiner Tageszeitung am 24.11.2021. Dies als Reaktion darauf, dass die Regierung – aufgrund des besorgniserregenden Anstiegs der Infektionen – letzte Woche eine «starke Empfehlung» an die Bevölkerung  gerichtet hatte, Kontakte wieder zu reduzieren und Masken zu tragen.

Das, um dann bereits an der Pressekonferenz vom darauffolgenden Dienstag verkünden zu müssen, dass die Notwendigkeit bestehe, die Empfehlung in eine Pflicht umzuwandeln. Über das Wochenende hatte sich Liechtenstein, nicht ganz unerwartet, zum «Europameister» in Bezug auf die Inzidenzen aufgeschwungen. Dies zeigt, wie exponentielles Wachstum die Ausgangslage in kürzester Zeit schlagartig ändern kann und zum schnellen Handeln zwingt.

In mehreren europäischen Ländern wurde aufgrund der (zu) niedrigen Impfquote und der hohen Ansteckungszahlen, verbunden mit einer hohen Belastung und befürchteten, teils realen Überlastung des Gesundheitswesens, die Impfpflicht ein grosses Thema. Die österreichische Regierung hat angekündigt, ab Februar 2022 eine Impfpflicht einzuführen. In der Schweiz wird diskutiert, ob für Berufsgruppen, die mit besonders vulnerablen Menschen in Kontakt kommen, eine Impfung obligatorisch werden soll. Das wirft viele ethische und juristische Fragen auf. Hierzulande wurde die Diskussion über das Für und Wider einer Impfpflicht, zumindest öffentlich, noch nicht geführt. Doch auch diese Fragen müssen gestellt werden: In welche Richtung soll Liechtensteins Reise in dieser Pandemie gehen? Welche Wege wollen wir einschlagen? Ist eine Impfflicht überhaupt denkbar und was macht das mit uns, mit der Gesellschaft?

Eine Impfpflicht ist ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit. Solche Eingriffe müssen verhältnismässig sein und dürfen nur mit grösster Zurückhaltung angeordnet werden. Die Diskussionen über die Verhältnismässigkeit der bisher von der Regierung angeordneten Massnahmen werden bereits heute teilweise kontrovers und bisweilen sehr emotional geführt. Deshalb sind solche Erwägungen, ob eine Verpflichtung zur Impfung denkbar ist, mit grösster Sorgfalt und dem notwendigen Pragmatismus zu tätigen.

Die Fraktion der Freien Liste hat sich entschieden, auf die «Aktuelle Stunde» im Dezember zu verzichten und dieses Zeitfenster für die Coronastunde im Landtag und im Beisein der Regierung zur Verfügung zu stellen. Dies, um auch der Forderung Rechnung zu tragen, dass der Landtag in die Meinungsbildung und Diskussion über Themen von grosser Tragweite frühzeitig eingebunden werden soll. Weiter soll es vor allem dem Zweck dienen, dass der Prozess der Meinungsbildung zu einem Zeitpunkt angestossen wird, der Raum lässt, sachlich zu diskutieren und abzuwägen, ohne dass akute Veranlassung besteht, sofort und gleich zu einer abschliessenden Haltung kommen zu müssen.

Wir müssen uns mit diesen unbequemen Fragestellungen auseinandersetzen. Oberste Priorität hat jedoch, nun alles daran zu setzen, zu verhindern, dass so einschneidende Massnahmen konkretisiert und ergriffen werden müssen. Dazu braucht es jetzt aber alle! Die Politik, die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft.

Wenn es gelingt, uns rasch und grossmehrheitlich darüber zu verständigen, dass es bei der Frage, ob man sich an die Massnahmen halten und ob man sich impfen lassen soll, nicht nur um den Schutz der eigenen Person geht, sondern um ein solidarisches Handeln im Sinne des Gemeinwohls, dann haben wir eine Chance, diese Pandemie in absehbarer Zeit zu bewältigen.

Fraktion der Freien Liste