Noch dieses Jahr befinden die Stimmberechtigten über die Zukunft von Radio Liechtenstein. Auf dem Papier geht es darum, ob der Sender privatisiert werden soll oder nicht. Die Verantwortlichen im Verwaltungsrat wie in der Politik sagen aber klar, dass die Initiative die Abschaffung von Radio L zum Ziel hat und auch tatsächlich zur Folge hätte.
Text und Interview: Heribert Beck
«Wir freuen uns auf die nächsten Monate.» Mit diesen Worten eröffnete Jürg Bachmann, Verwaltungsratspräsident von Radio Liechtenstein, die Informationsveranstaltung am 14. August, in welcher die Verantwortlichen bekanntgaben, wie sich der Sender neu positionieren möchte. So sollen die Stimmberechtigten im Vorfeld der Abstimmung über die Zukunft von Radio L von der Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Senders überzeugt werden.
Die Verantwortlichen in die Pflicht genommen
Bereits von der Notwendigkeit des Senders überzeugt ist Regierungschef-Stellvertreterin Sabine Monauni, die in ihrer Funktion als Wirtschaftsministerin auch für den Rundfunk zuständig ist. «Die Bevölkerung benötigt eine Vielfalt an Meinungen und Informationen, um sich eine eigene Meinung zu bilden – insbesondere in unserer direkten Demokratie ist das unerlässlich», sagte sie an der Radio-Liechtenstein-Veranstaltung. Doch um die Meinungsvielfalt stehe es in Liechtenstein derzeit nicht zum Besten. Dies liege einerseits daran, dass ein wesentlicher Teil der Werbemittel inzwischen an die grossen Onlineplattformen fliesse und andererseits an der Medienkonzentration im Land. «Mit dem Aus des ‹Volksblatts› ist die gegenseitige Kontrollfunktion der beiden Tageszeitungen verlorengegangen. Dem können wir als Staat mit der Medienförderung, auch für kleinere Medien, nur bis zu einem gewissen Grad gegensteuern. Dementsprechend spielt ein verlässlicher öffentlich-rechtlicher Rundfunk eine grosse Rolle in unserer Medienlandschaft. Die Regie rung bekennt sich daher zu einem Radio, das sich nicht am Mainstream orientiert, sondern am Gemeinwohl.» Das sehe auch der Landtag so, der dem Sender auf vier Jahre hinaus eine finanzielle Zusicherung von jeweils knapp 4 Millionen Franken gemacht und ihm so Planungssicherheit gegeben hat. «Nun stehen auch die Verantwortlichen beim Radio in der Pflicht», sagte Sabine Monauni und drückte ihre Freude darüber aus, dass der Verwaltungsrat sich seiner Verantwortung stellt und bereits erste Ergebnisse präsentieren kann. «Natürlich funktioniert eine Neuausrichtung nicht von heute auf morgen, aber die Weichen sind in die richtige Richtung gestellt.»
Herausforderung annehmen, Abstimmung gewinnen
Wie diese Weichen gestellt sind, führte Jürg Bachmann aus: «Wir machen Radio für Liechtenstein mit Stimmen aus dem Land, Musik aus dem Land und Themen aus dem Land.» Neue beziehungsweise gestärkte Nachrichten- und Talkgefässe sollen dazu genauso beitragen wie themenspezifische Reportagen. «Unsere Mitarbeitenden sollen ausserdem sichtbar sein, zu den Menschen gehen, alle Altersklassen ansprechen. Dafür haben wir auch die Organisationsstruktur umgestellt und die Senderleitung neu strukturiert.» So will Radio Liechtenstein die Herausforderung, die aus der DpL-Initiative zur Privatisierung des Senders resultiert, nicht nur annehmen, sondern auch die anstehende Volksabstimmung erfolgreich bestehen.
«Eine einmalige Chance für das Radio und für Liechtenstein»
Seit Anfang des Jahres führt Jürg Bachmann als Verwaltungsratspräsident die Geschicke von Radio Liechtenstein. Seine Handschrift ist in Programm und Auftritt des Senders bereits deutlich erkennbar. Doch bis zur Abstimmung über die Privatisierung des Senders hat er noch einiges vor, um die Stimmberechtigten von der Notwendigkeit des Senders zu überzeugen.
Sie haben ihre Position als Verwaltungsratspräsident von Radio Liechtenstein in turbulenten Zeiten angetreten. Kann man sagen, dass Sie die Herausforderung lieben? Oder was hat Sie bewogen, das Amt anzunehmen?
Jürg Bachmann: Ich habe letzten Herbst an einem Podium des Internationalen Liechtensteiner Presseclubs teilgenommen. Anschliessend hat mich Regierungschef-Stellvertreterin Sabine Monauni gefragt, ob ich das Amt des VR-Präsidenten übernehmen würde. Mir war klar, dass es keine einfache Aufgabe würde. Aber ich bin seit über 40 Jahren im Radiobereich tätig und kenne mich aus. Ich wusste schon, auf was mich einlasse. Zudem fand und finde ich Radio Liechtenstein ein interessantes Projekt mit viel Potenzial. Darum habe ich zugesagt.
Wie haben Sie die ersten Monate als Verwaltungsratspräsident erlebt?
Wie immer in einem neuen Amt muss man zuerst den Betrieb und die Mitarbeitenden kennenlernen. Das braucht Zeit und Gespräche. Ich habe früh einen regelmässigen Austausch mit dem Team etabliert. Zudem hatte ich Gelegenheit, im Auftrag des Ministeriums für den Bericht und Antrag an den Landtag im Juni am Radiokonzept mitzuarbeiten. Ich habe mich über den positiven Landtagsentscheid sehr gefreut. Jetzt bin ich daran, zusammen mit dem Verwaltungsrat die Voraussetzungen zu schaffen, damit das Radioteam die gemachten Versprechen umsetzen kann. Ich halte den Finanzierungsentscheid des Landtags für eine einmalige Chance für das Radio und für Liechtenstein.
Warum braucht Liechtenstein Ihres Erachtens einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Liechtenstein ist ein souveränes Land mit einer funktionierenden, aktiven Demokratie. Diese Staatsform braucht Bürgerinnen und Bürger, die sich an den staatlichen Vorgängen beteiligen, die also abstimmen und wählen. Sie brauchen gesicherte Informationen, denn ihre Entscheide sind massgebend für das Wohlergehen von Staat und Volk. Ein publizistisch gutgemachtes Radioprogramm ist eine wertvolle Ergänzung zur Tageszeitung. Da das Geschäftsmodell für ein Privatradio in Liechtenstein fehlt, ist die nachhaltige, gemeinschaftliche Finanzierung über den Staat eine gute Lösung. Ein transparentes und nachvollziehbares Regelwerk garantiert dem Radio Professionalität und Unabhängigkeit.
Könnte ein privates Radio diese Aufgaben nicht auch übernehmen?
Ich kenne viele Privatradios, die auch im Informationsbereich ausgezeichnete Programme anbieten. Aber sie verfügen über ein langfristiges Geschäftsmodell. Sie finanzieren sich massgeblich über Werbeeinnahmen. Dieses kommerzielle Potenzial gibt es in Liechtenstein nicht. Das Werbevolumen ist zu klein, um jenes Service-Public-Vollprogramm zu finanzieren, das alle von Radio Liechtenstein erwarten. Entscheidend ist darum nicht die Form der Trägerschaft, sondern die Antwort auf die Frage, ob man in Liechtenstein ein eigenes Radio will oder nicht. Natürlich ist es nicht die primäre Aufgabe des Staates, ein Radio zu betreiben. Er springt subsidiär dort ein, wo eine private Lösung nicht möglich ist.
Wo liegen die Stärken von Radio Liechtenstein?
Bereits im Bericht und Antrag an den Landtag steht, dass die Existenzberechtigung für Radio Liechtenstein darin liegt, Plattform und Sprachrohr von allem zu sein, was in Liechtenstein passiert. Sei es politisch, kulturell, wirtschaftlich, sportlich und gesellschaftlich. Es gibt in Liechtenstein viele gute Themen, tagesaktuelle und andere, und viele Menschen, die etwas Interessantes zu berichten und zu erzählen haben. Die Stärke von Radio Liechtenstein liegt darin, ihnen Öffentlichkeit zu verschaffen.
Und wo haben Sie Schwächen ausgemacht?
Der Verwaltungsrat hat bereits im Januar bei einem ausgewiesenen Radiofachmann eine Höranalyse erarbeiten lassen. Diese hat ergeben, dass das Programm von Radio Liechtenstein verzettelt, verwässert und unklar positioniert war. Darum war niemand wirklich glücklich damit. Jetzt sind wir daran, das zu korrigieren. Das ist ein längerer Prozess, aber unser Team macht tolle Arbeit.
Wie wollen Sie diese Schwächen beheben?
Durch Fokussierung, guten Journalismus und Bürgernähe in allen Programmteilen. Um die Positionierung zu verdeutlichen, haben wir den Slogan «Mis Land – mis Radio» eingeführt. Alle Programmelemente werden daraufhin überprüft, ob sie dieses Versprechen einlösen. Wir werden auch neue Angebote ins Programm aufnehmen. Ins lineare Programm und solche, die später zeitversetzt abgehört werden können. Denn das Smartphone spielt auch beim Radiokonsum eine zunehmende Rolle. Es ist eine wunderbare Chance für Audioangebote in der gleichen Marke. Das alles wollen wir allmählich nutzen.
Hand aufs Herz: Reichen die jeweils knapp 4 Millionen Franken, die der Landtag Radio Liechtenstein für die kommenden vier Jahre gesprochen hat?
Beim Start 1993 verfügte Radio Liechtenstein über ein Budget von 4 Millionen Franken. Seither sind 30 Jahre vergangen. In den letzten Jahren war Radio Liechtenstein dauernd unterfinanziert. So mussten Nachtragskredite beantragt werden, was der Reputation des Senders geschadet hat. Er galt als Fass ohne Boden. Hinzu kamen zugegebenermassen unternehmerische und handwerkliche Fehler. Mit dem neuen Betrag von 3,95 Millionen Franken, den der Landtag für die nächsten vier Jahre gesprochen hat, wollen wir diese unbefriedigende Situation hinter uns lassen. Ich kenne die Zahlen vieler Radios in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum. Mit diesem Geld gibt es noch keinen Rolls Royce. Aber ein gutgemachtes Radioprogramm ist möglich. Es kommen ja noch Werbeeinnahmen dazu, wobei ich bei deren Einschätzung eher vorsichtig bin.
Sie haben sicher Verständnis dafür, dass viele Einwohnerinnen und Einwohner Ihren Worten nach den immer wiederkehrenden Nachtragskrediten und den regelmässig steigenden Landesbeiträgen wenig Glauben schenken. Was entgegen Sie?
Ich möchte präzisieren: ich habe nie Nachtragskredite gefordert, weder in Liechtenstein noch sonst wo. Das waren meine Vorgängerinnen und Vorgänger. Und ich kann nachvollziehen, dass Politik und Bürgerschaft dauernde Nachtragskredite unerträglich finden. Aus diesem Grund haben wir den Betrag, den Radio Liechtenstein braucht, sorgfältig ermittelt und um eine gesicherte Finanzierungsperiode von vier Jahren nachgesucht. Der Landtag hat dem zugestimmt. Jetzt kann das Radioteam beweisen, dass es mit diesem Geld über Jahre hinweg in gutes Radioprogramm bieten kann.
Welche Rückmeldungen haben Sie zur Neuausrichtung des Senders bisher erhalten?
Wir haben unsere Pläne Mitte August vorgestellt. Seither habe ich sehr positive Rückmeldungen erhalten. Ich glaube, die Entwicklung, wie wir sie derzeit vorantreiben, nämlich mehr Liechtenstein aus Liechtenstein für Liechtenstein, lag etwas in der Luft. Dass unsere Projekte gut ankommen, freut mich und motiviert das Team.
Was haben Sie bis zur Abstimmung über die Privatisierung von Radio Liechtenstein noch vor, um die Mehrheit der Bevölkerung von der Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu überzeugen?
Das wichtigste Instrument ist das Radioprogramm. Unser Team ist kompetent und motiviert. Es ist daran, viele neue Ideen umzusetzen, wie mehr Menschen aus Liechtenstein ins Programm integriert werden können. Davon müssen wir in der Öffentlichkeit berichten. Wir starten darum im September mit einer Marketingkampagne, die die Sichtbarkeit des Senders erhöhen soll. Und wir wünschen uns natürlich, dass wieder mehr Hörerinnen und Hörer Radio Liechtenstein hören und seine Programme spannend und interessant finden.
Wagen Sie eine Prognose, wie die Abstimmung ausgeht?
Ich habe grossen Respekt vor Volksabtimmungen und weiss, dass Entscheide erst gefallen sind, wenn die Urnen geschlossen sind. Ich kann Ihnen einfach versichern, dass wir im Radio mit einem guten Programm und Hörernähe alles daransetzen werden, das die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger motiviert, ein Nein zur Abschaffung des Liechtensteinischen Rundfunk-Gesetzes, kurz LRFG, einzulegen. Denn allein darum geht es! Ohne LRFG gibt es kein Radio Liechtenstein mehr in dieser Form, weil die gesetzliche Grundlage dafür fehlt. Ob später ein neues, privates Radio Liechtenstein entsteht, wird man sehen. Ich persönlich glaube nicht daran. Nicht weil ich nicht ans Modell des Privatradios glaube, sondern weil in Liechtenstein das langfristige, nachhaltige Geschäftsmodell dazu fehlt. Und ohne ein solches wird niemand in ein Radioprojekt investieren.