Emotionale Einbürgerungshürde steht zur Abstimmung

Seit Jahren hat sich die Freie Liste den Verzicht auf den Verzicht auf die Fahnen geschrieben, nämlich jenen auf die angestammte Staatsbürgerschaft im Falle einer Einbürgerung. Vereinfacht wird die Gesetzesänderung, die in drei Wochen zur Abstimmung kommt, oft als «doppelte Staatsbürgerschaft» bezeichnet. Dies ist einerseits richtig, andererseits aber auch zu kurz gegriffen, wie die Gegenposition von Rechtsanwalt Ralph Wanger deutlich macht.

Seit Jahren hat sich die Freie Liste den Verzicht auf den Verzicht auf die Fahnen geschrieben, nämlich jenen auf die angestammte Staatsbürgerschaft im Falle einer Einbürgerung. Vereinfacht wird die Gesetzesänderung, die in drei Wochen zur Abstimmung kommt, oft als «doppelte Staatsbürgerschaft» bezeichnet. Dies ist einerseits richtig, andererseits aber auch zu kurz gegriffen, wie die Gegenposition von Rechtsanwalt Ralph Wanger deutlich macht.

Im Dezember 1999 und im März 2000 befasste sich der Landtag mit der Gesetzesvorlage zur erleichterten Einbürgerung alteingesessener Ausländer. Bereits damals stand die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft zur Debatte. Vor der zweiten Lesung hielt die Regierung in ihrer Stellungnahme jedoch fest, dass am Verzicht auf die bisherige Staatsbürgerschaft festgehalten werden soll, «um der erleichterten Einbürgerung (…) im Rahmen einer Volksabstimmung zum Durchbruch zu verhelfen». Diese Abstimmung fand am 18. Juni 2000 statt und 15 Stimmen gaben am Ende landesweit den Ausschlag für das neue Gesetz. Offenbar lag die Regierung mit ihrer Vermutung damals also richtig. 20 Jahre später scheint der Landtag zu glauben, dass nun aber die Zeit gekommen ist zu sein, die doppelte Staatsbürgerschaft im Falle einer Einbürgerung aufgrund langjährigen Wohnsitzes, Eheschliessung oder Abstimmung zu ermöglichen. Zumindest für EWR-Bürger und Schweizer – vorausgesetzt natürlich, diese Staaten erlauben die doppelte Staatsbürgerschaft selbst. Damit soll eine emotionale Hürde fallen, die manche Einbürgerungswillige von diesem Schritt abhält, obwohl sie die anderen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.

«Verzichtserfordernis bedauerlich»
Den Stein erneut ins Rollen gebracht hat die Freie Liste mit einer Motion aus dem Jahr 2015. «Dazu bewogen haben uns im Wesentlichen zwei Dinge. Zum einen, dass es Personen mit Liechtensteiner Nationalität erlaubt ist, weitere Staatsbürgerschaften anzunehmen, ohne ihre angestammte zu verlieren. Personen hingegen, die in Liechtenstein eingebürgert werden, wird genau das verwehrt. Das ist ein Widerspruch. Zum anderen kommt es bei der Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten für politische Ämter immer wieder vor, dass bestens integrierte Personen, von denen man wie selbstverständlich davon ausgeht, dass sie die liechtensteinische Staatsbürgerschaft besitzen, diese eben nicht haben. Der Hinderungsgrund dafür – und somit für eine Kandidatur – ist das Verzichtserfordernis bei Einbürgerung. Das ist bedauerlich», sagt Thomas Lageder, damaliger Motionär und nach wie vor einer der Vertreter der Freien Liste im Landtag.

Er denke, dass die Zeit reif ist, die doppelte Staatsbürgerschaft zumindest für den EWR-Raum und die Schweiz zu erlauben. «Dies ist ein Kompromiss und um diesen zu erreichen, haben wir viel Herzblut investiert. Europa wächst je länger, desto mehr zusammen und Liechtenstein ist ein internationaler Werkplatz, der auf das Mitwirken von Menschen angewiesen ist. Es ist aus meiner Sicht folgerichtig, Personen unter den im internationalen Vergleich sehr restriktiven Einbürgerungsfristen partizipieren zu lassen. Es erwachsen uns nur Vorteile», sagt Thomas Lageder.

Vorstoss zu weiterer Liberalisierung noch offen
«Ich hoffe auf eine Annahme, das ist klar, und ich bitte das Stimmvolk, der Gesetzesänderung zuzustimmen», sagt Lageder. Ob die Freie Liste im Nachgang einer möglichen Zustimmung durch die Stimmberechtigten am Thema dranbleiben und daran arbeiten wird, die doppelte Staatsbürgerschaft unabhängig vom Herkunftsland zu ermöglichen, steht noch nicht fest. «Ich glaube, es ist wichtig, zuerst die Abstimmung abzuwarten und dann bei einem allfällig positiven Resultat die Sachlage nach einiger Zeit zu analysieren. Dann wird man sehen, ob es sich gelohnt hat, wovon ich aber überzeugt bin. Es wird sich daraufhin weisen, ob das Bedürfnis vorhanden ist, die doppelte Staatsbürgerschaft für weitere Nationen zu öffnen.»

«Umstrittener, als die Diskussion vermuten lässt»
Lange Zeit sah es nach der Bekanntgabe und anschliessend Verschiebung des Abstimmungstermins so aus, als formiere sich keine offizielle Opposition gegen die doppelte Staatsbürgerschaft bei Einbürgerungen. Am 6. Juni gab Rechtsanwalt Ralph Wanger dann aber bekannt, dass er die Gegenseite vertritt – ohne jedoch einen grossen Abstimmungskampf zu führen. Wanger ist seit vielen Jahren mit der Materie vertraut. Schon 1996 arbeitete er als Regierungsmitarbeiter an der Gleichberechtigungsrevision des Bürgerrechts mit und ein Jahr später promovierte mit einer Dissertation zum liechtensteinischen Landesbürgerrecht. Später publizierte er mehrere Schriften zu diesem Thema.

«Die gegenständliche Vorlage ist in der Bevölkerung weit umstrittener, als es die momentane Diskussion vermuten lässt. «Ausserdem gibt es auch Stimmberechtigte, die sich noch keine Meinung gebildet haben. Die Gegenposition soll dazu dienen, ein ausgewogenes Bild von der Vorlage zu erhalten, um basierend auf Pro- und Contra-Argumenten die richtige Entscheidung zu treffen», sagt Ralph Wanger zur Motivation hinter seinem Engagement.

Die Vorlage ist ein Kompromiss und um diesen zu erreichen, haben wir viel Herzblut investiert. Europa wächst je länger, desto mehr zusammen und Liechtenstein ist ein internationaler Werkplatz, der auf das Mitwirken von Menschen angewiesen ist.

Thomas Lageder, Landtagsabgeordneter (FL)

Eine Frage der Integrationsbereitschaft
«Die Aufgabe des Bürgerrechtsgesetzes ist es, Gewähr dafür zu bieten, dass der Bewerber in Liechtenstein integriert und assimiliert ist. Als wichtigster Garant für das Erreichen einer genügenden Integration gilt die Wohnsitzfrist. Einziges weiteres Instrument der Integrationsprüfung ist der Verzicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit. Ist der Einbürgerungskandidat bereit, auf seine bisherige Staatsangehörigkeit zu verzichten, so kann im Sinne einer Vermutung von einer genügenden Assimilation beziehungsweise Integration ausgegangen werden», sagt Ralph Wanger. «Geben wir diesen Beweis aber auf und schaffen keinen neuen, riskieren wir, dass aus echten Ausländern unechte Liechtensteiner werden.»

Auch könne es gerade für einen Kleinstaat ein Problem darstellen, wenn im Falle einer Krise Doppelstaatsbürger nicht zu ihrem Land stehen und helfen, die Krise zu meistern, sondern zurück in ihr Heimatland gehen, weil sie die ursprüngliche Staatsangehörigkeit noch besitzen. 

«Der falsche Zeitpunkt»
Zudem ist der jetzige Zeitpunkt für Ralph Wanger der falsche zur Abschaffung des Verzichts auf die angestammte Staatsbürgerschaft. «Momentan würde diese Gesetzesänderung vor allem den schweizerischen Staatsangehörigen dienen. Denn von den drei grössten Ausländergruppen in Liechtenstein – Schweizer, Österreicher und Deutsche, welche fast 70 Prozent aller Einbürgerungsberechtigten ausmachen – lässt nur die Schweiz zu, dass Mehrstaatigkeit entsteht. Österreichische und deutsche Staatsangehörige können von diesem Privileg keinen Gebrauch machen, da die jeweilige Gesetzgebung vorsieht, dass einem Deutschen oder Österreicher seine Staatsangehörigkeit automatisch entzogen wird, wenn er sich in einem anderen Land freiwillig einbürgern lässt.» Die Schweizer Staatsangehörigen andererseits hätten auch heute schon die Möglichkeit, Doppelstaatsangehörige zu werden. «Es ist bekanntermassen so, dass ein Schweizer Staatsangehöriger gegenüber Liechtenstein auf seine bisherige Staatsangehörigkeit verzichten kann, in der Folge dann mit einer Wiederaufnahme auch ohne Wohnsitznahme in der Schweiz die Schweizer Staatsangehörigkeit zurückerhält und damit also Doppelbürger wird.»

Diese und weitere Überlegungen, die Ralph Wanger auch in den Abstimmungsunterlagen ausführen wird, führen den Anwalt zum Fazit: «Es gibt also gute Gründe, um den Verzicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit bei Einbürgerungskandidaten zumindest derzeit noch beizubehalten.»


Die Aufgabe des Bürgerrechtsgesetzes ist es, Gewähr dafür zu bieten, dass der Bewerber in Liechtenstein integriert und assimiliert ist. Ist er bereit, auf seine bisherige Staatsangehörigkeit zu verzichten, kann von einer genügenden Assimilation beziehungsweise Integration ausgegangen werden.

Ralph Wanger, Rechtsanwalt

Öffentliche Befürworter zahlreicher
Das für Einbürgerungsangelegenheiten zuständige Ministerium für Inneres, Bildung und Umwelt verzichtete auf eine Stellungnahme zur Abstimmungsmaterie. Somit stehen sich die Positionen von Ralph Wanger und diejenige der Motionäre von der Freien Liste gegenüber, wobei die beiden Volksparteien VU und FBP eine Ja-Parole ausgegeben haben und Erbprinz Alois sich ebenfalls für die Gesetzesänderung ausspricht. Dennoch bleibt es spannend, ob das Ergebnis der Abstimmung wiederum so knapp ausfällt wie im Juni 2000.