Gibt es Mittel gegen eine allfällige Inflation?

Kleine Anfrage des Abg. Manfred Kaufmann an Regierungschef Daniel Risch im September-Landtag

Verschiedene Vorzeichen in der Wirtschaft deuten auf eine nahende Inflation hin. In einem Kommentar beschreibt Gerhard Schwarz von der «Neuen Zürcher Zeitung» den folgenden Zustand: Nach einer Phase Corona-bedingt sinkender Preise lag im Juli in der Schweiz die am Konsumentenpreisindex gemessene Jahresteuerung bei 0,7%. Das ist nicht viel, gemessen an durchschnittlich 2% im Euro-Raum, 2,7% in Österreich, 3,8% in Deutschland und 5,4% in den USA, dem höchsten Wert seit 13 Jahren. Es ist jedoch hinlänglich bekannt, dass Inflationen meist schleichend vonstattengehen.

Bei einer Jahresteuerung von 2% (siehe Euro-Raum) halbiert sich der Geldwert innerhalb von 35 Jahren, was vor allem Sparer und Menschen mit wenig Sachvermögen trifft. Die letzte grosse Inflation gab es in den 70er-Jahren. Daher fehlt der Bevölkerung die Erfahrung. Bei Inflationen sind es vor allem die Notenbanken, welche Steuerungsmechanismen ergreifen können und der Handlungsspielraum der Politik ist begrenzt. Dennoch würden mich die Einschätzungen der Regierung in diesen Fragen interessieren:

 

Fragen

  1. Wie schätzt die Regierung aktuell das Risiko einer Inflation ein?
  2. Welche Wirtschaftsfelder wären von einer Inflation am meisten betroffen und welche Auswirkungen hätte eine höhere Inflation in der Region von ca. 2% in den nächsten Jahren?
  3. Welche Konsequenzen hätte eine Inflation auf die Sozialwerke und welche Steuerungsmechanismen hat die Politik, um diese Folgen abzufedern?
  4. Private können kaum Einfluss auf eine Inflation nehmen. Welche Möglichkeiten haben aber Private und Unternehmen, um Vorkehrungen gegen eine Inflation zu treffen?
  5. Was bedeutet eine höhere Inflation für den Staatshaushalt?

 

Beantwortung durch Regierungschef Dr. Risch Daniel

zu Frage 1:

Die Inflation ist auf globaler Ebene in den letzten Monaten deutlich gestiegen, insbesondere in den USA, wo die Inflation im Juli auf 5,4% anstieg. Zwar wird der starke Anstieg in den USA teilweise durch die Basiseffekte der Energiepreise getrieben, jedoch ist auch die Kerninflation – ohne volatile Komponenten wie Energie- und Nahrungsmittelpreise – auf 4,3% gestiegen und liegt damit so hoch wie seit Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr. Die Inflationsrate ist im Juli auch in der Schweiz (auf 0,7%) und im Euroraum (auf 2,2%) angestiegen. Die Daten deuten aber darauf hin, dass der Preisdruck in Europa noch deutlich schwächer ist, da der Anstieg viel weniger durch die Kerninflation getrieben ist, welche sich sowohl im Euroraum als auch in der Schweiz nur moderat erhöhte. Zwar ist im August mit einer weiteren Erhöhung der Inflation zu rechnen, jedoch liegt die Inflationsrate in der Schweiz derzeit fast genau in der Mitte des Inflationszielbandes der SNB, das zwischen 0% und 2% definiert ist.

Ein Grossteil der aktuellen Inflationsdynamik lässt sich mit den sogenannten Basiseffekten begründen, weil insbesondere die Energiepreise Mitte 2020 sehr niedrig waren und die Inflationsrate nun als jährliche Veränderung gegenüber diesem Level berechnet wird. Diese deutlich positiven Beiträge wirken sich nur temporär aus, daher könnte die Inflation in absehbarer Zeit – sollte es nicht zu einem dauerhaften Anstieg der Inflationserwartungen kommen – wieder niedriger ausfallen.

Angesichts der hohen Glaubwürdigkeit der SNB in Bezug auf das Erreichen des Preisstabilitätsziels werden die Inflationsrisiken derzeit für den Schweizer Franken Währungsraum als relativ gering eingestuft. Zudem steht der SNB ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung, mit dem sie ein steigendes Preisniveau effektiv bekämpfen kann. Eine Lohn-Preis-Spirale ist nicht nur aufgrund der stabilen Inflationserwartungen und der effektiven Geldpolitik, sondern auch angesichts des liberalen Arbeitsmarktes unwahrscheinlicher als in anderen Ländern. Ein weiterer leichter Anstieg der Inflation ist derzeit zwar nicht auszuschliessen, das Ausmass des Anstiegs wird sich aber aller Voraussicht nach in Grenzen halten.

zu Frage 2:

Eine Inflation von etwa 2%, die damit sogar noch innerhalb des Zielbandes der SNB liegt, hätte auf die Realwirtschaft kaum direkte negative Auswirkungen. Die indirekten Auswirkungen hängen insbesondere auch von der Inflationsentwicklung in anderen Volkswirtschaften und den Reaktionsfunktionen der Geldpolitik ab. Steigt die Inflation beispielsweise im Euroraum und in den USA weiter, sodass Zinserhöhungen notwendig sind, könnte dies – bei einer abwartenden Haltung der SNB – sogar zu einer Abwertung des CHF führen und damit positive Effekte auf die Realwirtschaft haben. Steigt die Inflation global an, ohne dass z.B. die Fed und EZB darauf reagieren, könnte dies jedoch den gegenteiligen Effekt haben: der CHF wäre wieder als Fluchtwährung gesucht und könnte dadurch aufwerten. Die indirekten Effekte sind also schwierig vorherzusagen, aber die Auswirkungen einer leicht höheren Inflation wären für die Realwirtschaft sehr begrenzt.

zu Frage 3:

Eine moderat höhere Inflation hätte auch in Bezug auf die Sozialwerke kaum negative Konsequenzen. Die tatsächlichen Auswirkungen hängen jedoch von einer Vielzahl von Faktoren ab. Bleibt die Inflation beispielsweise auch mittelfristig auf einem etwas höheren Niveau, so ist dies normalerweise eine Begleiterscheinung von einer starken Erholung der Volkswirtschaft, was mit steigenden Renditen (und schlussendlich auch den Zinsen) einhergehen könnte. Die Konsequenzen einer höheren Inflationsrate sind also nicht zwangsläufig nur negativ zu sehen. Eine Inflation, die das Inflationsziel der SNB dauerhaft übersteigt, erscheint derzeit unwahrscheinlich und würde wohl von der SNB auch entschieden bekämpft werden.

zu Frage 4:

Ein starker Anstieg der Inflation wird – wie oben beschrieben – als unwahrscheinlich eingestuft. Steigt die Inflation nur temporär oder moderat an, sind kaum Vorkehrungen zu treffen. Bargeldbestände würden logischerweise an Kaufkraft einbüssen, auch die Preise von Obligationen würden tendenziell fallen. Eine Umschichtung der Wertanlagen in inflationsgesicherte Anlageklassen wäre zu empfehlen. Wie schon erwähnt, würden sich aber die Auswirkungen einer moderat höheren Inflation sehr in Grenzen halten.

zu Frage 5:

Aufgrund der nominell festgelegten Progressionsstufen (Art. 19 Steuergesetz) wäre aufgrund der kalten Progression (ohne Ausgleich gem. Art. 20 Steuergesetz) mit einem Anstieg der Steuereinnahmen zu rechnen, der den Anstieg der Inflation deutlich übersteigt. In anderen Steuerkategorien wäre mit einem proportionalen Anstieg der Einnahmen zu rechnen, natürlich würden aber auch die Ausgaben im Staatshaushalt entsprechend ansteigen. In Bezug auf die öffentlichen Finanzreserven sind die Konsequenzen schwierig abzuschätzen. Eine höhere Inflation würde Bargeldbestände entwerten und hätte wohl auch auf den Preis von Obligationen negative Auswirkungen. Umgekehrt könnten die Renditen insgesamt und auch die Aktienmärkte mit steigender Inflation zulegen, was sich wiederum positiv auswirken könnte. Auch an dieser Stelle soll aber festgehalten werden, dass sich die Auswirkungen einer moderat höheren Inflation sehr in Grenzen halten würden.

Manfred Kaufmann, VU-Abgeordneter stellte einige Kleine Anfragen im Landtag.