Stärkung der Familien- und Erziehungsarbeit

Die VU-Fraktion reicht Motion zur Familienpolitik ein 

Gestützt auf Artikel 42 der Geschäftsordnung des Landtages vom 19. Dezember 2012, Landesgesetzblatt 2013 Nr. 9, reichen die unterzeichneten Abgeordneten: Günter Vogt, Gunilla Marxer-Kranz, Violanda Lanter, Christoph Wenaweser, Frank Konrad, Thomas Vogt, Mario Wohlwend und Manfred Kaufmann nachstehende Motion ein und stellen den Antrag, der Landtag wolle beschliessen:

Die Regierung wird beauftragt, dem Landtag ein Gesetz zur Beschlussfassung vorzulegen, das im Rahmen einer eigenständigen Lösung unabhängig der beruflichen Vorsorge, womöglich in Anlehnung an die Erziehungsgutschriften im Sinne des AHVG, Lücken in der Alters- und Risikovorsorge schliesst, die nachweislich durch das Erbringen von unbezahlter Familien- und Erziehungsarbeit entstanden sind.

Begründung

Die Fraktion der Vaterländischen Union hat am 8. November 2017 ein Postulat eingereicht, das die Regierung eingeladen hat zu prüfen, welche Möglichkeiten es für nicht oder geringfügig erwerbstätige Elternteile gibt, um im Sinne einer der Pensionskasse ähnlichen Lösung gegen die wirtschaftlichen Folgen der Invalidität, der Todes und des Alters versichert zu sein. Insbesondere sollte geprüft werden, ob solche Lösungen umgesetzt und finanziert werden können für all jene Elternteile und jenen Zeitraum, in welchem Anspruch auf AHV-Erziehungsgutschriften entstehen und sie entweder ohne versicherungspflichtiges jährliches Erwerbseinkommen sind oder alternativ hierzu ihr versicherungspflichtiges jährliches Einkommen die maximale Höhe einer zweifachen vollen AHV-Jahresrente (derzeit CHF 55‘680) nicht überschreitet. Zudem wurde postuliert, dass eine Obergrenze des gemeinsam steuerpflichtigen Haushaltseinkommen zu prüfen, und ein Sozialleistungsexport zu vermeiden sei. Am 28. Februar 2018 hat der Landtag das Postulat einstimmig mit 25 Stimmen an die Regierung überwiesen. Eingebettet in andere familienpolitische Vorstösse sollte ein weiteres Puzzleteil für eine aktive Familienförderung geprüft werden.

Die regierungsrätliche Postulatsbeantwortung Nr. 92/2018 konnte am 8. November 2018, also exakt ein Jahr nach der Einreichung des Postulats, durch den Landtag in Behandlung gezogen werden. Die Regierung prüfte insbesondere, inwieweit das Anliegen der Postulanten mit dem gegenwärtigen System der betrieblichen Vorsorge kompatibel ist und welche Anpassungen nötig wären. Die unvollständige Datenlage wurde durch Annahmen und Modellberechnungen ergänzt, damit die Kosten bei einer Umsetzung abgeschätzt werden konnten. Zusammengefasst zog die Regierung den Schluss, dass die Idee einer pensionskassenähnlichen Lösung betreffend Alters- und Risikovorsorge für nicht oder geringfügig erwerbstätige Elternteile grundsätzlich durchführbar wäre, jedoch grundlegende Änderungen und Ergänzungen an der bestehenden Ausgestaltung der betrieblichen Vorsorge bedingen würde, da der Grundsatz der „bezahlten Arbeit“ der betrieblichen Vorsorge fehlt und somit mit dem bewährten System der betrieblichen Vorsorge nicht kompatibel wäre. Aus Sicht der Regierung ist aufgrund der in der Postulatsbeantwortung aufgezeigten Zielkonflikte fraglich, ob die betriebliche Vorsorge angemessen und geeignet ist, um die Vorsorge- und Risikolücken zu schliessen. In den Voten der Abgeordneten wurde insbesondere die einseitige Fokussierung des Lösungsansatzes auf die Systematik der 2. Säule nach dem Gesetz über die betriebliche Vorsorge (BPVG) vom 20. Oktober 1987, LGBl. 1988 Nr. 12 kritisiert. Die Postulanten vermissten einen integralen Ansatz unter Einbezug der gesellschafts- und sozialpolitischen Tragweite. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass das Anliegen der Postulanten durchwegs anerkannt und auch von der Regierung nicht in Abrede gestellt wurde. Neben dem Ansatz im Postulat, die Anspruchsberechtigung an den Anspruch auf AHV-Erziehungsgutschriften zu knüpfen, wurden insbesondere organisatorische Massnahmen zur Umsetzung eines eigenständigen rechtlichen Rentenanspruchs des betreuenden Ehegatten angeregt

Ohne an dieser Stelle weiter auf die Postulatsbeantwortung einzugehen kann festgestellt werden, dass die Regierung auf den Seiten 22ff die Problematik grundsätzlich anerkannt und die vorhandene Vorsorge- und Versicherungslücke bestätigt hat. Die Vorsorgesituation bei der 2. Säule weist bei Nicht- oder Teilerwerbstätigkeit infolge Kinderbetreuung sowohl im Todesfall als auch im Falle von Invalidität empfindliche Lücken für die Familie auf. Diese werden durch die Leistungen aus der AHV/IV nur ungenügend abgesichert. Was die Altersvorsorge anbelangt, so weisen die AHV-IV-FAK-Anstalten in ihrem Geschäftsbericht 2017, Seite 47 auch darauf hin, dass insbesondere Personen ohne eigene zweite Säule einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt sind. In der Interpellationsbeantwortung der Regierung zur finanziellen Situation im Rentenalter Nr. 20/2019, Seiten 39f wird ausdrücklich darauf Bezug genommen.

Die Vorsorge- und Risikolücken könnten in Anlehnung an die Erziehungsgutschriften gemäss AHVG geschlossen werden, indem für dieselben anspruchsberechtigten Personen eine weitergehendere Leistung geschaffen wird, für jene Zeit, in der die Erwerbsarbeit zugunsten der Erziehungsaufgabe teilweise oder vollständig aufgegeben wird. Diese zusätzliche Leistung würde zusätzlich zum allfälligen Maximum der AHV-Rente ausgerichtet. Sofern eine enge Anlehnung an das System der Erziehungsgutschriften nicht durchführbar wäre, ist eine gesetzliche Grundlage im Rahmen einer eigenständigen Lösung unabhängig der betrieblichen Vorsorge und im Sinn und Geiste einer Sozialleistung vorzulegen. Bei den Vorschlägen ist jeweils zu berücksichtigen, dass Erwerbsarbeit nicht „bestraft“ werden darf und nach wie vor attraktiv bleibt und nach Möglichkeit anzustreben ist. Aus wirtschaftlicher Sicht werden diese Arbeitnehmenden im Arbeitsmarkt Liechtenstein benötigt. Dies trägt auch dazu bei, dass das bestehende Sozialsystem mit entsprechenden Beitragseinnahmen weiter aufrechterhalten bleibt.

Für die Motionäre ist offensichtlich, dass ihr Anliegen berechtigt ist und Personen, die unbezahlte Familien- und Erziehungsarbeit leisten, über eine eigenständige und angemessene Existenzsicherung im Alter und einen ausreichenden Versicherungsschutz bei Todesfall und Invalidität verfügen müssen. Für die ausführliche Begründung kann auf die Argumentation im Postulat vom 8. November 2017 zur Alters- und Risikovorsorge für nicht oder geringfügig erwerbstätige Elternteile verwiesen werden. Die Gleichwertigkeit der Familienmodelle und die Wahlfreiheit der Eltern zwischen den verschiedenen Formen der Kinderbetreuung dürfen nicht nur Lippenbekenntnis bleiben. Die Motion ist jedoch bewusst offen formuliert. Der Regierung wird die Stossrichtung im Sinne einer Zielsetzung vorgegeben, es werden ihr aber keine weiteren Vorgaben zur Umsetzung  gemacht. Um das Ziel der Motion zu erreichen, soll die Regierung frei sein in ihrer Lösungsfindung und Gestaltungsfreiheit.

Vaduz, 24. April 2019