Gamswild in Liechtenstein

Die Gamswildexperten Dipl. Ing. Rudolf Reiner und Dr. Hubert Zeiler, Verfasser des Gutachtens «Gamswild in Liechtenstein», sind anerkannte Fachleute und Kenner des Gamswilds und dessen Lebensraum.

Ihre umfassende Studie, die im Frühjahr 2021 im Auftrag der Regierung und der Liechtensteiner Jägerschaft erstellt wurde, unterscheidet sich teilweise von den bisherigen Erkenntnissen. Die Liechtensteiner Jägerschaft sucht keine Konfrontation, sondern beabsichtigt, den Entscheidungsträgern und weiteren interessierten Kreisen in unserem Land eine differenzierte, ergänzende Sichtweise darzulegen und für einen Wald mit Wild einzutreten.

Kern-Botschaften
Konzentrat aus der Expertise von Dipl. Ing. Reiner und Dr. Zeiler

Der Gamswildbestand in Liechtenstein wurde von 939 Stück (1990) auf 600 Stück (2020) reduziert. (ab Seite 11)

Gamswild hat auf die Schutzfunktion des Waldes keine negativen Auswirkungen. (ab Seite 13)

Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Fläche mit Gefährdungspotential (Schutzwald) geringer ist. (Seite 31)

Die Gamswildbestände werden durch die Jagd unter der potenziell möglichen Lebensraumkapazität gehalten. (Seite 24)

Abschussschwerpunkte und forstliche Massnahmen sind auf jene Flächen zu konzentrieren, wo das Gefahrenpotenzial hoch ist. (Seite 29)

Wird weiter so stark in die Bestände eingegriffen, werden die Gamsbestände bis 2025 auf 360-400 Stück reduziert. (Seite 15)

Störungen sind im Winter unbedingt zu vermeiden. Die Ruhezonen sind sehr gut gewählt. Es ist zu überlegen, ob eine Einteilung nach Kern- und Randgebieten (statt Zone I und II) sinnvoller wäre. (Seite 26)

Zusammenfassung
Der gesamte für Gamswild geeignete Lebensraum in Liechtenstein umfasst nach dem HSI Modell im Sommer 8.680 ha. Davon weisen 4.719 ha hohe Eignung auf, für 3.961 ha ergibt sich eine mittlere Eignung.
• Im Winter gibt es 2.841 ha Gamswildlebensraum mit hoher Eignung, 5.613 ha ergeben mittlere
Eignung. Zusammen sind das 8.454 ha Winterlebensraum.
• Die Rückrechnung nach dem Geburtsjahrgang ergibt für 1990 den höchsten Wildbestand von
939 Gams im Land. Aufbauend auf der FIWI-Studie von 1989 wurden die Bestände stark reduziert. Der Gamsbestand pendelte sich dann um die Jahrtausendwende bei rund 650 Stück ein.
• Etwa ab 2005 sind die Gamsbestände wieder angewachsen. Ziel war für die Jagdperiode von 2004 bis 2012, dass die Bestände in den Hangrevieren verringert und in gut geeigneten Teilen der Bergreviere stabilisiert werden. Tatsächlich sind die Gamswildbestände bis 2011 wieder auf 880 Stück angewachsen.
• Seit 2012 wird der Gamswildbestand wieder im gesamten Verbreitungsgebiet reduziert. Im
Jahr 2020 ergeben die Berechnungen etwa 600 Stück.
• Die Gamswildzählungen stimmen mit den Berechnungen gut überein. Die Zählungen unterschätzen die Bestände etwas, geben aber den Trend in der Bestandsentwicklung gut wieder.
• Der Vergleich von Zuwachsberechnung und Jagdstrecke zeigt, dass ein Gamsbestand innerhalb von drei bis fünf Jahren massiv reduziert werden kann. Vor allem, wenn stärker auf der weiblichen Seite eingegriffen wird. Beim Gamswild sind Reduktionseingriffe deutlich wirksamer und auch leichter durchzuführen als beim Rotwild. Werden die Strecken für einige Jahre bewusst niedrig und unter dem Zuwachs gehalten, rege-neriert sich ein Gamsbestand aber auch wieder relativ rasch. Daraus ist zu erkennen, dass die Lebensraum-kapazität nicht erreicht ist.
• Wird weiter so stark in die Bestände eingegriffen, wie während der letzten Jahre, werden die
Gamsbestände im Land massiv reduziert.
• Die Detailauswertungen wurden aufgrund der vorliegenden aktuellen Einteilung nach Zone I und Zone II aufgeschlüsselt. Es ist zu überlegen, ob eine Einteilung nach Kern- und Randgebieten sinnvoller wäre.
• Aufbauend auf den Zählergebnissen aus den Revieren ist zu erkennen, dass die Gamswildverteilung während der Reduktionsphase von 2012 bis 2020 auf der gesamten Lebensraumfläche abnimmt. In gut geeigneten Kerngebieten bleibt die Dichte dennoch relativ hoch.
• Die aktuell für Gamswild ausgewiesenen Ruhezonen sind sehr gut gewählt. Sie stimmen mit der errech-neten Habitateignung im Winter gut überein. Gut ein Drittel der gesamten Gamswildlebensraumfläche mit hoher Eignung wird auch vom Rotwild genutzt. Rotwild ist die konkurrenzstärkere Wildart.
• Auf 365 ha Schutzwald mit wichtiger und sehr wichtiger Schutzfunktion ist gleichzeitig die Habitateignung für Gamswild im Winter hoch. Hier ist allerdings anzumerken, dass die Ausweisung als Schutzwald bzw. dessen Schutzfunktion für die Autoren nicht immer eindeutig nachvollziehbar ist bzw. Gamswild auf die Schutzfunktion keine negative Auswirkung hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die tatsächliche Fläche mit Gefährdungspotential geringer ist.

Die gesamte Expertise «Gamswild in Liechtenstein» von DI Rudolf Reiner und Dr. Hubert Zeiler finden Sie auf der Homepage der Liechtensteiner Jägerschaft: www.fl-jagd.li


Zu den Autoren:

Rudolf Reiner, Dipl. Ing. MSc
Auf einem Bergbauernhof in Kärnten aufgewachsen, hat Reiner Forstwissenschaften, Wildtierökologie und Wildtiermanagement an der BOKU Wien studiert. Wildbiologische Schwerpunkte des Natur- und Wildtierfotografen: Gamswild, Rotwild, Steinwild. Wald und Wild. Habitatmanagement. Wildökologische Raumplanung. Raufusshühner.

Dr. Hubert Zeiler
wurde 1963 in einem Försterhaus in Oberkärnten geboren und wuchs dort auf. Er studierte an der Technischen Forstschule in Bruck an der Mur, Österreich, bevor er seinen Abschluss in Wildtierbiologie an der Universität für natürliche Ressourcen und Biowissenschaften (BOKU) in Wien machte und seine Tätigkeit als Assistent am Institut für Wildtierbiologie fortsetzte Game Management (IWJ).