Solidarität im Gesundheitswesen?

Jede erwachsene Person bezahlt im Monat rund 310 Franken (ca. 4’300 Franken pro Jahr) an Grundprämie für die Krankenversicherung. Rund 20 Prozent der Versicherten bezogen im Jahr 2018 keine Leistung. Hingegen „verursachten“ 61 Schwerkranke Kosten in Höhe von 8 Mio. Franken. Das System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist also stark auf Solidarität zwischen den Gesunden und den Kranken ausgerichtet. Das ist richtig und gut so.

Fraglich ist hingegen, ob die Solidarität zwischen denjenigen mit wenig Geld und denjenigen mit viel Geld auch spielt. Das muss eher verneint werden. Denn das unsolidarische Prinzip der Kopfprämien, jede und jeder bezahlt den gleichen Betrag für die Grundprämie, ist eben so ausgestaltet, dass sich Einkommensmillionäre und einfache Angestellte mit dem genau gleichen Betrag an den Gesundheitskosten beteiligen müssen. Es besteht also grundsätzlich keine Solidarität in Bezug auf die Finanzkraft eines Versicherten oder einer Versicherten. Die Solidarität zwischen Arm und Reich ist sogar eher auf den Kopf gestellt.

Als ausgleichende Komponente gibt es immerhin die Prämienverbilligung, die bei den unteren Erwerbsklassen auf die finanzielle Tragfähigkeit abstellt, jede Person kann die entsprechende Erwerbsgrenze in der eigenen Steuererklärung eruieren. Groteskerweise wird bei den hohen Erwerbsklassen nicht auf den Erwerb geachtet. Hier würden erwerbsabhängige Krankenkassenprämien, wie im Rest Europas mit Ausnahme der Schweiz und Liechtenstein, Abhilfe schaffen.

Bei den heutigen Erwerbsgrenzen von 57’000 Franken pro Jahr für Paare und 45’000 Franken pro Jahr für Einzelpersonen hätten total 7’052 Personen Anspruch auf Prämienverbilligung. Von diesem Recht machten 2018 aber nur gerade 2’667 Personen, oder knapp 38 Prozent, Gebrauch. Das ist höchst aufschlussreich: ganz offensichtlich ist die Bevölkerung zu wenig über ihre im Gesetz festgelegten Ansprüche informiert. Die Regierung findet das toll, denn so lasse sich Geld sparen.

Von einer „automatischen Auszahlung“ von Sozialleistungen an die Anspruchsberechtigten hält die Regierung nichts. Es wäre immerhin ein Gebot der Fairness, würden die Anspruchsberechtigten z.B. einmal jährlich mit dem Aufruf zur Steuererklärung darauf hingewiesen, dass sie unter den erwähnten Erwerbsgrenzen liegen und deshalb Anspruch auf Prämienverbilligung hätten. Zum einen, weil die Prämienverbilligung auf den steuerlich deklarierten Erwerb des Vorjahres abstellt und zum anderen, weil die Daten ohnehin vorliegen. Dieser offizielle und transparente Hinweis würde einerseits das Stigma der sozialen Abhängigkeit abschwächen und zum anderen die Selbstverantwortung, einen Antrag zu stellen, betonen.

Es kann doch nicht sein, dass man mit der Prämienverbilligung ein Instrument zur Abfederung der Kostenlast in der obligatorischen Krankenversicherung hat und dann von Staatsseite den Kopf in den Sand steckt und hofft, dass möglichst wenige davon erfahren und auch davon Gebrauch machen. Der heutige Umgang mit dem Instrument der Prämienverbilligung ist geradezu absurd.

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