Leserbrief von Herbert Elkuch, Komitee S-Bahn NEIN

S-Bahn auf der Strecke Feldkirch-Buchs durchs Liechtensteiner Unterland.

 

S-Bahn Träumerei: „Zum Volksblatt-Interview mit dem Bankenverband“ 

Der Bankenverband (LBV) gab im Volksblatt vom 22.8.2020 ein Interview zur S-Bahn. «Die S-Bahn stellt eine echte und wichtige Alternative zum Individualverkehr dar.» «Das ganze Land profitiert von der S-Bahn.» Schön formuliert, aber Fakt ist, die S-Bahn fährt quer über unser längliches Siedlungsgebiet und verbindet in Liechtenstein lediglich zwei Weiler mit einem Dorf.

Zitat LBV: «Dass sowohl die Mitarbeitenden als auch Gäste und Besucher grundsätzlich bereit sind, die Bahn zu nutzen, wenn das Angebot stimmt. Das ist z. B. von St. Gallen, aus dem Thurgau oder Bregenz viel weniger der Fall. Hier ist das Angebot einfach noch zu unattraktiv und der Zeitverlust im Vergleich zum Auto viel zu gross.»

Entgegnung: Unsere S-Bahn löst diese Probleme genauso wenig, auch dann nicht, wenn 175 Grundstücke für die ÖBB vorwiegend für den Doppelspurausbau in Schaanwald übergeben werden. Für Schweizer, ob sie in Bendern oder Vaduz arbeiten, ist eine S-Bahn in Nendeln und Schaanwald bedeutungslos.

Zitat LBV: «Wir sehen das tagtäglich; gerade in den Stosszeiten stauen sich die Autos an den Grenzübergängen und vor allem in Eschen, Schaan und Vaduz. Wir brauchen also die S-Bahn als Alternative. Wenn es uns gelingt, realistische 10 % oder mehr von der Strasse auf die Bahn zu bringen, dann rechnet sich die S-Bahn.»

Entgegnung: Das wäre eine S-Bahn-Fahrgast-Steigerung von über 1600%! Die Grenzen von Liechtenstein werden an Werktagen täglich von 104’000 Motorfahrzeugen überquert (Zählung Fa. Besch). 10% davon auf die Bahn bedeutet, dass über 10’000 Personen mit der S-Bahn die Grenze überqueren müssten. Gemäss ÖBB-Zählung im 2018 überquerten mit der S-Bahn bei 18 Fahrten in den Morgen- und Abendstunden nur 607 Personen pro Werktag die Grenze. Wichtig ist der erwähnte Beisatz im Zitat: «dann (bei 10%) rechnet sich die S-Bahn». Gemäss Bankenverband ist also eine Fahrgast-Steigerung von über 1600% notwendig, damit die S-Bahn sich rechnet. In den letzten 20 Jahren sind nur wenige auf die S-Bahn umgestiegen, die Nachfrage ist zu klein.

Einer der Interviewpartner: «Ja, ich komme meist von St. Gallen aus mit dem Auto zur Arbeit. Zwar könnte ich im Zug von St. Gallen nach Buchs arbeiten; allerdings dauert ein Weg von Tür zu Tür fast drei Mal so lange wie mit dem Auto.»

Danke für die ehrliche Antwort. Das trifft auch für andere Grenzgänger zu. S-Bahnzwang mindert die Attraktivität der Arbeitsplätze und deshalb S-Bahn NEIN.

 


 

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BANKENVERBAND GIBT VOLKSBLATT INTERVIEW ZUR S-BAHN

Hans-Werner Gassner: «Die Weichen für die Zukunft werden am 30. August gestellt» Interview Liechtenstein braucht die S-Bahn: Diesen Standpunkt vertreten Hans-Werner Gassner, Präsident des Liechtensteinischen Bankenverbandes, und dessen Geschäftsführer Simon Tribelhorn im Gespräch mit dem «Volksblatt». Ein Nein an der Urne würde auch für den Bankenplatz langfristige Folgen haben.

VON HOLGER FRANKE «Volksblatt»: Der Liechtensteinische Bankenverband (LBV) spricht sich für den Verpflichtungskredit für den Ausbau der S-Bahn in Höhe von 71,3 Mio. Franken aus. Das an sich ist kaum überraschend – welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht dafür und wie klar war die Entscheidung innerhalb Ihres Verbandes?

Hans-Werner Gassner: Mit der S-Bahn macht das Land einen ersten wichtigen Schritt zur Realisierung des Mobilitätskonzepts 2030 mit den Eckwerten Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, der grenzüberschreitenden Anbindung des öffentlichen Verkehrs und damit einer nachhaltigen Mobilität in Liechtenstein. Die S-Bahn stellt eine echte und wichtige Alternative zum Individualverkehr dar. Sie ist essenziell, um auf nachhaltige Art und Weise den heutigen und künftigen Pendlerverkehr auf der Strasse aufzufangen. Liechtenstein wird dadurch regional und international besser und vor allem auch umweltschonender erreichbar. Das ist zentral für den Wirtschaftsund Finanzplatz Liechtenstein, um auch künftig attraktive Arbeitsplätze für Mitarbeitende aus dem grenznahen Gebiet zu bieten. Das ganze Land profitiert von der S-Bahn. Sie ist ein wichtiger Baustein einer langfristigen Mobilitäts- und Raumplanung. Sie ist aber auch eine richtige Antwort für den Kampf gegen den Klimawandel. Mit der S-Bahn tun wir etwas für die jüngeren Generationen. Diese Argumente waren so überzeugend, dass der Vorstand sich einstimmig für die S-Bahn ausgesprochen hat. Die Weichen für die Zukunft werden am 30. August gestellt. Der Bankenverband und die Banken selbst sind international stark verflochten. Von Zürich nach Vaduz kommt man gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich wage aber zu bezweifeln, dass diese auch stark genutzt werden.

Wie glaubhaft ist Ihre Position somit, wenn Sie sich für eine S-Bahn starkmachen?

Simon Tribelhorn: Zürich-Vaduz ist die von den Mitarbeitenden am meisten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln genutzte Strecke. Das zeigt, dass sowohl die Mitarbeitenden als auch Gäste und Besucher grundsätzlich bereit sind, die Bahn zu nutzen, wenn das Angebot stimmt. Das ist z. B. von St. Gallen, aus dem Thurgau oder Bregenz viel weniger der Fall. Hier ist das Angebot einfach noch zu unattraktiv und der Zeitverlust im Vergleich zum Auto viel zu gross. Es stimmt aber, dass auch die Rennstrecke Zürich-Vaduz noch mehr benutzt werden könnte. Massgebend sind Faktoren wie Reisezeit, Fahrplan sowie Kosten. Für uns sind deshalb die Anbindung, die Taktfrequenz und allfällige Kostenvergünstigungen bzw. finanzielle Anreize ganz wichtige Stellhebel. Allem voran muss aber ein breiteres Angebot geschaffen werden und deshalb ist die S-Bahn so wichtig. Ebenso machen wir die Erfahrung, dass zu einem grossen Teil einfach auch aus Bequemlichkeit und Gewohnheit das Auto und nicht der öffentliche Verkehr genutzt wird. Es braucht also noch vermehrt ein Umdenken und vor allem auch die Bereitschaft, sich selbst anders zu organisieren. Die jüngere Generation ist hier weiter und tickt anders. Daran sollten wir uns ein Vorbild nehmen.

Bei der Debatte spielen die Pendlerströme eine wesentliche Rolle. Sie kennen sicher den Kritikpunkt, dass bezweifelt wird, dass tatsächlich Arbeitnehmer auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen würden, nur weil die S-Bahn nun ausgebaut werden soll. Was sagen Sie zu diesem Einwand der Kritiker?

Hans-Werner Gassner: In der Schweiz gab es ähnliche Stimmen bzw. Bedenken bei der Abstimmung zur Bahn 2000. Rückblickend haben sich die Bedenken als unbegründet herausgestellt. Die Bahn 2000 ist ein voller Erfolg und heute kann sich das niemand in der Schweiz mehr wegdenken. Ferner haben wir bereits heute fast 20 000 Pendler, die täglich aus der Schweiz, Österreich und auch Deutschland zur Arbeit nach Liechtenstein kommen. Wir sind auf diese Arbeitskräfte angewiesen. Wenn wir als Arbeitsmarkt auch weiterhin attraktiv bleiben wollen, dann werden wir auch in Zukunft auf die ausländischen Arbeitskräfte angewiesen sein – Tendenz steigend. Andererseits ist die Kapazitätsgrenze der Strasseninfrastruktur mehr als erreicht. Wir sehen das tagtäglich; gerade in den Stosszeiten stauen sich die Autos an den Grenzübergängen und vor allem in Eschen, Schaan und Vaduz. Wir brauchen also die S-Bahn als Alternative. Wenn es uns gelingt, realistische 10 Prozent oder mehr von der Strasse auf die Bahn zu bringen, dann rechnet sich die S-Bahn. Der Individualverkehr würde um mindestens 2000 Autos reduziert. Das wird man auf den Strassen merken. Hinzu kommt, dass unsere Nachbarländer in ihre Bahninfrastruktur investieren. Es ist jetzt also der richtige Zeitpunkt, das auch zu tun und so den Anschluss und die Anbindung nicht zu verlieren. Wir wollen keine Insel werden und müssen ein- und angebunden sein. Auch bei den Banken arbeiten viele Grenzgänger, die ja schon jetzt öffentliche Verkehrsmittel nutzen könnten. Können Sie beziffern, wie viele bereits jetzt mehr oder weniger täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen? Simon Tribelhorn: Nein, dazu haben wir keine Zahlen erhoben. Es sind aber sicher immer noch zu wenig. Diverse Banken, vor allem die grösseren, verfügen bereits seit Längerem über Mobilitätskonzepte und versuchen mit verschiedenen Anreizen, die Mitarbeitenden zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr zu bewegen. Es wird also schon einiges unternommen. Das ist aber ein Prozess, der auch eine Verhaltensänderung von jedem Einzelnen von uns erfordert.

Herr Tribelhorn, Sie selbst sind einer dieser Grenzgänger, kommen Sie mit Bus und Bahn zur Arbeit, bzw. was müsste passieren, dass Sie es täten?

Simon Tribelhorn: Ja, ich komme meist von St. Gallen aus mit dem Auto zur Arbeit. Zwar könnte ich im Zug von St. Gallen nach Buchs arbeiten; allerdings dauert ein Weg von Tür zu Tür fast drei Mal so lange wie mit dem Auto. Der grösste Zeitverlust ist nicht einmal die Dauer der Zugfahrt selbst, sondern das Umsteigen und das Warten auf den Anschluss. Ich bin mir das aber aktuell am Überlegen. Das Abo-Modul der SBB Green Class und die Möglichkeit, mein Zugabo sehr flexibel mit der Miete eines Elektroautos und Bikesharing zu kombinieren, ist eine tolle Option. Und ich könnte das so ideal noch mit etwas Sport verbinden.

Die eigentliche Frage wird also sein, wie man vor allem Pendler dazu bewegt, das Auto stehen zu lassen. Die Banken könnten ihren Grenzgängern beispielsweise Bus- bzw. BahnAbos zahlen. Wird so etwas auch gemacht? Das wäre ja vielleicht eine oft geforderte flankierende Massnahme.

Simon Tribelhorn: Die Mitarbeitenden werden bereits heute bei externen Terminen angehalten, wenn immer möglich umweltverträglichere Verkehrsmittel dem motorisierten Individualverkehr vorzuziehen. Um zwischen Standorten zu wechseln oder kleinere Distanzen zurückzulegen, stellen einige Banken übertragbare LIEmobil-Abos sowie Velos zur Verfügung. Für Mitarbeitende, die öfters geschäftlich mit der Bahn reisen, werden die Kosten für das Halbtax-Abo übernommen. Bei den Lernenden übernehmen die meisten Banken das Bus-Abo im Land. Sie haben aber absolut recht: dennoch haben die Banken ein Parkplatzproblem. Mit zunehmenden Pendlern und im Falle der Realisierung der S-Bahn müssen wir sicher weitere Überlegungen anstrengen. Dazu sind die Banken aber auch bereit. Dafür braucht es aber als nächsten Schritt die Realisierung der SBahn, da das Vorhandensein der Infrastruktur eine Grundvoraussetzung ist.

Wenn man die Leserbriefspalten der vergangenen Wochen sieht, scheinen die Meinungen zur S-Bahn gemacht zu sein. Wie überzeugen Sie jetzt kurz vor der Abstimmung jemanden, der gegen die Vorlage ist, doch noch ein Ja in die Urne zu werfen? Hans-Werner Gassner: Gewerbe, Industrie und Finanzdienstleistungen tragen insgesamt mehr als 70 Prozent zum BIP – also zum Wohlstand Liechtensteins – bei. Alle entsprechenden Wirtschaftsverbände haben sich klar für die S-Bahn ausgesprochen. Wenn also diejenigen, die grossmehrheitlich zum Wohlstand des Landes beitragen, in der S-Bahn ein klares Bedürfnis sehen, dann ist das schon ein starkes und überzeugendes Zeichen. Aber auch die Jungen gehören ganz klar zu den Befürwortern. Mit einem Nein sägen wir an unserem eigenen Wohlstand und unserer eigenen Zukunft.

Und was, wenn der Kredit abgelehnt würde? Der Finanzplatz funktioniert doch bislang ganz gut. Was wäre dann anders? Hans-Werner Gassner: Nach einem Nein würde sich heute und morgen nichts ändern. Mittel- und langfristig gesehen würden wir ohne die SBahn aber an Attraktivität verlieren und die internationale Anbindung schwächen. Wieso? Die Schweiz und Österreich investieren heute massiv in die Infrastruktur für den öffentlichen Regionalverkehr. Bei einem Nein fährt dieser Zug ohne Liechtenstein ab. Auf lange Sicht würden die Nachbarländer nach Lösungen unter Umfahrung von Liechtenstein suchen und auch finden. Spätestens dann würde aber auch der für uns sehr wichtige Bahnhof Sargans an Bedeutung verlieren. Die dann schlechteren Zugverbindungen von und nach Zürich würden die Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandortes und dessen internationale Anbindung massiv beeinträchtigen.