«In dieser besonderen Zeit wünsche ich uns allen viel Zuversicht und gute Gesundheit», sagt Erbprinz Alois im Interview mit der Lie:Zeit. Bevor er diesen Wunsch äussert, blickt er aber auch zurück auf ein besonderes Jahr – nicht nur in Bezug auf die Corona-Pandemie. Der Erbprinz gibt auch einen Ausblick auf seine Erwartungen an die Politik in der kommenden Legislaturperiode.
Durchlaucht, das Jahr ist zwar noch nicht ganz zu Ende, aber da es mit dem neuartigen Coronavirus ohnehin von einem Thema dominiert wurde, fällt ein Rückblick bereits jetzt vielleicht einfacher. Wie haben Sie 2020 bisher erlebt?
S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: 2020 war auch für mich ein sehr spezielles Jahr. Die Pandemie war nicht nur inhaltlich das dominante Thema, sondern hatte auch auf meinen Tagesablauf grosse Auswirkungen. Fast alle Auslandsreisen sowie viele der üblichen Anlässe und Treffen im Land – auch auf Schloss Vaduz – mussten in diesem Jahr abgesagt werden.
Das Jahr 2019 stand im Zeichen des grossen Landesjubiläums. Dennoch kam irgendwie kein richtiges Wir-Gefühl auf. Im Frühjahr während des Shutdowns war es dann plötzlich zu spüren. Wie interpretieren Sie dies?
Wenn die Bevölkerung in einer Krise wie während des «Shutdowns» im Frühjahr zusammensteht und sich gegenseitig spontan unterstützt, entsteht fast automatisch ein Wir-Gefühl. Bei einem Jubiläum, vor allem wenn der wichtigste Anlass im Januar stattfindet, ist dies schwieriger.
Ist die vielbeschworene Solidarität Ihres Erachtens auch jetzt, inmitten der zweiten Welle, Ihrer Meinung nach wiederum spürbar oder hat sie nachgelassen? Wie hat sich Liechtenstein in der Krise geschlagen?
Meines Erachtens war die Solidarität während der ersten Welle stärker spürbar. Das dürfte vor allem damit zu tun haben, dass wir uns einerseits alle erst einmal auf eine für uns völlig ungewohnte Situation einstellen mussten und andererseits auch die in der ersten Welle getroffenen Massnahmen noch einschränkender waren. Entsprechend grösser war auch der Bedarf, sich gegenseitig bei Einkäufen, der Betreuung von Angehörigen und ähnlichen Dingen zu helfen.
Was können die Einwohnerinnen und Einwohner Liechtensteins aus der Pandemie lernen oder Positives mit in die Zukunft nehmen?
Aus der Pandemie können wir lernen, wie wichtig eine gute Vorbereitung für den Notfall ist. Dies gilt sowohl für die Notfallhilfe als auch für die Staatsfinanzen. Ausserdem können wir die Bedeutung einer guten Kommunikation und eines entschlossenen gemeinsamen Handelns während des Notfalls erkennen. Insgesamt können wir viel Positives mit in die Zukunft nehmen. Die Solidarität war gross und wir waren abgesehen von einigen Bereichen der Notfallhilfe gut vorbereitet.
Wenn die Bevölkerung in einer Krise wie während des «Shutdowns» im Frühjahr zusammensteht und sich gegenseitig spontan unterstützt, entsteht fast
automatisch ein Wir-Gefühl.
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein
Welche Lehren sollte die Politik aus der Pandemie ziehen?
Meiner Ansicht nach sollte die Politik für eine noch bessere Planung hinsichtlich kritischer Krisenszenarien sorgen und weiterhin auf einen gesunden Staatshaushalt achten. Dies gilt nicht nur für zukünftige Pandemien, sondern auch für andere Krisenszenarien, die unsere Stabilität gefährden können. Im Krisenfall selbst sollte die Politik möglichst rasch gut verständliche und einfache umsetzbare Massnahmen ergreifen, die gegebenenfalls auch über längere Zeiträume beibehalten werden können. Die Pandemie hat nämlich gezeigt, dass frühzeitige Massnahmen, die auf breite Akzeptanz stossen, für den Erfolg ganz entscheidend sind.
Neben dem Virus ist der Blick auf anderes Wesentliches vielfach etwas zu kurz gekommen. Welche bedeutenden Themen haben das Jahr 2020 für Sie in Liechtenstein mitgeprägt?
Neben der Pandemie hat für mich vor allem das Thema Mobilität das Jahr 2020 mitgeprägt. Einerseits wurde ein umfangreiches Mobilitätskonzept der Öffentlichkeit vorgestellt, und andererseits kam es zu einer mit vielen Emotionen verbundenen Volksabstimmung über die S-Bahn – ein Thema das unser Land schon seit etlichen Jahren beschäftigt hatte.
Wo konnten Ihrer Ansicht nach wesentliche Fortschritte erzielt werden, und wo wäre mehr möglich oder nötig gewesen?
Wesentliche Fortschritte konnten im Bereich des Finanzplatzes erzielt werden, so zum Beispiel bei der Regulierung der Blockchain-Technologie und des Treuhandwesens. Mehr Fortschritte hätte ich mir vor allen in den Bereichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Pflege und Finanzausgleich gewünscht. Teilweise war wahrscheinlich aufgrund der Pandemie aber auch nicht mehr möglich.
Was erhoffen Sie sich in politischer Hinsicht für das Jahr 2021?
In politischer Hinsicht wünsche ich mir eine gute Zusammensetzung von Landtag und Regierung, damit wir den Herausforderungen der kommenden Legislaturperiode erfolgreich begegnen können. Neben einer raschen Bewältigung der Pandemie und Fortschritten bei den bereits erwähnten Themen erhoffe ich mir auch Fortschritte im Bereich der Digitalisierung, der Umwelt, der Gesundheitsvorsorge und der Altersvorsorge, dort vor allen auch bei der zweiten Säule.
Und was wünschen Sie sich, Ihrer Familie und dem Land für das in wenigen Wochen beginnende neue Jahr?
In dieser besonderen Zeit wünsche ich uns allen viel Zuversicht und gute Gesundheit.