Stimmrechtsalter 16 – Wie stehen die Chancen an der Urne?

Dr. Thomas Milic Forschungsbeauftragter Politik am Liechtenstein-Institut

Eine Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre ist vielerorts ein Thema. In der Schweiz hat beispielsweise die zuständige Ständeratskommission kürzlich erst ihr Plazet zum aktiven Wahl- und Stimmrecht für 16-Jährige gegeben.

Der Weg bis zu einer Einführung dieses Rechts in der Schweiz ist aber steinig und lang: Stimmvolk und Stände haben auf jeden Fall das letzte Wort dazu, denn eine Verfassungsänderung verlangt zwingend eine Volksabstimmung mit doppeltem Mehr. 

Auch hierzulande ist einiges in Bewegung: Die Junge Liste hat über 1000 Unterschriften für ein Wahl- und Stimmrechtsalter 16 gesammelt und wird dem Landtag die Petition im Mai übergeben. Eine Volksabstimmung darüber ist in Liechtenstein nicht obligatorisch. Aber sollte das Anliegen die parlamentarische Hürde überspringen, dürfte aller Voraussicht nach auch hierzulande das Volk darüber entscheiden. Welche Chancen hat eine solche Forderung an der Urne? Natürlich sind Prognosen zum jetzigen Zeitpunkt höchst spekulativ. Aber es liegen immerhin mehrere Abstimmungsergebnisse aus der Schweiz vor. Was können wir aus diesen Schweizer Abstimmungen schliessen? 

Zu einer Sensation kam es 2007 an der Landsgemeinde des Kantons Glarus. Die Jungsozialisten stellten dort einen Antrag für ein aktives und passives Wahlrecht 16. Es überraschte bereits, dass die Glarner Regierung diesem Vorstoss einen nur leicht abweichenden Gegenvorschlag gegenüberstellte. Noch überraschender war, dass dieser Gegenvorschlag (aktives Stimmrecht 16) vom Glarner Stimmvolk angenommen wurde. Das Protokoll vermerkt zwar, dass zur Ermittlung des Ergebnisses ein dreimaliges «Ausmehren» (Auszählen nach Augenmehr) nötig war. Das Ergebnis fiel demnach sehr knapp aus. Doch knapp gewonnen ist auch gewonnen.

Dies blieb der einzige Urnenerfolg einer solchen Vorlage in der Schweiz. Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Stadt lehnten 2009 eine Senkung des Stimmrechtsalters wuchtig ab (72 Prozent). Auch das Urner Stimmvolk verwehrte 2009 den 16-Jährigen das Stimmrecht deutlich (80 Prozent Nein). Ähnlich fiel das Verdikt im Kanton Bern (2009) aus: 75 Prozent der Stimmenden votierten gegen die Herabsetzung des Stimmrechtsalters.   

Aus diesen Misserfolgen wollten die Initiantinnen und Initianten eines Neuenburger Volksbegehrens gelernt haben. Sie lancierten ein Begehren, das 16-Jährigen das aktive Stimmrecht nur dann gab, wenn sie sich aktiv darum bei der Gemeinde bemühten. Die Zeit dazu schien 2020 reif zu sein, die Klimaproteste der Jugendlichen waren auf ihrem (vorläufigen) Höhepunkt. Doch trotz Unterstützung der Regierung, der Parlamentsmehrheit und einiger Parteien sprach sich am 9. Februar 2020 eine deutliche Mehrheit (58,5 Prozent) dagegen aus. Aufschlussreich sind zudem die Beteiligungszahlen aus diesem Kanton: Gerade einmal ein knappes Drittel (36  Prozent) beteiligte sich an dieser Abstimmung. Bei den Jungen fiel die Beteiligungsrate in gewissen Jahrgängen gar auf 20 Prozent. 

Die Schweizer Erfahrungen zeigen zweierlei: Ältere Stimmberechtigte – sie machen den Löwenanteil des Stimmkörpers aus – stehen einem Stimmrechtsalter 16 skeptisch gegenüber, und zwar unabhängig von ihrer politischen Gesinnung. Denn in Basel-Stadt erzielten SP und Grüne bei den Nationalratswahlen 2007 einen Wähleranteil von über 40 Prozent, die von ihnen unterstützte Stimmrechtsalter-Vorlage vereinigte hingegen bloss 28 Prozent der Stimmen auf sich. Die Jungen (18- bis 35-Jährige) wiederum leisten nur wenig Schützenhilfe, wenn es darum geht, den noch Jüngeren (16- und 17-Jährige) das Stimmrecht zu verleihen. Die Neuenburger Initiative trieb nur wenige Junge an die Urne. Eine Überraschung ist aber nicht auszuschliessen: Ausgerechnet im ländlich geprägten Glarnerland wurde das Stimmrechtsalter 16 angenommen – vielleicht auch als Folge der lebhaften Diskussion an der Landsgemeinde selbst. Wenn es gelingt, in einem emotionalen Abstimmungskampf mit Argumenten zu überzeugen, liegt ein Urnenerfolg durchaus im Bereich des Möglichen.