Erbprinz in der lie-zeit: «Liechtenstein braucht ständige Verbesserungen»

Es gehört schon zur Tradition, dass die lie:zeit zum Jahresende und zum Staatsfeiertag mit unserem Landesfürsten und seinem Stellvertreter Erbprinz Alois ein Interview über das abgelaufene Jahr und die wichtigsten politischen Aufgaben der Zukunft führt. Für die vorliegende Weihnachtsausgabe nimmt S.D. Erbprinz Alois Stellung zu den wichtigen Fragen, die uns alle berühren.  

Interview: Herbert Oehri und Heribert Beck

S.D. Erbprinz Alois zum Jahresende im Gespräch mit der lie:zeit

So verweist er auf die Notwendigkeit ständiger Verbesserungen, um die Wettbewerbsfähigkeit Liechtensteins auch in Zukunft sicherzustellen. Das betreffe unser Bildungssystem, unsere liberale Marktordnung, unsere Infrastruktur, insbesondere auch die digitale und auch die Attraktivität unserer Umwelt. Lesen Sie nachfolgend das Gespräch, das wir mit S.D. dem Erbprinzen geführt haben:

Durchlaucht, das Jubiläumsjahr zum 300-jährigen Bestehen Liechtensteins neigt sich dem Ende zu. Wie haben Ihnen die Feierlichkeiten und Anlässe gefallen, und was bleibt für Sie von diesem Jubiläum?
S. D. Erbprinz Alois: Im Rahmen des Jubiläumsjahres gab es eine Vielzahl von Anlässen und Feierlichkeiten. Aus einer internationalen Perspektive war die Feier im Januar mit den Bundespräsidenten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz von besonderer Bedeutung. Gut gefallen haben mir die Initiative mit dem Jubiläumsweg inklusive dessen Eröffnungsveranstaltung und die Initiative «Mein Liechtenstein 2039», von der ich mir viele gute Ideen für die Zukunft unseres Landes erhoffe. Gefreut habe ich mich auch über die anlässlich des Jubiläums gegründete Stiftung Lebenswertes Liechtenstein, die bei der Verwirklichung der einen oder anderen guten Idee helfen könnte. 

Neben dem Jubiläum kam auch die Liechtensteiner Tagespolitik nicht zu kurz. Welches waren diesbezüglich für Sie die wichtigsten Themen des Jahres 2019?
Anlässlich der Landtagseröffnung habe ich eine konstruktive Zusammenarbeit innerhalb des Landtages und zwischen Regierung und Landtag als Voraussetzung für die Realisierung von gut durchdachten und gut kommunizierten Investitions- und Reformprojekten als besonderes Anliegen für das Jubiläumsjahr angesprochen. Dies war für mich entscheidend, damit es uns gelingt, mit wichtigen Investitions- und Reformprojekten die Zukunft zu gestalten.

Wie sind Sie mit der Umsetzung der genannten Themen zufrieden?
Ich habe den Eindruck, dass sich die Zusammenarbeit trotz der schwierigen Phase mit dem Misstrauensvotum gegen Regierungsrätin Dr. Aurelia Frick insgesamt verbessert hat. Daher konnte auch die Zustimmung für grosse Investitionsprojekte wie die Schulbauten, eine neue Landesbibliothek und ein neues Landesspital erreicht werden. Hingegen ist bei wichtigen Reformprojekten leider noch nicht sehr viel weitergegangen. Hier hoffe ich auf einen guten Endspurt im kommenden Jahr.

Weltweit betrachtet, hat die Klimadebatte das zu Ende gehende Jahr geprägt. Wie stehen Sie persönlich zu diesem Thema?
Meiner Ansicht nach ist es wichtig, dass wir uns nicht nur wirtschaftlich und sozial, sondern auch ökologisch nachhaltig entwickeln. Daher müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, wie diese Entwicklung im Hinblick auf das Klima und auch unsere Umwelt im Allgemeinen nachhaltig erfolgen kann.

Was kann und soll Liechtenstein Ihres Erachtens zum Klimaschutz beitragen? Die Rede war ja schon von der Ausrufung eines Klimanotstands oder – international gesehen – von der Einführung einer CO2-Steuer.
Liechtenstein sollte den Unternehmergeist und die Innovationskraft seiner Bevölkerung entfachen und nutzen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Ich verspreche mir davon langfristig viel mehr als von staatlich verordneten Massnahmen, die häufig in einer verunglückten Planwirtschaft enden.

Durchlaucht, in Ihrer Thronrede vom 17. Januar 2019 sprachen Sie ein Thema an, das uns alle angeht. Sie sagten in der Thronrede: «Spricht man mit der Bevölkerung Liechtensteins, so vernimmt man oft Klagen über Orientierungslosigkeit, Reformstau und fehlendes Vertrauen in die Politik. Man hört Zukunftsängste und die Befürchtung, dass wir zu einem Land der Nein-Sager geworden sind, dem die Gestaltung der Zukunft nicht gelingen will.» Hat sich das Ihrer Meinung nach gebessert?
Wenn ich mir die Zustimmung für die grossen Investitionsprojekte wie die Schulbauten, die neue Landesbibliothek und das neue Landesspital anschaue, dann ist bezüglich der Gestaltung der Zukunft inzwischen einiges gelungen. Investitions- und Reformprojekte müssen von der Politik gut vorbereitet und kommuniziert werden. Wenn die Bevölkerung dann gut versteht, warum eine Investition oder eine Reform notwendig ist, entsteht auch Vertrauen in die Politik.

Ich wünsche Liechtenstein, dass es 2020 gelingt, viele der guten Ideen, die im Rahmen des Jubiläumsjahres entstanden sind, weiterzuentwickeln und zum Teil auch schon umzusetzen.

S. D. Alois von und zu Liechtenstein

 

Politiker sprechen gerne von Megatrends. Ein solcher ist sicher die unaufhaltsam fortschreitende Digitalisierung. Liechtenstein hat darauf unter anderem mit einem Blockchain-Gesetz und mit der Anpassung des Lehrplans sowie dem Einsatz von Tablets und Notebooks in den Schulen reagiert. Wie beurteilen Sie diese Massnahmen?
Mit der Verabschiedung des Blockchain-Gesetzes konnten wir für einen bis jetzt noch unregulierten Bereich rasch Rechtssicherheit schaffen und dafür auch internationale Aufmerksamkeit sowie Anerkennung erreichen. Ob sich daraus auch ein grosses neues Geschäftsfeld für Liechtenstein eröffnen wird, lässt sich jedoch nur schwer beurteilen. 

Die Anpassung des Lehrplans war wichtig, damit wir weiterhin einen guten Anschluss an die weiterführenden Schulen und Universitäten in der Schweiz sicherstellen können. 

Den Einsatz von Tablets und Notebooks in den Schulen erachte ich zwar insgesamt für sinnvoll. Er sollte jedoch nur dort erfolgen, wo die Lehrkräfte zuvor für den Einsatz gut ausgebildet wurden und der Umgang damit für die Kinder tatsächlich auch einen Mehrwert bringt. Keinesfalls sollte dies zu Abhängigkeiten der Kinder von Computerspielen etc. führen.

Haben Sie noch weitere Vorschläge, wie Liechtenstein reagieren kann, um den Anschluss nicht zu verpassen oder sogar weitere Vorreiterrollen einzunehmen?
Um die Wettbewerbsfähigkeit Liechtensteins auch in Zukunft sicherzustellen, brauchen wir eine ständige Verbesserung unserer Rahmenbedingungen. Das betrifft unser Bildungssystem, unsere liberale Marktordnung, unsere Infrastruktur – insbesondere auch die digitale – und auch die Attraktivität unserer Umwelt.

Das kommende Jahr wird bereits unter dem Eindruck der Landtagswahlen 2021 stehen. Erfahrungsgemäss ist dies nicht die ergiebigste Zeit zum fruchtbaren politischen Gestalten. Was erhoffen Sie sich dennoch vom Jahr 2020?
Ich erhoffe mir, dass wir vor allem in den Bereichen Mobilität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nachhaltige Finanzierung der Sozialversicherungen und Regulierung des Treuhandsektors Fortschritte machen. Vielleicht können auch Vorarbeiten für die neue Legislaturperiode abgeschlossen werden, so dass man nicht bei null beginnen muss.

Was wünschen Sie Liechtenstein für das Jahr eins nach dem grossen Landesjubiläum?
Ich wünsche Liechtenstein, dass es 2020 gelingt, viele der guten Ideen, die im Rahmen des Jubiläumsjahres entstanden sind, weiterzuentwickeln und zum Teil auch schon umzusetzen.