Kleine Anfrage zum Thema Sozialbereich

Regierungsrat Manuel Frick hatte in der Dezember-Session des Landtagsmehrere Kleine Anfragen zu beantworten.

Kleine Anfrage der Landtagsvizepräsidentin Marxer-Kranz Gunilla an Regierungsrat Manuel Frick in der Juni-Landtagssitzung

Regierungsrat Manuel Frick hatte in der Juni-Session des Landtags u.a. eine Kleine Anfrage der Landtagsvizepräsidentin Gunilla Marxer-Kranz zum Thema: Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen im Sozialbereich zu beantworten.

Am 3. September 2015 hat die FBP die Motion zur Vereinheitlichung der Anlaufstellen und der Bemessungsgrundlagen im Sozialbereich eingereicht. Gemäss der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Abg. Violanda Lanter vom 3. Oktober 2019 hat sich diesbezüglich einiges getan, abgeschlossen ist der Prozess aber noch nicht. «Gegenwärtig konzentrieren sich die Arbeiten auf die Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen und die Schaffung eines ATSG», hiess es seitens des Gesellschaftsministers. In der Liste der offenen Parlamentarischen Vorstösse hiess es lediglich, dass mit einem Abschluss nicht im Jahr 2020 zu rechnen ist.

Fragen

  1. Wie ist der aktuelle Stand bezüglich der Bearbeitung dieser Motion?

  2. Bis wann kann hinsichtlich der Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen und der Schaffung eines ATSG mit Ergebnissen gerechnet werden?

  3. Was sind bei den Arbeiten die noch offenen Knackpunkte?

 

Beantwortung durch Regierungsrat Frick Manuel

Die Motion zur Vereinheitlichung der Anlaufstellen und Bemessungsgrundlagen im Sozialbereich wurde im September 2015 vom Landtag an die Regierung überwiesen. In der Folge konnte ein wichtiger Teil der Motion, namentlich die Konzentration der Eingaben bei einer Anlaufstelle, durch die Übertragung der Zuständigkeit für die Prüfung und Ausrichtung von Prämienverbilligungen wie auch der Mietbeihilfen zum Amt für Soziale Dienste (ASD) umgesetzt werden.

Zur Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen im Sozialbereich wurden die heutigen rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für sämtliche bedarfsabhängigen Transferleistungen erhoben und miteinander verglichen. Schon bald wurde jedoch ersichtlich, dass das Ziel der Motion, der «Schaffung einer einheitlichen und damit gerechteren Bemessungsgrundlage» unter Beibehaltung sämtlicher heute bestehender Sozialleistungen nicht erreicht werden kann. Dies liegt unter anderem an der Heterogenität der bedarfsabhängigen Leistungen, die nicht nur aufgrund ihrer zeitlichen Entstehung unterschiedlich sind, sondern auch unterschiedliche Funktionen wahrnehmen. Zudem bestehen in Bezug auf den Anspruchszeitraum sowie auf den für die Bemessung des Anspruches massgebenden Zeitraum Unterschiede. Weiter erfolgt die Berechnung basierend auf unterschiedlichen wirtschaftlichen Einheiten. Bei einer Leistung wird begründet auf das Einkommen des gesamten Haushaltes abgestellt, während bei einer anderen Bedarfsleistung nur der Antragsteller oder ein Teil des Haushaltes massgebend ist. Die Fixierung einheitlicher Bemessungsgrundlagen oder die Schaffung eines einzigen Berechnungsmodus unter gleichzeitiger Beibehaltung der Logik der einzelnen Leistungen ist aus den genannten Gründen nicht möglich.

Sinnvoll erscheint eine gewisse Hierarchisierung der Leistungen. Bereits heute wird durch das Subsidiaritätsprinzip in der Sozialhilfe diesem Gedanken Rechnung getragen. Die wirtschaftliche Sozialhilfe als letztes Auffangnetz verpflichtet das ASD bei der Antragstellung, andere vorausgehende Ansprüche auf Leistungen abzuklären.

Zwecks Optimierung gleichzeitig bezogener Bedarfsleistungen wurde eine Erhebung des Ist-Zustandes der Bezüger von bedarfsabhängigen Transferleistungen zum Stichtag 31. Dezember 2017 durchgeführt. Diese vom Amt für Statistik durchgeführte Erhebung ergab, dass tatsächlich nur in einigen wenigen Bereichen (Ergänzungsleistungen, wirtschaftliche Hilfe, Prämienverbilligung) gleichzeitig zwei oder mehr Bedarfsleistungen bezogen werden.

Vor diesem Hintergrund wurde beschlossen, sich auf die Koordination der verschiedenen Leistungen zu konzentrieren. An erster Stelle stehen die Arbeiten zur Einführung eines Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Sobald dieses – aufgrund der Notwendigkeit der Schaffung eines speziellen sozialversicherungsrechtlichen Verfahrensrechts sowie einer einheitlichen Rechtsmittelinstanz für alle Sozialversicherungen – grosse Gesetzesprojekt steht, soll auch im Bereich des weiteren Sozialrechts geprüft werden, inwieweit dort ebenfalls eine Unterstellung unter einzelne Bestimmungen des ATSG möglich und sinnvoll ist.

zu Frage 2:

Dem Rechenschaftsbericht 2020 ist zu entnehmen, dass Entwürfe für eine Totalrevision des Gesetzes über die Verwaltungsbeschwerdekommission (VBKG), die Schaffung eines ATSG sowie ein erster Entwurf für die Schaffung eines Verwaltungsgerichtshofgesetzes (VGHG) vorliegen. Mittels eines Zwischenberichts wird die neue Regierung über den Stand der Arbeiten informiert und sodann den weiteren Fahrplan beschliessen. Da die strukturelle Reform nicht in der Kompetenz des Ministeriums für Gesellschaft und Kultur liegt, ist der Zeitpunkt der Verabschiedung eines Vernehmlassungsberichtes für dieses grosse Gesetzespaket stark abhängig von den in anderen betroffenen Ministerien zur Verfügung gestellten Ressourcen und deren weiteren Projekten (LVG-Revision). So fällt die Totalrevision des Gesetzes über die Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten (VBK) in die Zuständigkeit des Ministeriums für Präsidiales und Finanzen, während die Schaffung eines VGHG in die Zuständigkeit des Ministeriums für Infrastruktur und Justiz fällt.

zu Frage 3:

Wie bereits mehrfach in der Vergangenheit erwähnt, stellt die Schaffung der für das ATSG notwendigen einheitlichen Rechtsmittelinstanz die grösste Herausforderung dar. Es soll das Sozialversicherungsrecht als verwaltungsrechtliche Materie auf dem Verwaltungsweg einer Entscheidung zugeführt werden. Dies bedingt jedoch eine Professionalisierung der heute vorhandenen Rechtsmittelinstanzen, da dort bislang Personen nur nebenamtlich tätig wurden. Auch die Einrichtung eines sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens ist im Hinblick auf das bestehende, bereits stark revisionsbedürftige Gesetz über die allgemeine Landesverwaltungspflege (LVG) schwierig, weil im Rahmen des Sozialprojektes immer wieder grundlegende allgemeine Fragen zu klären sind.