Sammler aus Leidenschaft

Ein Blick in die umfassende Sammlung von Rechen- und Schreibmaschinen: Die ältesten Modelle sind mehr als 100 Jahre alt, die jüngsten Kugelkopf-Modelle von IBM zum Beispiel, stammen aus den 80er-Jahren. (Bilder Doris Büchel)

Anton Marxer, Sammler von antiken Büromaschinen

Der Liechtensteiner Unternehmer Anton «Toni» Marxer sammelt leidenschaftlich antike Büromaschinen. Einfach so, weil er sich gerne mit Schönem umgibt.

Der Liechtensteiner Anton «Toni» Marxer ist das Oberhaupt des Familienunternehmens Büro Marxer Büro-Systeme AG in Schaan, welches heute in dritter Generation von Josef «Joe» Marxer geführt wird. Er sei ein Spinner, wird Toni Marxer später mit einem Schmunzeln sagen. Eine Aussage, die sich weder auf seine Tätigkeit als erfolgreicher Unternehmer noch auf seine Rolle als Ehemann, Vater oder Grossvater bezieht, sondern vielmehr auf sein Hobby, seine Leidenschaft: Toni Marxer sammelt antike Büromaschinen aller Art. Darum geht es in dieser Geschichte.

Mehr als 500 Modelle besitzt er, manche davon in doppelter oder dreifacher Ausführung. Und es werden immer mehr. Eine Auswahl davon – mehrheitlich schwarze Modelle – dekoriert sein Büro in Schaan, wo er nach wie vor täglich anzutreffen ist. Die schwarzen Modelle möge er besonders, sagt er, was vielleicht damit zu tun hat, dass schon der Vater schwarze Schreibmaschinen verkaufte, «Vorkriegs-Modelle», wie es Toni Marxer nennt. Der Vater, Toni Marxer senior (1919 – 1966), war Gründer des Einzelunternehmens «Anton Marxer Schreib- und Nähmaschinen» in Schaan. Toni Marxer junior erinnert sich: «In der Schule war ich einfach der Sohn des Schreibmaschinen-Händlers. Trotzdem war ich im Maschinenschreiben keine Koryphäe. Kein Wunder: Kaum hatte ich mich als Bub an eine Schreibmaschine gewöhnt, wurde sie schon wieder verkauft.» 

Die «Bennett» – 1910 benannt nach Charles A. Bennett – ist die kleinste Schreibmaschine, die je produziert wurde.

Es war Mitte der 70er-Jahre, als ihm ein Bekannter nach dessen Pensionierung seine Schreibmaschine schenkte – eine Olivetti, schwarz. Wohl, weil er sich so darüber gefreut habe, habe man ihm fortan gerne alte Schreib- und Rechenmaschinen geschenkt. Irgendwann sei er zum Sammler geworden. «Einfach so», sagt er. Und dann beginnt er zu erzählen, davon, dass er nicht viel Ahnung vom Innenleben seiner Exponate habe. Er gehe bei diesem Hobby nicht wirklich in die Tiefe, kenne nicht von jeder Maschine die Geschichte im Detail, sondern umgebe sich einfach gerne mit schönen Dingen. Auch das Reparieren – «Flicken» – liege ihm nicht besonders. Im Gegenteil, er sei ein leidenschaftlicher Lösungs-Verkäufer. «Ich bin eine Krämerseele», sagt er und lacht. Krämerseele hin oder her – seine zahlreichen Rechen- und Schreibmaschinen haben für ihn rein ideellen Wert. Auch wenn er wohl schon tausende Franken dafür ausgegeben hat, verkaufen würde er keine davon. «Vorher behalte ich drei Maschinen desselben Modells.» Nicht, dass er aktiv nach Schreibmaschinen suchen würde. Respektive: nicht mehr. Aber wenn er ein schönes Stück entdecke, zu einem vernünftigen Preis, dann greife er gerne zu. Man kenne und schätze sich auch innerhalb der überschaubaren Szene. «Man besucht sich und tauscht sich aus.» Dass dabei zuweilen auch die eine oder andere Schreibmaschine den Besitzer wechselt, versteht sich von selbst. Aber nicht nur Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, unzählige Bücher und Magazine zeugen von Marxers Sammlerlust, sodern auch Kopierpressen, Diktiergeräte, Personal-Computer usw. Auch die Wände in seinem Büro sind vollgehängt mit Bildern, Plakaten und Werbeanzeigen, viele davon sorgfältig eingerahmt. Die meisten stammen von Olivetti, einem italienischen Unternehmen, welches mit dem hohen gestalterischen Niveau seiner Produkte grosse Beachtung erlangte. Eine Olivetti ist es auch, die Toni Marxer als sein Herzstück bezeichnet. Eine rote Olivetti Valentine genauer gesagt, die von 1969 bis 2000 hergestellt und bekannt wurde durch ihr unkonventionelles Design des italienischen Designers Ettore Sottsass und Perry A. King. Die rote Olivetti Valentine gilt als Meilenstein des Industriedesigns. Exemplare davon finden sich deshalb nicht nur in Toni Marxers Sammlung, sondern auch im Museum of Modern Art in New York. Er möge die Maschine, das Design sei sehr schön, sagt er. Wann ist Design schön? «Wenn das Produkt gut gemacht ist und funktioniert», folgt die Antwort ohne Zögern.

Weil Toni Marxer aber weder mit seinen Schreibmaschinen schreibt, noch die Zeit hat, diese zu reparieren (und regelmässig abzustauben), sammelt er die Maschinen, eine nach der anderen, erfreut sich daran und besucht seine aussergewöhnliche Sammlung, wann immer möglich: in seiner Lagerhalle beim Wohnhaus in Triesen, im Lagerraum seines Bürogebäudes an der Landstrasse in Schaan und in seinem Geschäftsdomizil. Manchmal träume er von einem «Büro im Wandel der Zeit», einer Art Museum, wo er seine Sammlung ausstellen und präsentieren könnte, sagt er. 

Auch seine Frau würde sich wohl darüber freuen, denn es werde etwas viel, mit all diesen Maschinen überall. Leider fehle ihm, dem umtriebigen Unternehmer, die Zeit, um seine Sammlung museumswürdig herzurichten. Denn so gerne er seine Schreib- und Rechenmaschinen um sich hat, sein dickstes Herzblut fliesst immer noch in sein Geschäft. Schade eigentlich.

Träumt von einem «Büro im Wandel der Zeit», einer Art Museum, wo er seine umfassende Sammlung alter Rechen- und Schreibmaschinen präsentieren könnte: der Liechtensteiner Unternehmer Anton Marxer.

Die Entfaltung der europäischen Schreibmaschinenindustrie begann nach der etwa 20 Jahre dauernden Entwicklungszeit der Schreibmaschine in Amerika und nachdem der hohe Leistungsgrad der amerikanischen Spitzenmodelle eine Massenverbreitung von Schreibmaschinen in der ganzen Welt eingeleitet hatte. Es waren besonders deutsche Unternehmen der feinmechanischen Branche – Fahrradwerke und Nähmaschinenfabriken–, die diesen neuen Zweig aufgegriffen hatten, in der Folge zu grosser Blüte brachten und den Grundstock für die Entwicklung der grossen deutschen Büromaschinenindustrie schufen.

In Liechtenstein war es Toni Marxer (1919 – 1966), der im Jahre 1941 die Gewerbebewilligung für den Handel mit Nähmaschinen, Schreibmaschinen und Landmaschinen erhielt. In seinem Haus in Schaan richtete er ein Fachgeschäft für Schreib- und Nähmaschinen samt Reparaturwerkstätte ein. Nach dem frühen Tod seines Vaters unterbrach Anton «Toni» Marxer jun. (1944) sein Betriebswirtschaftsstudium, um sich fortan um die Firma zu kümmern. Er gilt als Pionier, vertrieb er doch in den 1970er-Jahren die ersten elektronischen Speicherschreibmaschinen (Olivetti), Normalpapierkopierer und Commodere-Computer. Heute ist das Büro Marxer in Schaan führender Anbieter von Print-Copy-Lösungen in der Region.

Olivetti, Werbeanzeige, Inschrift eines Plakats im Büro von Anton Marxer
Die Geschichte unserer Zivilisation ist eine Geschichte der Wertmassstäbe für menschliches Schaffen, ist eine Geschichte der Qualität. Verlieren Wertvorstellungen an Bedeutung oder gehen sie ganz verloren, erlebt die Kultur einen Stillstand oder gar Rückschritt. In Zeiten umwälzender Neuerungen ist Qualität ein notweniger Bestandteil des Fortschritts. Sie ist die Kraft, die Visionen Realität werden lässt, die aus Ideen Greifbares formt, die Gedankenbildliches in Gegenständliches verwandelt. Im Zeitalter der Informationstechnik, der Raumfahrt, des Näherrückens von Ländern und Kontinenten ist Qualität mehr als eine Triebfeder für menschliche Leistung: Sie wird zur entscheidenden Daseinsvoraussetzung, zum Eckpfeiler der Zukunftssicherung, zur Überlebenschance. Vom Bewusstsein für Wertmassstäbe hängt das Schicksal unserer modernen Industriegesellschaft ab.

Die Reportage von Doris Büchel ist in Originallänge im Magazin «Terra Plana 03 / 2018» erschienen. Für die gekürzte Version zeichnet die Redaktion der «lie:zeit» verantwortlich.