Kann die das? Über Vorurteile und stereotype Rollenbilder

Bild: Die Mitglieder des Initiativkomitees HalbeHalbe: Martina Haas, Remo Looser, Walter Kranz, Corina Vogt-Beck, Jnes Rampone-Wanger, Roland Marxer (v.l.)

Grenzen im Kopf verhindern Entwicklung. Sie sind oft gelernt und von Vorurteilen geleitet. Auch eine Person, die sich als absolut integrativ und nicht-wertend sieht, hat Vorurteile. Diese Zuschreibungen wirken sich auf die ganze Gesellschaft aus. Umso wichtiger, dass wir diesen Grenzen auch auf einer anderen als der individuellen Ebene begegnen. Denn Vorurteile verhindern, dass wir die Gesellschaft sind, die wir sein wollen.

Alle haben Vorurteile. Doktor Müller ist eine junge Frau? Der Spanier ist gross und blond? Der Vater arbeitet Teilzeit? Man stutzt. Vorurteile sind primitiv (im Wortsinn), aber nützlich: Sie erleichtern uns das Denken. Sie können etwas besonders gut: Sie teilen die Flut an Informationen in der Welt in möglichst einfache Kategorien, in verdaubare Häppchen, ein. In alt und jung, männlich und weiblich, dick und dünn, fremd und bekannt. Dieses Programm läuft in unserem Kopf immer ab. Schon mit der kleinsten Information über einen Menschen suchen wir die passende Schublade.

Vorurteile sind in der Regel negativ. Sie werden in unserem Denken ohne unser Zutun und oft gegen unseren Willen aktiviert. Das Gute daran ist, wir können gegensteuern: Das beste Mittel gegen Vorurteile ist, sich deren bewusst zu werden – und zu handeln. Denn wenn Vorurteile vorherrschen, braucht es gesellschaftlich definierte Regeln, konkrete Massnahmen, Bewusstseinsarbeit.

Rollenstereotype sind ebenfalls eine Form dieser negativen Verallgemeinerungen. In Artikel 5 des „Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Art von Diskriminierung der Frau“ (CEDAW), dem  Liechtenstein angehört, verpflichten sich die Vertragsstaaten, alle geeigneten Massnahmen zu treffen, „um einen Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau zu bewirken, um so zur Beseitigung von Vorurteilen sowie von herkömmlichen und allen sonstigen auf der Vorstellung von der Unterlegenheit oder Überlegenheit des einen oder anderen Geschlechts oder der stereotypen Rollenverteilung von Mann und Frau beruhenden Praktiken zu gelangen“.

Die Initiative HalbeHalbe bezweckt unter anderem diesen Wandel. Der Verfassungszusatz „Die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in politischen Gremien wird gefördert“ soll den gesellschaftlichen Konsens ausdrücken, dass wir keine auf Vorurteilen und stereotypen Rollenverteilungen beruhende politische Vertretung wollen. Zudem bezeugen wir durch die Annahme der Initiative, dass uns aktive Partizipation von Frauen wichtig ist, damit ihre Perspektive gesehen und ihre Meinung gehört wird, und zwar nicht durch Stellvertreter übermittelt, sondern indem die Frauen selber am Tisch sitzen.

Die Verfassungsinitiative HalbeHalbe sichert eine langfristige Förderung einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter und führt somit dazu, dass wir unsere Gesellschaft im Bereich der politischen Partizipation aktiv gestalten können. Corina Vogt-Beck, Mitglied des Initiativkomitees HalbeHalbe