Verein startet Zeitvorsorgemodell in Liechtenstein

Andere Menschen mit einfachen Dienstleistungen unterstützen und dafür Zeitgutschriften erhalten, die später bei Bedarf eingelöst werden können. Das ist die Idee hinter „Zeitpolster“. Ein neu gegründeter Vereinwill dieses System der „organisierten Nachbarschaftshilfe“ in Liechtenstein etablieren.

Angeschoben hat das Projekt die Stiftung Zukunft.li. Der in Ruggell ansässige Think-Tank kam in einem Fokuspapierzum Thema „Fachkräfte und Freiwillige – wer pflegt und betreut uns im Alter?“ zum Schluss, dass künftig aufgrund desdemografischen Wandels massiv mehr Fachkräfte und Freiwillige für die Betreuung und Pflege alter Menschen nötigsein werden. Um diese Lücke zu füllen, hat die Stiftung Zukunft.li die Gründung des Vereins Zeitvorsorge Liechtensteininitiiert und mit Gernot Jochum-Müller, dem Entwickler des Modelles „Zeitpolster“ in Österreich, einen idealen Kooperationspartner gefunden. Wie Thomas Lorenz, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft.li, an der Pressekonferenz am Freitag, 28. Februar 2020 im Löwen in Vaduz ausführte, kann das Liechtensteiner Pendantnicht nur auf die Erfahrung und das Wissen des Gründers zurückgreifen, sondern auch die IT-Plattform undWerbematerialien des österreichischen Partners nutzen. Ein weiterer Vorteil: Im Unterschied zu anderenZeitvorsorgesystemen ist das Modell „Zeitpolster“ selbsttragend und nicht auf Gelder der öffentlichen Handangewiesen.

Stiftung „Lebenswertes Liechtenstein“ als Partnerin an Bord
Um diese Selbstfinanzierung zu erreichen, braucht es entsprechend Aufbauarbeit, in welcher der Verein noch keineEinnahmen generiert. Diese Aufbauphase soll über private Sponsoren finanziert werden. Mit der ebenfalls neugegründeten Stiftung „Lebenswertes Liechtenstein“ konnte eine gewichtige Partnerin gefunden werden, die denVerein nicht nur finanziell unterstützt, sondern sich auch aktiv im Vorstand einbringt. Katja Rosenplänter-Marxer hatals Vertreterin der Stiftung bereits Einsitz im Vorstand genommen. Die insbesondere für die Aufbauphase nötige Geschäftsstelle wird von Judith Oehri in einem Teilzeitpensum geleitet. Sie wird zusammen mit dem Vorstand desVereins in den nächsten Monaten je eine Zeitpolstergruppe im Unterland und im Oberland aufbauen. Diese rund fünfköpfigen Gruppen werden künftig für das Suchen und Vernetzen von Helfenden und Hilfesuchendenverantwortlich sein. Der Verein rekrutiert derzeit Freiwillige, die sich für die Leitung und die Administration dieserGruppen zur Verfügung stellen.

So funktioniert das Modell Zeitpolster
Menschen, die anderen helfen wollen, können sich künftig bei der jeweiligen Zeitpolster-Gruppe im Unter- oder im Oberland melden. Die Zeitpolster-Gruppen versuchen dann Helfende mit Hilfesuchenden zu verbinden. Helfende oder Helfender kann generell jede interessierte und motivierte Person werden. Hierbei ist nicht entscheidend, obdiese bereits im Betreuungsbereich gearbeitet hat. Vielmehr sind die Erfahrungen mit Mitmenschen sowie die eigenenFähigkeiten von Bedeutung.

Für die erbrachten Dienstleistungen bekommen die Helfenden Zeitgutschriften, die von den Zeitpolstergruppenregistriert werden und die sie später bei eigener Bedürftigkeit einlösen können. Mögliche Tätigkeitsfelder sind:

  • Fahrdienste und Begleitung: Begleitung zu Arztterminen, auf den Friedhof oder zu Gottesdiensten, gemeinsames Einkaufen (oder die selbstständige Erledigung eines Einkaufs)
  • Administrative Hilfe: Unterstützung beim allgemeinen Brief- und Schriftverkehr, Hilfestellung beimAusfüllen von Formularen, Hilfe im Umgang mit PC und Handy
  • Hilfe bei der Hausarbeit: Bügeln, waschen, das Beziehen von Betten, Müllentsorgung, gemeinsamesKochen/Essen
  • Freizeitaktivitäten: Ausflüge in die Natur, gemeinsames Spielen, Vorlesen oder Kaffee trinken, Besuchkultureller Veranstaltungen
  • Handwerkliche Hilfe: Kleine Gartenarbeiten, Schneeschaufeln, kleinere Reparaturen im Haus, Austausch von Glühbirnen
  • Freiräume für pflegende Angehörige schaffen: Einen Nachmittag die Anwesenheit abdecken,einfach zuhören und regelmässige Besuche abstatten

Personen, die Hilfe brauchen, können sich ebenfalls bei den lokalen Zeitpolstergruppen melden. Das gilt auch für jene,die noch kein Zeitguthaben angespart haben. Für sie ist diese Dienstleistung jedoch nicht gratis, sondern sie bezahlenpro geleistete Arbeitsstunde 10 Franken. Mit diesem Geld werden einerseits die administrativen Kosten des Systems abgedeckt, andererseits wird ein Notfallkonto eingerichtet. Sollten später nicht genügend Helfende zurVerfügung stehen, um das eigene Zeitpolster einzulösen, kann auf dieses Notfallkonto zurückgegriffen werden.