Siedlungsgeschichte Bendern: «Geflügelte Gläser und antike Helden»

Faszinierende Erkenntnisse zur Kulturgeschichte in Bendern Dank der in den 1960er und 1970er Jahren von Georg Malin durchgeführten Ausgrabungen auf dem Kirchhügel.

Die Archäologie in Liechtenstein als Teil des Amtes für Kultur, gibt ihre neueste Publikation über die archäologischen Ausgrabungen auf dem Kirchhügel in Bendern heraus. Die Bände 4 und 5 der Reihe zu den „Ausgrabungen auf dem Kirchhügel in Bendern, Gemeinde Gamprin“ umfassen die Resultate der wissenschaftlichen Auswertung der Ofenkeramik, Metall- und Glasfunde. Damit sind die Ergebnisse der Ausgrabungen von Georg Malin umfassend vorgelegt.

Das zweibändige Werk ergänzt die im Jahr 2016 erschienenen Bände 1 bis 3. Während diese sich den Baubefunden unter der heutigen Pfarrkirche und den urgeschichtlichen und römischen Funden sowie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Geschirrkeramik widmeten, werden in den beiden neuen Bänden die Ofenkeramik und die Kleinfunden aus Metall und Glas vorgestellt.Allein die rund 16’000 Ofenkeramikfragmente spannen einen zeitlichen Bogen von über 800 Jahren. Die ältesten Stücke zählen zu den frühesten Nachweisen von Kachelöfen in unserer Region. Unter den figural verzierten Ofenkacheln aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit finden sich die bislang einzigartigen Darstellungen der antiken Liebestragödie von Pyramus und Thisbe.

Die nächst grössere Fundgruppe ist jene der Gläser mit 2153 Fragmenten. Eine möglicherweise aus dem Nahen Osten stammende Mosaikaugenperle aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ist in unserer Region eine Rarität. Bei den Glasgefässen sind besonders die importierten Kelchgläser, sogenannte Löwenkopf-, Flügel- oder Schlangengläser, hervorzuheben. Die filigranen Applikationen in Form kleiner gemusterter Flügel oder geschwungener Schlangenköpfe geben ihnen den Namen. Sie wurden im 16. Jahrhundert zunächst nur in den Glashütten von Venedig produziert. Schon bald aber stellte man sie in grossen vorindustriellen Betrieben in Österreich, Deutschland oder in den Niederlanden her.

Während die Glasfunde als Teil einer wertvollen Tafelausstattung einen sehr gehobenen Lebensstandard wiederspiegeln, geben die 709 Metallobjekte einen Einblick in die Alltagskultur des späten Mittelalters und der Neuzeit. Als Bestandteile der Kleidung, wie Gürtelschnallen oder Miederhaken, vermitteln sie ein Bild der zeitgenössischen Mode. Sie zeigen, welche Werkzeuge oder Bewaffnung verwendet wurden. Sie geben Auskunft über die Schmuck- und Wohnausstattung. Zahlreiche Wallfahrtsandenken, von Kirchgängern verloren oder den Verstorbenen mit ins Grab gegeben, stammen aus weiten Teilen Europas. Mit den Rosenkränzen sind sie Ausdruck der persönlichen Frömmigkeit und belegen die beliebten Pilgerziele.

Die vorgestellten Funde lassen Rückschlüsse zu über die weitreichenden Handelsbeziehungen und regionalen Werkstattkreise sowie über den sozialen Wohlstand einzelner Bewohner. Sie lassen ein lebendiges Bild über die Lebensweise, das Brauchtum, den Glauben und über die Wirtschaftskraft der Menschen vom Kirchhügel in Bendern entstehen.

Der letzte Teil der wissenschaftlichen Auswertung über den Kirchhügel ist in Arbeit. Er ist den neuesten Notgrabungen ab 2015 und den Profanbauten gewidmet und soll voraussichtlich 2022 erscheinen.

Kulturministerin Katrin Eggenberger freut sich über den Fortschritt dieser wichtigen Arbeiten: „Durch die Arbeit unserer Archäologie konnten nun die in den 1960er und 1970er Jahren von Georg Malin durchgeführten Ausgrabungen auf dem Kirchhügel ausgewertet und faszinierende Erkenntnisse zur Kulturgeschichte in Bendern gewonnen werden.“