Prävention bei Sexualdelikten in Liechtenstein – zwölf Fälle seit 2011

Regierungsrätin Aurelia Frick hatte in der Landtagssitzung vom 27./28.Februar, 1. März 2019 einige Kleine Anfragen zu beantworten. 

 

Zu einer Kleinen Anfrage der VU-Abg. Violanda
Lanter an Regierungsrätin Aurelia Frick

 

In der Landtagssitzung vom 27./28.Februar 2019 stellte die VU-Abg. Violanda Lanter eine Kleine Anfrage an Regierungsrätin Aurelia Frick bezüglich der präventiven Massnahmen bei Sexualdelikten.

Frage:

Die aktuelle Revision des Strafgesetzbuches will unter anderem das Strafmass bei einigen Sexualdelikten erhöhen. Beim § 208 StGB „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen“ soll dies gemäss Regierungsvorlage zur 2. Lesung nicht geschehen, weshalb der Abg. Manfred Kaufmann einen Abänderungsantrag eingereicht hat. Dieser Paragraph wurde mit der Strafgesetzbuchrevision per 1. Juni 2011 erlassen. Die damalige Reform legte aber den Fokus nicht nur auf die Repression einer Straftat, sondern insbesondere auch auf die Prävention. So wurde ein Paket von Massnahmen eingeführt, die eine intensivere Kontrolle von bereits verurteilten Sexualdelinquenten sicherstellen soll. Dazu gehören die Bewährungsaufsicht, die Weisungserteilung bei bedingter Entlassung oder auch die Verhängung eines Tätigkeitsverbotes. Im Interview mit dem Liechtensteiner Vaterland von gestern 26. Februar 2019 äussert sich der Psychotherapeut Walter Kranz speziell auch zur Täterprävention, die stattfinden sollte, bevor überhaupt eine Sexualstraftat begangen wird.

  1. Wie schätzt die Regierung die Wirksamkeit und den Erfolg der Präventionsmassnahmen im Bereich der Sexualdelikte generell ein? Erfolgt eine Evaluation von verhängten vorbeugenden Massnahmen und falls nein, warum nicht?
  2. Wie viele und welche vorbeugenden Massnahmen über verurteilte Sexualstraftäter wurden seit dem 1. Juni 2011 verhängt und wie viele dieser Straftäter wurden seither trotzdem wieder straffällig?
  3. Wie kann mit der Täterprävention bereits vor der Begehung eines Sexualdeliktes angesetzt werden und welche Massnahmen gibt es allenfalls bereits heute?
  4. Welche zusätzlichen vorbeugenden Massnahmen könnte sich die Regierung vorstellen und was ist dabei die Rolle des Staates?
  5. Was tut die Regierung als Arbeitgeberin, damit sexuelle Übergriffe in der Landesverwaltung verhindert werden und eine geeignete Sensibilisierung für das Thema stattfindet?

Antwort:

Zu Frage 1:

Im Jahr 2011 wurde eine Reihe von präventiven und begleitenden Massnahmen in das Strafgesetzbuch eingeführt, die sich nach Ansicht des Landgerichts und der Staatsanwaltschaft grundsätzlich bewährt haben, wie z.B. Verlängerung der Probezeit bei bedingter Entlassung; Möglichkeit, gerichtliche Weisungen zu erteilen; verpflichtend angeordnete Bewährungshilfe; gerichtliche Aufsicht bei bedingter Entlassung oder Tätigkeitsverbot für Sexualstraftäter.

Eine Evaluation der genannten Massnahmen ist aufgrund der geringen Fallzahlen kaum möglich. Um eine Bewertung vornehmen zu können, muss eine entsprechende Messgrösse vorliegen.

Zu Frage 2:

Seit Inkrafttreten der Sexualstrafrechtsreform im Jahr 2011 sind vom Landgericht zwölf Verfahren wegen Delikten nach dem 10. Abschnitt des Strafgesetzbuches geführt worden, in denen der Täter verurteilt oder das Verfahren mittels Diversion erledigt worden ist.

Die Erledigung der zwölf Verfahren zeigt folgendes Bild:

  • In zwei Fällen wurden vorbeugende Massnahmen angeordnet. Dabei handelte es sich um Weisungen, die schon begonnene Psychotherapie fortzusetzen.
  • Zwei Fälle wurden diversionell erledigt.
  • In einem Verfahren wurden die verhängten Freiheitsstrafen zur Gänze bedingt nachgesehen.
  • In zwei Verfahren wurden teilbedingte Freiheitsstrafen verhängt.
  • Ein Verfahren wurde mit der Verurteilung zu einer teilbedingten Geldstrafe erledigt.
  • Ein Verfahren endete mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe und einer bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe.
  • In einem Verfahren gab es eine Verurteilung zu einer bedingten Geldstrafe.
  • Zwei Verfahren endeten mit mehrjährigen unbedingten Freiheitsstrafen, in denen der Vollzug der Freiheitsstrafe im Ausland erfolgt, wo auch die Therapie- und Täterarbeit geleistet wird.

Aus den dem Landgericht vorliegenden Daten ergibt sich, dass kein Rückfall eines bereits verurteilten Täters bekannt ist.

Zu Frage 3:

In Liechtenstein gibt es ein breites Spektrum unterschiedlichster Präventionsmassnahmen und -kampagnen, die von den zuständigen Institutionen angeboten werden. Sie haben das Ziel, sexuellen Übergriffen bereits sehr früh mit präventiven Mitteln zu begegnen. Insbesondere die Gemeinden, die Schulen, das Amt für Soziale Dienste, die Landespolizei und die Fachgruppe gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen betreuen Präventionskampagnen und organisieren in diesem Zusammenhang teilweise auch Weiterbildungsveranstaltungen für einen breiten Kreis von Fachpersonen.

Die Bewährungshilfe versucht ebenfalls im Rahmen ihrer Tätigkeit die Straffälligkeit zu minimeren. Dabei wird verstärkt auf die Zusammenarbeit mit ausgebildeten Psychotherapeuten gesetzt. Aus Sicht der Bewährungshilfe ist das Phänomen „Sexualdelinquenz“ kaum existent. In den Jahren 2011 und 2013 gab es eine gerichtliche Anordnung zur Bewährungshilfe bei einem Sexualdelikt, 2014 waren es zwei und von 2015 bis 2018 erfolgte keine solche Zuweisung.

Zu Frage 4:

Die Rolle des Staates ist es, dort lenkend einzugreifen, wo allenfalls Bedarf für weitere Massnahmen festgestellt wird. Die geringen Fallzahlen in Liechtenstein deuten aktuell nicht auf den Bedarf nach weiteren Massnahmen hin, die über die bereits bestehenden Präventionsmassnahmen und -kampagnen hinaus gehen.

Zu Frage 5:

Die Regierung hat im Jahr 2012 die Reglemente zum Schutz vor sexueller Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz verabschiedet und in der Folge sämtliche Führungskräfte geschult. Im Zuge der Genehmigung der Reglemente wurden entsprechende Anlaufstellen definiert, an welche sich betroffene Personen vertraulich wenden können. Die Informationen sind im Intranet für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugänglich.