Nächtliche Flugkünstler

Dracula hin oder her: Fledermäuse flattern bei uns nicht als Blutsauger, sondern nur als harmlose Insektenfresser durch die Lüfte. Und sie haben sogar eine ausgesprochen fürsorgliche Seite.

Warum die Fledermaus als Pate für blutsaugende Monster und Gruselgeschichten herhalten musste, erklärt sich aus der Vergangenheit: Ende des 19. Jahrhundert war die Tollwut noch in weiten Teilen Europas ein Problem. Fledermäuse kamen und kommen – wie andere Säugetiere auch – als Überträger in Frage. Dazu scheint noch die nächtliche Lebensweise gepaart mit dem unheimlichen Aussehen die menschliche Fantasie angeregt zu haben. Ausserdem konnte man sich lange Zeit nicht erklären, wie sich die Tiere in totaler Finsternis so gut zurechtfinden.

Wenn die Nacht zum Tag wird
Warum Fledermäuse die Nacht zum Tag machen, hat eindeutig mehr pragmatische denn gruselige Gründe. In der Dunkelheit müssen sie sich weder mit Nahrungskonkurrenten wie etwa Schwalben um schmackhafte Insektenschwärme streiten noch vor gefährlichen Vögeln fürchten: pfeilschnellen Räubern wie Falken oder Sperbern, die nur bei Tageslicht auf Beutejagd gehen. Den behäbigeren Nachtgreifvögeln wie etwa dem Uhu fallen die extrem wendigen Fledermäuse nur selten zum Opfer. Und anders als bei den gefiederten Vögeln, würden auch die feinen, nicht isolierten Flügel unter praller Sonne überhitzen und Schaden nehmen.

Die Mausohren
Und was man früher auch nicht wusste: Fledermäuse – wie etwa die in Liechtenstein vorkommenden Grossen und Kleinen Mausohren – orientieren sich mittels Ultraschall. Durch Mund oder Nase stossen Fledermäuse für Menschen nicht hörbare Laute aus, die von Hindernissen oder Beutetieren abprallen und als Echo von den Tieren wieder empfangen werden. Fledermäuse wie die Mausohren tragen dazu regelrechte Schalltrichter auf dem Kopf. Die empfangenen Signale lassen die feinsinnigen Tiere dann in Sekundenbruchteilen entscheiden: ausweichen oder zupacken. Als Beute kommen für alle heimischen Fledermäuse ausschliesslich Insekten und Spinnen in Frage. In Blutrausch verfallen weltweit von über 1200 Arten nur drei, die in Mittel- und Südamerika beheimatet sind.

Im Frühsommer wird manch altehrwürdiges Gebäude zur Kinderstube: Scharen von Fledermaus-Weibchen versammeln sich dann auf Dachböden von Schlössern oder Kirchen, um dort den Nachwuchs zur Welt zu bringen. Die Vorliebe für alte Gemäuer ist bei den flatterhaften Damen nicht zufällig, bieten doch gerade diese neben ausreichend Platz vor allem etwas, was die nachtaktiven Säugetiere tagsüber besonders schätzen: ungestörte Ruhe. Wie reife Trauben hängen die werdenden Mütter eng an eng an Dachziegeln und Holzbalken, um in dieser geschützten und körperwarmen Atmosphäre zu gebären und die Jungen aufzuziehen. Meist nur ein Fledermaus-Baby pro Weibchen und Jahr.

Das erstaunliche Alter
Erstaunlich ist bei Fledermäusen auch das Alter, das sie erreichen können: Einzelne Tiere werden 30 Jahre und älter. Aufgrund der kräftezehrenden Jungenaufzucht haben Weibchen gegenüber Männchen auch die geringere Lebenserwartung. Schliesslich führen die Herren der Schöpfung den Sommer über im Gegensatz zu den aufopfernden Muttertieren ein recht unbeschwertes Leben. Erst zum Herbst hin beginnen auch für sie stressigere Zeiten: Die Paarungszeit steht an und für zwei bis drei Monate schiesst ihnen das Testosteron massiv in die Adern.

Nach dem Liebesreigen speichern die Weibchen die Spermien im Körper und nehmen diese in den Winterschlaf mit. Die eigentliche Befruchtung der Eizellen erfolgt erst im Frühjahr. In der kalten Jahreszeit geht es für die zarten Tiere vor allem darum, Energie zu sparen und sich ein geeignetes Quartier zu suchen. Je nach Art und Lebensraum reicht die Bandbreite dafür von einer einfachen Baumhöhle bis zur frostsicheren Höhle. Fledermäuse verlieren während des Winterschlafes bis zu 30 Prozent ihres Körpergewichtes. Daher müssen sich die Nachtschwärmer im Herbst noch ordentlich Fettreserven anfuttern.