Seit 30 Jahren: Glaubwürdiges Engagement in der UNO

Aussenministerin Katrin Eggenberger

Vor 30 Jahren ist Liechtenstein den Vereinten Nationen beigetreten. Als Akteur, der keine geopolitischen Interessen verfolgt, geniesst der Kleinstaat eine hohe Glaubwürdigkeit und bringt sich aktiv in Projekte ein, welche die Rechtsstaatlichkeit und das Völkerrecht stärken, wie Aussenministerin Katrin Eggenberger ausführt.

Frau Aussenministerin, am 18. September jährt sich die Aufnahme Liechtensteins in die Vereinten Nationen zum 30. Mal. Was bedeutet dieses Ereignis für Sie persönlich?
Regierungsrätin Katrin Eggenberger:
Es erfüllt mich mit Stolz, wenn ich auf unsere erfolgreiche 30-jährige Mitgliedschaft zurückblicke. Liechtenstein konnte sich in den vergangenen 30 Jahren bei den Vereinten Nationen einen hervorragenden Ruf als aktiver und verlässlicher Partner erarbeiten. 

Welche Bedeutung hatte der UNO-Beitritt Ihres Erachtens für Liechtenstein als Staat?
Der UNO-Beitritt Liechtensteins vor 30 Jahren war für die Absicherung der staatlichen Souveränität von grosser Bedeutung. Er bot Liechtenstein die Möglichkeit, sich als vollwertiges Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft einzubringen und sich damit weltweit Respekt zu verschaffen.

Welche Hürden hatte Liechtenstein vor seinem Beitritt zu überwinden und wie ist dies gelungen?
Das waren einige Hürden und es benötigte eine lange Vorarbeit. Nachdem es in den 1960er-Jahren Ansätze gegeben hatte, die UNO-Mitgliedschaft für kleine Staaten einzuschränken, engagierte sich in Liechtenstein vor allem unser Fürstenhaus für einen Beitritt. Der heutige Landesfürst reiste in den 1970er-Jahren nach Washington, um beim damaligen US-Vizepräsidenten Gerald Ford für die UNO-Mitgliedschaft kleiner Staaten zu plädieren. Mit Erfolg: Die USA unterstützen in der Folge einen Beitritt Liechtensteins. Bis sich Liechtenstein zu einem Beitrittsgesuch durchringen konnte, sollte es aber noch bis 1989 dauern. Wichtige Schritte auf diesem souveränitätspolitischen Weg waren auch die aktive Teilnahme Liechtensteins an der Erarbeitung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 und der Beitritt zum Europarat 1978.

Inwiefern konnte Liechtenstein in diesen 30 Jahren von seiner Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen profitieren?
Liechtenstein hat in mehrfacher Hinsicht profitiert. Wie eingangs schon erwähnt, war das wichtigste Ziel die Absicherung der Souveränität. Unsere Souveränität ist heute nicht in Gefahr, und die UNO-Mitgliedschaft hilft, dass dies auch langfristig so bleibt. Im Vergleich zu grösseren Staaten, die weltweit ihre diplomatischen Vertretungen haben, bietet uns die UNO einen zusätzlichen Vorteil als „Fenster zur Welt“. Wir nutzen die UNO als wichtige globale Plattform für die Umsetzung der Ziele der liechtensteinischen Aussenpolitik und für Kontakte mit einer grossen Anzahl von Staaten.

Wie hat sich Liechtenstein im Gegenzug selbst eingebracht? Wovon konnten die Staatengemeinschaft oder Menschen ganz konkret profitieren?
Bereits unmittelbar nach dem UNO-Beitritt erregte Liechtenstein mit seiner Initiative zum Selbstbestimmungsrecht Aufsehen. Die Themen Rechtsstaatlichkeit und Stärkung des Völkerrechts ziehen sich als roter Faden durch das UNO-Engagement Liechtensteins. So wurden unter Liechtensteins Vorsitz diverse völkerrechtliche Instrumente erarbeitet, darunter die sogenannten Kampala-Vertragszusätze zum Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) und der Mechanismus zur strafrechtlichen Aufarbeitung der in Syrien begangenen Gräueltaten. In den Bereichen Menschenrechte und internationale Strafjustiz haben wir ein international anerkanntes klares Profil, auf das wir stolz sein können. Wir leisten ausserdem einen konkreten Beitrag zur Lösung einer der grössten Menschenrechtskrisen unserer Zeit: moderne Sklaverei und Menschenhandel. Mit der Liechtenstein-Initiative stellen wir den globalen Finanzsektor ins Zentrum der Bekämpfung dieser Verbrechen und tragen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bei.

Beschränkt sich das liechtensteinische UNO-Engagement auf den Hauptsitz in New York?
Nein, Liechtenstein bringt sich neben New York auch in Genf und Wien in aktuelle Debatten ein und agiert als glaubwürdiger Akteur, der keine geopolitischen Agenden verfolgt. In Genf zum Beispiel haben wir die Aktivitäten im Menschenrechtsrat sukzessive erweitert und werden entsprechend wahr- und auch ernstgenommen. Dass wir uns vielseitig einbringen, zeigt auch die jüngst erfolgte Teilnahme am Kunstwettbewerb zum 75-Jahr-Jubiläum der UNO, in welchem der Liechtensteiner Beitrag den zweiten Platz erzielte. Das freut mich als Kulturministerin besonders und trägt zum positiven Image Liechtensteins an der UNO bei. Das Bild hat die Regierung nun gekauft und wird es bei nächster Gelegenheit der UNO als Geburtstagsgeschenk zum 70. Jubiläum und gleichzeitig zum 30-Jahr-Jubiläum Liechtensteins in der UNO überreichen. 

Man könnte meinen, die Stimme eines Kleinstaats hat neben jener der militärischen oder wirtschaftlichen Grossmächte kein Gewicht. Wie erleben Sie dies und welche Rückmeldungen erhalten Sie von Ministern bzw. Spitzenbeamten anderer Länder sowie aus dem UN-Sekretariat?
Ich erhalte in meinen bilateralen Gesprächen regelmässig positive Rückmeldungen zu unserem UNO-Engagement. Unsere Unabhängigkeit, unsere hohe Glaubwürdigkeit und das konsequente Einstehen für die Rechtsstaatlichkeit bringen uns international viel Anerkennung und Respekt. Wir sitzen nicht nur am Tisch, sondern reden aktiv mit und nutzen die Möglichkeiten, welche die UNO uns als Kleinstaat bietet, konsequent. Unsere Partner schätzen es sehr, dass wir so innovativ und engagiert sind. 

Dies alles klingt sehr positiv und nach einem Grund zum Feiern. Wie begeht Liechtenstein den 30. Jahrestag seiner Mitgliedschaft?
Wir werden am 25. September in Vaduz eine öffentliche Jubiläumsveranstaltung abhalten, bei welcher der Schweizer Bundesrat Ignazio Cassis einen Gastvortrag hält. Daraufhin tauschen in einer Paneldiskussion Vertreter aus der Privatwirtschaft unter der Moderation von Urs Gredig ihre Gedanken zu Vergangenheit und Zukunft der UNO und deren Einfluss auf die Welt aus. Namentlich Prinz Max von und zu Liechtenstein, CEO LGT, Alexander Ospelt, Verwaltungsratspräsident Ospelt Gruppe, André Hoffmann, Vizepräsident Roche, und Peter Spuhler, Verwaltungsratspräsident Stadler Rail AG, erläutern, wie sie die Rolle ihrer Firmen im Kontext der UNO-Nachhaltigkeitsziele, der sogenannten SDGs, sehen. Es freut mich sehr, dass ich die Themen Finanzen, Ernährung, Forschung und Transport mit den Inhabern international aufgestellter Firmen mit Fokus auf den SDGs beleuchten darf. Wir hoffen natürlich sehr, dass uns die aktuelle Covid-19-Situation keinen Strich durch die Rechnung macht. 

Wenn Sie einen Blick zurück auf die vergangenen und voraus auf die nächsten 30 Jahre werfen: Wie hat sich das Aufgabengebiet der UNO verändert und welche neuen sowie alten Herausforderungen haben die Vereinten Nationen wohl zu bewältigen?
Wir sind ja am Ende des Kalten Krieges der UNO beigetreten – in einer Zeit, in der die UNO die fast euphorischen Erwartungen oft erfüllen konnte. Heute ist eine ganz andere Zeit. Die Aufgabenfelder sind vielfältiger und komplexer geworden – das zeigt gerade auch die Nachhaltigkeitsagenda, welche als gemeinschaftlich geschaffenes Instrument die Herausforderungen unserer Zeit umfassend angehen will. Die politischen Konstellationen und die Dynamik zwischen den Grossmächten sind parallel dazu schwieriger geworden, was die Entscheidungsfindung massiv erschweren kann. Kurz gesagt: Die UNO ist heute wichtiger denn je, die Einigung auf produktive Lösungsansätze aber auch oft schwieriger als noch bei unserem Beitritt. Und natürlich ist die Corona-Krise zu erwähnen, welche UNO-Generalsekretär António Guterres als die grösste Herausforderung seit Bestehen der Organisation bezeichnet hat. Um nochmals auf die Nachhaltigkeitsagenda zurückzukommen: Die Corona-Krise unterstreicht nicht nur sehr deutlich, wie stark alle Staaten miteinander verflochten sind. Sie zeigt uns auch, wie wichtig stabile Gesundheits- und Bildungssysteme sowie staatliche Institutionen in jedem einzelnen Land sind – und zwar für die gesamte Staatengemeinschaft. Mit der Agenda haben wir uns alle nationale Ziele gesetzt, die uns international stärker machen.

Gibt es bereits konkrete Pläne, wie Liechtenstein sich weiterhin in die Arbeit der UNO einbringen wird?
Wir wollen den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen, uns weiterhin aktiv und eigenständig einbringen und das Profil des Landes international weiter schärfen. 

Was wünschen Sie sich in Bezug auf Liechtensteins weitere UNO-Mitgliedschaft?
Ich freue mich besonders über die starke Unterstützung in der Bevölkerung. Wir werden uns dafür einsetzen, die Inhalte der UNO-Arbeit und unser Engagement weiterhin direkt und unkompliziert zu vermitteln. Durch die Schaffung der Position einer Jugenddelegierten haben wir in den letzten Jahren einen wichtigen Schritt dafür unternommen. Ich hoffe, dass wir vor allem auch die Nachhaltigkeitsagenda und ihre nationale und internationale Bedeutung tief im Bewusstsein unsere Bevölkerung verankern können, denn nur so wird uns die konsequente Umsetzung weiterhin gelingen.