LAV: 111 Jahre Tradition, alte Werte, neue Herausforderungen

Vizepräsident Hans Peter Walch und Caroline Egger, Präsidentin des Liechtensteiner Alpenvereins.

Die Corona-Pandemie hat das Jahr des Liechtensteiner Alpenvereins (LAV) in einer ohnehin arbeitsintensiven Zeit durcheinandergebracht. Das Virus hatte aber auch positive Aspekte für den Verein. Viele Einwohner Liechtensteins besonnen sich auf eine Rückkehr zur Natur und damit auf Werte, die der LAV traditionell vertritt.

Die neue Geschäftsstelle des Liechtensteiner Alpenvereins an der Vaduzer Äulestrasse ist repräsentativ und dennoch stilecht gehalten. «Wir mussten unseren alten Vereinssitz aufgrund der Umbauarbeiten auf dem Steinegerta-Areal in Schaan verlassen und hatten grosses Glück», sagt LAV-Präsidentin Caroline Egger. «Mein Vater, Herbert Batliner, war ein grosser Freund und Förderer des Alpenvereins, und meine Mutter hat uns die Räumlichkeiten zu seinen Ehren günstig zur Miete überlassen. Viele Einrichtungsgegenstände konnten wir kostenlos übernehmen und einige Installateure haben die Arbeiten gratis oder zum Selbstkostenpreis durchgeführt.» Die neue Geschäftsstelle führe dazu, dass der Verein besser erreichbar sei und mehr Laufkundschaft habe. «Vor kurzem sind beispielsweise zwei Franzosen hereingekommen und haben ihren Mitgliedsbeitrag für das neue Vereinsjahr bezahlt. Wir spüren aber auch ganz allgemein ein grösseres Interesse an unserer Arbeit.»

Acht Prozent der Bevölkerung im LAV
Eine Arbeit, die gerade im Corona-Jahr 2020 nicht immer einfach war. Die Hauptversammlung musste kurz nach Beginn des Liechtensteiner Shutdowns abgesagt werden. «Viele der Stammteilnehmer sind Angehörige der Risikogruppe. Sie zu schützen ist uns natürlich wichtig. Daher haben wir auch den geplanten Tag der offenen Tür am 29. August in der Geschäftsstelle auf einen späteren Zeitpunkt verschoben», sagt Caroline Egger. Die notwendigen Abstimmungen und turnusgemässen Wahlen einiger Vorstandsmitglieder fanden daher auf schriftlichem Weg statt. «463 Rückantworten haben wir erhalten. Das sind doch deutlich mehr, als wir normalerweise Teilnehmer an der HV begrüssen dürfen.» Dennoch ist es immer noch ein relativ kleiner Prozentsatz der Mitglieder. Der Alpenverein ist mit 2941 Mitgliedern, Stand Mitte August, seit Jahrzehnten der grösste Verein Liechtensteins. «Die 3000er-Grenze ist schon ein Ziel, das wir knacken möchten», sagt die Präsidentin. Vizepräsident Hans Peter Walch ergänzt: «Da die meisten unserer Mitglieder ihren Wohnsitz in Liechtenstein haben, sind fast acht Prozent der Bevölkerung bei uns vertreten. Damit dürfte der Peak wohl bald erreicht sein.»

Zumindest das Wandern und Klettern in den Bergen, der ursprünglichste aller Vereinszwecke, hat während des Shutdowns aber einen deutlichen Auftrieb erlebt, der vielleicht nochmals für einige Neumitglieder sorgen könnte. «Die im Freien betriebenen Sportarten, wo sich die Aerosole gut verteilen und bei denen die Ansteckungsgefahr gering ist, sind ja allgemein nicht so sehr unter Beschuss geraten. Sportarten wie das Bouldern, das Klettern in der Halle, gehören nicht zu den ureigenen Anliegen des LAV. Wir selbst waren früher immer draussen. Im Sommer auf Bergtouren, im Winter auf Skitouren. In einer Kletterhalle war ich zum ersten Mal als Lehrer mit einer Schulklasse», sagt Hans Peter Walch.

«Berghütten sind keine Hotels»
«Ich habe auf meinen Wanderungen wirklich aussergewöhnlich viele Leute in den Bergen getroffen, auch solche, die ich vorher jahrelang nicht mehr draussen getroffen habe. Vor unseren LAV-Hütten auf der Gafadura und der Pfälzerhütte waren teilweise trotz der Einhaltung der Distanzmassnahmen bis zu 40 Wanderer versammelt», sagt Caroline Egger. Die Wirte auf der Gafadura behalfen sich während der Betriebsschliessungen in der Gastronomie mit einem Takeaway-Angebot. Auf der Pfälzerhütte begann die Saison ohnehin später, als die auch die Wirtschaften im Tal wieder öffnen durften. «Die Schutzmassnahmen müssen die Wirte aber natürlich nach wie vor einhalten. Gruppen müssen sich beispielsweise anmelden. Ausserdem spüren wir, dass in den Massenlagern so gut wie keine Übernachtungen mehr stattfinden. Die Zeit der Massenlager könnte aber ohnehin langsam vorbei sein. Die Gäste erwarten inzwischen mehr Komfort als früher, worauf wir in absehbarere Zeit eingehen müssen. Die Wanderer und Tourengänger sollten aber auch nicht vergessen, dass Berghütten keine Hotels sind.»

Die Hütten sind auch, die den grössten Teil des LAV-Budgets verschlingen. «Unsere Tourenleiter arbeiten genau wie die Vorstandsmitglieder ehrenamtlich», sagt Hans Peter Walch. «Aber die Ausbildungen und der Unterhalt sowie die Wasser- und Energieversorgung der Hütten kosten Geld.» Viel Geld. In die Pfälzerhütte investierte der LAV in jüngster Zeit beispielweise 700’000 Franken. Luxus ist dennoch nicht zu erwarten. Saniert wurde das Notwendige wie das in die Jahre gekommene Dach. «Die Pfälzerhütte steht nun wieder auf gesunden Beinen. Genau wie der LAV als Ganzes. Für eine solche Sanierung müssen wir aber natürlich bei unseren Sponsoren anklopfen und Geld sammeln. 550’000 Franken kamen so von Unternehmen und Privaten zusammen. Das war aber noch vor dem Aufkommen des Coronavirus. In der momentanen Situation möchten wir niemandem um finanzielle Unterstützung bitten», sagt Caroline Egger.

Ich habe auf meinen Wanderungen wirklich aussergewöhnlich viele Leute in den Bergen getroffen, auch solche, die ich vorher jahrelang nicht mehr draussen getroffen habe.

Caroline Egger, LAV-Präsidentin

Die Stimme das LAV wird gehört
«Bezogen auf den Aufwand kommt hinzu, dass der LAV die Grösse der Sektion Feldkirch des Österreichischen Alpenvereins oder der Sektion Pizol des Schweizer Alpenclubs hat. Neben den Aufgaben einer Sektion übernehmen wir aber auch diejenigen eines nationalen Verbands, der dafür in anderen Ländern über festangestellte Mitarbeiter verfügt. Bei uns ist es ein Spagat zwischen Liebhaberei und Professionalität», sagt Hans Peter Walch. In allen internationalen Organisationen mitarbeiten kann der LAV daher nicht. «Dort, wo wir dabei sind, werden wir aber auch gehört und unsere Stimme hat durchaus Gewicht», sagt Caroline Egger. «Das entschädigt selbstverständlich wieder für den Aufwand.»

Offen gegenüber neuen Trends
Die Präsidentin ist Realistin und glaubt nicht, dass der Wanderhype des Frühjahrs 2020 wirklich lange anhält. «Einige neue Mitglieder durften wir aber bereits begrüssen, zum Teil ganze Familien. Das hat uns natürlich gefreut. Andere stiessen über den LAV zu den Gruppen wie den Dienstags-, Donnerstags- und Freitagswanderern.» Deren Aktivitäten mussten während des Shutdowns jedoch auch ruhen. «Inzwischen wissen wir, wie alle anderen auch, besser mit den Risiken umzugehen und die entsprechenden Schutzmassnahmen zu ergreifen», sagt Hans Peter Walch und verweist unter anderem auf die Maskenpflicht im vereinseigenen Bus.

«Der Ausbruch des Virus ereignete sich in Liechtenstein glücklicherweise im beginnenden Frühling. Im Winter hätte dieses Zurück-zur-Natur-Erlebnis mit seiner wohltuenden Verlangsamung des schnelllebigen Alltags sicher nicht so eingesetzt», sagt Caroline Egger. Sie betont aber auch, dass sich der LAV trotz aller Naturbegeisterung neuen Entwicklungen und Trends nicht verschliesst. Einer dieser Trends ist das Indoor-Klettern. «Selbst, wenn sich die Begeisterung der älteren Mitglieder in Grenzen hält, wollen wir den jüngeren beim Bau einer Kletterhalle nicht im Weg stehen. Eine Million Franken ist für den Verein aber viel Geld und bis eine neue Vorlage im Landtag behandelt wird, wird noch einiges an Zeit vergehen», sagt Hans Peter Walch. Das derzeit diskutierte Sportzentrum im Mühleholz steht ausserdem noch als Fragezeichen im Raum. «Es ergibt nicht viel Sinn, dass wir die Kletterhalle bauen und kurz darauf entsteht etwas Neues. Wir können aber auch nicht endlos zuwarten», sagt Caroline Egger.

«Die eine schönste Route gibt es nicht»
Bis dahin und natürlich auch darüber hinaus setzt der LAV aber weiterhin auf das klassische Wandern. Auf die Frage, welche Route ihn in Liechtenstein am meisten begeistert, kann Hans Peter Walch keine eindeutige Antwort geben: «Es gibt so viele schöne Orte und Wege in den Liechtensteiner Alpen, aber auch im Talgebiet. Matona oberhalb von Planken ist für mich ein Geheimtipp. Ein Blick vom Naafkopf auf das Wolkenmeer ist aber auch etwas Unvergleichliches. Oder im Winter eine Skitour auf den Schönberg und eine Abfahrt durch den Pulverschnee. Vollmondwanderungen haben ebenfalls einen ganz besonderen Reiz.» Caroline Egger pflichtet ihm bei. «Vieles ist wirklich saisonal bedingt.» Sie schränkt jedoch auch ein: «Die allerschönste Route ist und bleibt für mich der Fürstensteig. Ganz besonders der Fackelzug am Staatsfeiertag hat es mir angetan.»

In Sachen Wandern ist der LAV auch bereit, neue Wege zu gehen. Und dies mit Erfolg. In Zusammenarbeit mit Liechtenstein Marketing hat der Verein im Sommer die Feierabendwanderungen ins Leben gerufen. «Sie kamen wirklich toll an. Die Touren dauerten lediglich anderthalb bis zwei Stunden, sie wurden je nach Strecke ergänzt durch historische Informationen oder die Leiter vermittelten Wissen über die Flora, und es folgte immer ein gemütliches Beisammensein. Der Zuspruch war sehr gut und viele Teilnehmer haben die Möglichkeit genutzt, neue Leute kennenzulernen und Anschluss zu finden. Dieses Angebot werden wir sicher kommendes Jahr wieder auf dem Programm haben», sagt Caroline Egger. Und obwohl eine Befragung ergeben hat, dass die LAV-Mitglieder sehr zufrieden mit dem Verein sind und er ein gutes Image hat, verschliesst sich die Vereinsleitung auch notwendigen Modernisierungen nicht. «Wir haben den Vorstand neu zusammengesetzt, teilweise Ressorts aufgeteilt, wollen im Bereich Naturschutz auffälliger werden und allenfalls auch die Hauptversammlung einmal mit einem neuen Konzept durchführen. Aber immer im Geiste des altehrwürdigen Liechtensteiner Alpenvereins, wie er seit 111 Jahren besteht.»