Überwachungstechnologie für Grenzüberwachung Liechtenstein-Österreich

In der März-Session des Landtages vom 4. Bis 6. März 2020 hatte Regierungsrätin Dominique Hasler u.a. auch eine Kleine Anfrage des Abg. Herbert Elkuch zum Thema Überwachungstechnologie für Grenzüberwachung Liechtenstein-Österreich.

Für Einreise in die EU muss man bald vier Finger scannen lassen. Eurosur ist das Zauberwort. Mit dem Messen biometrischer Daten wie Gesicht und Finger sollen die Aussengrenzen sicherer werden. In Österreich betroffen ist auch die Grenze zu Liechtenstein. Die elektronische Überwachung solle im ersten Halbjahr 2022 in Vollbetrieb gehen. Weiterer Bestandteil von Eurosur ist die Grenzüberwachung mittels Satelliten und Drohnen. Die zentrale europäische Datenbank soll neben Visadaten künftig auch biometrische Daten aller einreisender Nicht-EU-Bürger speichern. Soweit Zitate aus dem Pressespiegel. Ja, für die Feststellung, ob EU-Bürger oder nicht EU-Bürger, müssen wohl alle kontrolliert werden, welche die Grenze nach Österreich passieren.

Eurosur wurde von Frontex entwickelt. Frontex wird von Liechtenstein finanziell unterstützt. In den vergangenen Jahren sind die Befugnisse der Frontex-Beamten ausgeweitet worden. So seien seit 2016 Einsätze auch ohne Zustimmung der betroffenen EU-Regierungen möglich. Frontex sei jetzt eine Agentur, die von Schusswaffen Gebrauch machen könne. Die Frontex EU-Grenzschutzbehörde soll auf 10‘000 Beamte aufgestockt werden. Eine parlamentarische Kontrolle von Frontex soll de facto kaum stattfinden.

  1. Ich bitte die Regierung um genauere Information zu Grenzkontrollen im Zusammenhang mit Eurosur zwischen Liechtenstein und Österreich, angeblich ab 2022 mit Gesichtserkennung, vier Fingerabdrücke sowie Drohnen und Satelliten.

  2. Hat sich Liechtenstein in irgendwelcher Art durch eine Zusage und/oder finanziell, dann mit wie viel Franken, an Eurosur beteiligt?

  3. Mit wie viel Franken unterstützte Liechtenstein die Frontex bisher und wie viel fällt in Zukunft aus eingegangen Verpflichtungen noch an, inklusive den Kosten in Liechtenstein, wie Administration, Berichterstattung usw.?

  4. Trifft es zu, dass die Frontex auch ohne Zustimmung der betroffenen EU-Regierungen Einsätze machen kann? Bitte um Angabe ob das auch für den Einsatz von Schusswaffen gilt.

  5. Hat die Regierung eine Möglichkeit, die nötige Transparenz für Frontex und Eurosur zur parlamentarischen Kontrolle durch den Liechtensteinischen Landtag herzustellen?

 Antwort zu Frage 1:
EUROSUR ist ein seit 2013 eingesetztes System der Europäischen Union zur Überwachung und Kontrolle der Schengen-Aussengrenze und für eine verbesserte Kooperation der Grenzpolizeibehörden der Mitgliedsstaaten sowie von FRONTEX. Ziel von EUROSUR ist es, die illegale Einwanderung in die EU-Mitgliedsländer – vor allem auch auf dem Seeweg – zu verhindern. Zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und der grenzüberschreitenden Kriminalität können an den Aussengrenzen auch Drohnen und Satelliten verwendet werden. Gesichtserkennung und Fingerabdrücke sind hingegen nicht Teil des EUROSUR-Informationsaustausches.

Die entsprechende rechtliche Grundlage bildet die EUROSUR-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems EUROSUR), welche Liechtenstein im Dezember 2013 übernommen hat. EUROSUR hat an der liechtensteinisch-österreichischen Grenze keine nennenswerte Relevanz, da es sich um eine Schengenbinnengrenze handelt.

Die Europäische Union hat allerdings als Folge des starken Migrationsdrucks und verschiedener Terroranschläge in Europa die Erweiterung der Schengener Sicherheitssysteme (SIS, Dublin, VIS) mit biometrischen Identifikationsmerkmalen (Fingerabdruck, Gesichtserkennung) beschlossen. Ebenfalls sollen neue Systeme wie beispielsweise das Entry-Exit-System (EES) eingeführt werden, das ebenfalls biometrische Identifikationsmerkmale beinhaltet. Zudem sollen die verschiedenen Systeme über eine zentrale Applikation, das Europäische Suchportal ESP, vereinfacht abfragbar und untereinander vernetzt sein. Ziel dieser Neuerungen ist es, illegal oder unter falscher Identität in den Schengenraum einreisende Personen schneller identifizieren zu können und den Schengenraum so sicherer zu machen. Als Schengen assoziierter Staat hat Liechtenstein diese Massnahmen ebenfalls umzusetzen. Dem Landtag wurden bereits (EES, SISrecast sowie ETIAS) und werden noch (Stichwort: Interoperabilität) die entsprechenden Rechtsakte zur Beschlussfassung vorgelegt.

Zu Frage 2:
Liechtenstein ist als Schengen assoziierter Staat auch Mitglied der EU-Agentur Frontex und hat entsprechende Mitgliederbeiträge zu bezahlen (vgl. Frage 3). Spezielle Zahlungen für EUROSUR werden nicht geleistet.

Zu Frage 3:
In den letzten fünf Jahren haben sich die Aufwendungen für den Aussengrenzenschutz der EU als Folge des Migrationsdrucks und der Terroranschläge massiv erhöht. Entsprechend sind auch die jährlichen Beiträge Liechtensteins an Frontex in diesem Zeitraum von rund CHF 29’000.- auf CHF 116’000.- (2019) angestiegen.

Neben den Mitgliederbeiträgen fallen Reisekosten zum Management Board in Warschau an sowie Kosten im Zusammenhang mit der Finanzierung eines Grenzschutzexperten, für welchen eine Kofinanzierungsmöglichkeit besteht.

Zu Frage 4:
Nein, Frontex ist als EU-Agentur der Kommission unterstellt, die wiederum keine Operationen ohne die Zustimmung der souveränen Mitgliedstaaten durchführen kann. Frontex assistiert lediglich den Mitgliedstaaten und in Einzelfällen auch Drittstaaten (etwa Albanien).

Zu Frage 5:
Als Schengen-assoziierter Staat hat Liechtenstein jeweils bei der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands ein Mitspracherecht. Liechtenstein kann sich bei der Gestaltung dieser Entwicklungen beteiligen und zwar im Rahmen der Einsitznahme in die Expertengruppen oder im Rahmen von Treffen auf Botschafter- und Ministerstufe.

Liechtenstein sitzt als Observer im Frontex Verwaltungsrat und steht über seine Mission in Brüssel in engem Kontakt mit dem zuständigen Liaison-Büro in Brüssel.

Mit der Assoziierung an die Schengen/Dublin-Zusammenarbeit hat sich Liechtenstein grundsätzlich dazu verpflichtet, die Weiterentwicklungen des massgebenden Rechts innerhalb einer Frist von 18 Monaten und im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen zu übernehmen. Begründet der notifizierte Rechtsakt neue Rechte oder Pflichten, stellt der Notenaustausch einen völkerrechtlichen Vertrag dar, der von der Regierung oder dem Landtag zu genehmigen ist. In diesem Fall erfolgt der Notenaustausch unter Vorbehalt der parlamentarischen Genehmigung, die gegebenenfalls dem fakultativen Referendum untersteht.