Archäologische Notgrabung im Friedhof Schaan

Foto 1: Die dichte Belegung der Gräber des jüngsten Bestattungshorizontes stört die älteren Kirchenbauten. Deren Fundamentgräben sind im Hintergrund und unter dem rechten Grab sichtbar. Quelle: IKR

 

Anthropologische Untersuchung der menschlichen Gebeine folgt noch

 

Vaduz – Seit Ende März führt das Team der Abteilung Archäologie, Amt für Kultur, auf dem Friedhof in Schaan eine Notgrabung durch. Diese wurde durch die Sanierung der Friedhofsmauer, durch die Erneuerung der Zugangssituation und durch die Errichtung eines Kolumbariums ausgelöst.

Um den aktuellen Anforderungen an Urnenbestattungen gerecht zu werden, gab die Gemeinde Schaan den Auftrag, eine Urnenhalle (Kolumbarium) nördlich des Friedhofturms zu errichten. Mit den Bauarbeiten in der Feldkircherstrasse wurde zudem die Chance ergriffen, die Eingangssituation neu zu gestalten und die Friedhofsmauer zu sanieren. Da davon ausgegangen werden musste, dass im sensiblen Bereich um den Kirchturm noch letzte Spuren der alten Kirchenbauten und zugehörige Bestattungen vorhanden sind, wurde im März eine Notgrabung eingeleitet. Die Bauarbeiten ermöglichten erstmals archäologische Untersuchungen zu der um 1900 abgebrochenen Kirche St. Laurentius.

Was blieb von den alten Gotteshäusern?

Für den Bau der Urnenhalle wurde ein Teil des modernen Friedhofs komplett aufgelöst. Ein Bestattungsunternehmen barg die Überreste der Toten, die hier bis Ende der 1980er Jahre ihre letzte Ruhe fanden. Die kremierten Knochen wurden im Kolumbarium in einer Gemeinschaftsurne wieder beigesetzt.

Leider haben die Anlage der neuzeitlichen Gräber und die zahlreichen Bodeneingriffe im Laufe des 20. Jahrhunderts einen Grossteil der mittelalterlichen Bauten zerstört. Am besten erhalten war das 90 cm breite Fundament einer Nordost-Südwest-orientierte Mauer, die auf einer Länge von sieben Metern verfolgt werden konnte.

Im Norden bog die Mauer bzw. der noch erhaltenen Fundamentgraben im rechten Winkel nach Südosten um. Eventuell wurde hier von einer der älteren Vorgängerkirchen der Westabschluss mit einem Teil der Nordwand erfasst. Eine Datierung ist im Moment noch nicht möglich. 11 m östlich der Westmauer wurde ein parallel dazu verlaufender Ausrissgraben einer weiteren Mauer dokumentiert. Im darin enthaltenen Abbruchschutt fanden sich Scherben von Fensterglas sowie farbig bemalte Verputzfragmente. Sie geben Hinweise auf die Ausgestaltung der alten Pfarrkirche.

Ein bogenförmiges Mauerteil nordöstlich davon dürfte vermutlich als Apsis einer älteren Bauphase zu interpretieren sein. Eine genaue Datierung ist jedoch wegen der starken Störungen durch die nachfolgenden Bestattungen nicht möglich.

1300 Jahre alte Bestattungstradition

Der Friedhof kann in drei Belegungsphasen untergliedert werden.Die jüngsten Bestattungen stammen aus der Zeit zwischen dem Abbruch der Pfarrkirche um 1900 und der Erweiterung des Friedhofs 1934. In diesen Gräbern wurden unter anderem Kleidungsbestandteile (Textilreste, Knöpfe) und Rosenkränze gefunden.


Foto 2: Vorsichtiges Freilegen und die anthropologische Dokumentation der zahlreichen Bestattungen. Quelle: Amt für Kultur/Archäologie

Die meisten der dokumentierten Skelette gehören dem mittleren, vermutlich mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bestattungshorizont an. Eine genaue chronologische Einordnung ist zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund fehlender Beigaben noch nicht möglich.

Daher werden in den nächsten Wochen C14-Analysen in die Wege geleitet. Die anthropologische Untersuchung der menschlichen Gebeine wird im Anschluss an die Notgrabung durchgeführt. Sie dürfte interessanten Aufschluss über Krankheiten, die Lebensbedingungen und das Alter der Verstorbenen ergeben.

Die ältesten Gräber waren direkt in den anstehenden Hangschotter und den darunter liegenden Lehm eingetieft. Sie lagen teilweise unmittelbar unter den Mauerresten der Vorgängerkirche. Zwei Grabgruben waren an der Sohle mit kleinen Steinen gefestigt. Ein Toter hatte als Beigabe ein Messer im Kopfbereich deponiert. Sie gehören daher vermutlich zum bereits bekannten frühmittelalterlichen Gräberfeld des 5. – 9. Jahrhunderts n. Chr. Seit 1900 sind bei Bauarbeiten im Gebiet zwischen Specki, Im Reberle, Duxgasse und Lindenkreuzung immer wieder Bestattungen dieser Epoche zum Vorschein gekommen.

Als wichtige Zeugen der Besiedlungsgeschichte von Schaan sind vier spätrömische Münzen des 3./4. Jahrhunderts n. Chr., mittelalterliche Ofenkachelfragmente und einzelne Scherben urgeschichtlicher Keramik zu werten. Eisenschlacke und Gusstropfen aus Bronze könnten sogar auf Metallverarbeitung vor Ort hinweisen.

Die Bauarbeiten zur Friedhofumgestaltung werden im Herbst fortgesetzt. Vielleicht kommt dann noch das eine oder andere Puzzleteil zum Vorschein, das hilft, die spannende Kirchen- und Friedhofsentwicklung besser zu verstehen. (Amt für Kultur)