Bildungsstrategie und Bildungsberichterstattung

Dr. Kristina Budimir, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bildungsbericht, Liechtenstein-Institut

Dem Bildungswesen wird verfassungsmässig eine hohe Bedeutung beigemessen, denn die Landesverfassung sieht eine besondere Sorgfalt des Staates für das Bildungswesen vor. Um zu prüfen, inwieweit die geltende Bildungsstrategie umgesetzt und die gesetzten Bildungsziele erreicht wurden, erteilte die Regierung dem Liechtenstein-Institut den Auftrag, einen Bildungsbericht zu erstellen, der am 18. März als Pilotstudie erschienen ist.

Der Pilotbericht beurteilt die Effektivität, die Effizienz und die Equity des Bildungssystems. Eine Massnahme ist effektiv, wenn sie ein geeignetes und wirksames Mittel zur Erreichung eines bildungspolitischen Ziels ist, und zudem effizient, wenn sie das bildungspolitische Ziel mit geringstmöglichem Einsatz an Ressourcen erzielt. Das Equity-Kriterium hat eine Fairness- und eine Inklusions-Dimension. Ein Bildungswesen ist fair, wenn es allen Bildungsteilnehmenden die gleichen Möglichkeiten bietet, ihr Bildungspotenzial auszuschöpfen, und inklusiv, wenn alle Bildungsteilnehmenden ein Mindestmass an Kompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen erreichen.

Das liechtensteinische Bildungswesen scheint vor dem Hintergrund steigender Bildungsbeteiligung sowohl im Hinblick auf das Erreichen von Abschlüssen auf der Sekundarstufe II als auch von Tertiärabschlüssen sehr effektiv. Die Gesamteffizienz des Bildungswesens, also die Erreichung von Bildungsabschlüssen und das Abschneiden bei internationalen Leistungserhebungen gemessen an den Bildungsausgaben in Relation zur Wirtschaftskraft, ist im internationalen Vergleich sehr hoch.

Bei dem Beurteilungskriterium Equity sind die Ergebnisse differenzierter. Wird die Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern betrachtet, so bietet das liechtensteinische Bildungswesen beiden gleiche Möglichkeiten, ihr individuelles Bildungspotenzial zu entfalten, auch wenn die spätere Berufs- und Studienwahl noch immer sehr geschlechtsstereotyp ausfällt.

Bei der Betrachtung nach Staatsangehörigkeit zeigen sich bei der Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die Sekundarschulen I deutliche Differenzen, die sich im Bildungsverlauf kumulieren und sich bei der Quote der frühzeitigen Schulabgängerinnen und -abgänger wie auch in den Abschlussquoten entsprechend niederschlagen. Vor allem Jugendliche, die erst spät zugewandert sind, dürften aufgrund unzureichender Sprachfähigkeiten und geringerer Vorbildung Probleme haben, einen nachobligatorischen Abschluss zu erlangen. Ein Abschluss auf der Sekundarstufe II ist für den erfolgreichen Eintritt in den Arbeitsmarkt, die späteren Bildungsmöglichkeiten und die Zulassung zu weiterführender Bildung von ausnehmender Bedeutung. Daher ist es wichtig, dass auch unter der jungen Bevölkerung mit ausländischer Nationalität ein hoher Anteil einen Abschluss auf der Sekundarstufe II erwirbt.

Die Ergebnisse des Pilotberichts zeigen, dass die Effektivitäts- und Effizienzziele der Bildungsstrategie 2020 überwiegend erreicht wurden und dass Handlungsbedarf bei der frühen Förderung, den Zuteilungen und der Durchlässigkeit besteht. Dies wurde mit der neuen Bildungsstrategie 2025plus aufgegriffen und rückt nun stärker in den Fokus der Bildungspolitik.

Der nächste Bildungsbericht wird die Umsetzung der neuen Bildungsstrategie beleuchten und prüfen, ob Fortschritte bei der MINT-Orientierung erzielt wurden. In der obligatorischen Schule wird der Erwerb von Kompetenzen, insbesondere der digitalen, von Interesse sein. Damit wird sich der kommende Bildungsbericht verstärkt langfristigen Zukunftsthemen des Bildungswesens widmen. Der internationale Vergleich, die sukzessive Schliessung von Datenlücken und die Lieferung von Ansatzpunkten zur Anpassung der Bildungsstrategie, mit welcher der Bildungsbericht in Wechselwirkung steht, werden ebenfalls dauerhafte Anliegen der zukünftigen Bildungsberichte sein.