Kräfteverhältnis Regierung-Landtag

In einem vor Kurzem erschienenen Zeitungsartikel stellte der Abgeordnete Johannes Kaiser sinngemäss und treffend fest, dass der personelle Unterbau der Regierung über die Jahre kontinuierlich erweitert worden ist, während der einzelne Landtagsabgeordnete trotz steigenden Anforderungen in seiner Arbeit unverändert praktisch auf sich alleine gestellt bleibt. Das Kräfteverhältnis zwischen Regierung und Landtag hat sich extrem zu Ungunsten des Landtags entwickelt.  

Text: Christoph Wenaweser, VU-Abgeordneter 

 

Die Lösung dieses Problems liegt für mich aber nicht in einem Systemwechsel zum Berufsparlamentarismus. Es gibt verschiedene andere Lösungsansätze. Einer davon ist die nun in einer «Besonderen Landtagskommission» zu bearbeitende Initiative zur Stärkung der Informationsrechte des Landtags, die wesentlich auf das begrüssenswerte Engagement des Abgeordneten Kaiser zurückgeht.

Der Milizparlamentarier geht in der Regel einer Berufstätigkeit ausserhalb der Politik nach und weiss, was es heisst, im Berufsalltag zu bestehen, Geld zu verdienen, von welchem dann Steuern und auch der Lohn des Politikers bezahlt werden. Er weiss mit Ressourcen sorgfältig umzugehen und weiss beispielsweise auch, was es bedeutet, in einer leitenden Funktion für ein Unternehmen und dessen Angestellte Verantwortung zu übernehmen, für seine Entscheidungen geradezustehen. 

Wer ein Standbein im Berufsleben – idealerweise in der Privatwirtschaft – hat, ist per se unabhängiger und bräuchte bei seinen Entscheidungen grundsätzlich weniger auf die nächsten Wahlen zu schielen. 

Man sollte sich in seinem Tun und Lassen freier fühlen und in seinem Auftreten authentischer sein können, wenn man zumindest wirtschaftlich nicht auf ein finanziell in vorsichtiger Angemessenheit zu entschädigendes politisches Mandat angewiesen ist.

Deutlich tritt der Mentalitätsunterschied zwischen Berufs- und Milizparlamentariern zutage, wenn diese beiden Welten bei internationalen Organisationen aufeinanderprallen. Zusammen mit den Schweizer Kollegen aus National- und Ständerat spüre ich das persönlich beim Europarat in Strassburg ganz besonders. Bei uns Milizionären herrscht in der Regel hoher Pragmatismus und der Wunsch nach Fokussierung auf das Wesentliche. Der Berufsparlamentarier neigt hingegen eher dazu, seine Daseinsberechtigung in einer auch viel heisse Luft produzierenden Betriebsamkeit zu äussern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich bin ein absoluter Verfechter des Milizparlamentarismus.

Christoph Wenaweser,
VU-Abgeordneter

 

Was von der Regierung/Verwaltung kommt, muss transparent sein
Liechtenstein und die Schweiz sind mit ihren direktdemokratischen Systemen hochzuhaltende Sonderfälle, die den Bürgerinnen und Bürgern, vertreten durch ihre Parlamente, ein ausserordentliches Mass an politischer Mitbestimmung ermöglichen. Das heisst aber auch, dass das, was von der durch die Regierung vertretenen Verwaltung kommt, transparent sein und zu jeder Zeit der demokratischen Kontrolle unterliegen muss. Ansonsten würde unser Land Gefahr laufen, sich zu einem alle Macht auf sich vereinenden Beamtenstaat zu entwickeln, unter welchem die demokratische
Kontrolle und letztlich auch die strikte einzuhaltende Gewaltenteilung schleichend verloren ginge. Brüssel lässt grüssen!

 

Mehr Informationsrecht für Landtag
Genau hier setzt die Initiative zur Verbesserung der Informationsrechte des Landtags für mich an, die den Abgeordneten punktuell, rechtzeitig und verlässlich zu mehr Informationen verhelfen will. Dem Regierungschef kam die Initiative nicht gelegen. Er scheint den Abgeordneten den Umgang mit mehr Informationen nicht zuzutrauen oder versuchte vielleicht auch aus unbegründeter Angst vor mehr Kontrolle und Verwischung der Gewaltenteilung, die Initiative im Keime ersticken zu lassen, indem sie der Landtag als nicht verfassungskonform ablehnen sollte. Gut, dass eine knappe Mehrheit von 13 Abgeordneten nicht mitgemacht hat!

Mit verbesserten Informationsrechten wird die demokratische Kontrolle gestärkt und die
Gewaltenteilung in keiner Weise infrage gestellt. Vielmehr ist letztlich das Gegenteil der Fall. Allerdings sind die Verhältnisse zwischen Legislative und Exekutive besser auszutarieren, als sie sich derzeit darstellen. In einem Aufsatz über die parlamentarische Oberaufsicht im Fürstentum Liechtenstein äusserte sich Professor Philippe Mastronardi bereits im Jahr 2000 sehr treffend. Er sieht in der parlamentarischen Kontrolle keine Durchbrechung der Gewaltenteilung, sondern deren Ausgestaltung. Wörtlich:

«Die parlamentarische Kontrolle findet ihre Schranken daher nicht im Prinzip der Gewaltenteilung, wie das von verschiedenen Regierungen gelegentlich geltend gemacht wird, sondern im Konflikt zwischen demokratischer Legitimation einerseits und politischer und praktischer Handlungs- und Leistungsfähigkeit der Regierung anderseits. Die Institutionen der parlamentarischen Kontrolle müssen in diesem Konflikt einen verhältnismässigen Ausgleich schaffen.» 

Die Initiative ist nicht aus dem Nichts heraus entstanden. Sie hat ihre Geschichte im teilweise subjektiven, aber nachvollziehbaren Gefühl, zu einzelnen, individuell interessierenden Fragestellungen nicht ausreichend informiert zu sein, im Gefühl, dass man bei Amtsstellen aufläuft, leider teilweise auch in ungebührlicher Schroffheit, wie ich selbst einmal erfahren musste. Sie basiert darauf, dass durchaus öffentlichkeitsrelevante Themen von der Regierung gerne im nicht öffentlichen Landtag behandelt werden, was für den Landtag einer Art von Geiselhaft gleichkommt, da unter Wahrung der verordneten Vertraulichkeit der Behandlung im Weiteren die Hände gebunden sind und einem der Maulkorb umhängt. 

 

Die Beantwortung Kleiner Anfragen, oft ärgerlich
Die Initiative basiert auf einer in gewisser Weise Raum greifenden Nonchalance bei der
Beantwortung Kleiner Anfragen durch die Regierung. Sie basiert auf einem inzwischen sehr unverkrampften Umgang der Regierung mit den gesetzlich vorgegebenen Erledigungsfristen für parlamentarische Vorstösse.

Sie wurzelt auch auf wiederkehrend ärgerlichen Situationen, in denen die Regierung dem Landtag scheinbar alternativlose «Vogel-friss-oder-stirb» – Entscheidungen auf den letzten Drücker abringt. Das läuft dann jeweils unter Androhung von Schreckensszenarien ab, für deren Eintreten der Landtag dann gefälligst die Verantwortung zu tragen habe. Gedroht wird mit Konkursen, mit nicht mehr zahlbaren Löhnen, mit dem Schlüssel drehen oder auch mit dem bösen Ausland, wenn der Landtag nicht sofort und gleich so entscheidet, wie es die Regierung vorgibt. 

Ein weiteres Beispiel dafür, welches einem nicht um den Gedanken umhinkommen lässt, die Regierung neige dazu, den Landtag im Speziellen zeitlich knapp zu halten, ihm eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Geschäften zu verunmöglichen, ihn notgedrungen zum Durchwink-Gremium zu degradieren, ist die Eingabefrist für Unterlagen zuhanden der Abgeordneten. 

Im Laufe der letzten Legislaturperiode wurde diese Frist von sechs auf vier Wochen verkürzt, um der Regierung im Einzelfall ein Mehr an Flexibilität zu gewähren. Heute muss festgestellt werden, dass kaum jemals mehr irgendein Bericht und Antrag oder ein Finanzbeschluss früher als vier Wochen vor Behandlung durch den Landtag bei den Abgeordneten landet. In der Regel kommt das Allermeiste im allerletzten zulässigen Moment. Zuletzt wurde dies bei der Zustellung der Unterlagen für die diesjährige Junisitzung erneut besonders deutlich. Und nicht selten kommt der Gang der Regierung an die Medien schneller als die Information an den Landtag und seine Kommissionen.

Ein Abschmettern der Initiative aus verfassungsrechtlichen Gründen hätte die Diskussion viel zu schnell beendet. Das anlässlich der Debatte im Raum stehende Angebot des Regierungschefs, bei einem Nichteintreten dafür sorgen zu wollen, dass hinsichtlich einfacher Informationsanfragen der Abgeordneten eine einheitliche Praxis in der Verwaltung gewährleistet werden soll, war eingedenk der heutigen Situation zu wenig ausreichend und verbindlich.

Bei der Umsetzung der Initiative muss klar sein, dass verbesserte Informationsrechte den Landtag gegenüber der Regierung nicht nur stärken, sondern ihn auch in die Pflicht nehmen. Wer den Anspruch auf mehr Informations- und Auskunftsrechte erhebt, übernimmt auch ein höheres Mass an Verantwortung und sollte gerade als Milizparlamentarier darauf achten, sich keinen zu grossen Schuh anzuziehen. 

Die mit der Umsetzung der Initiative beauftragte «Besondere Landtagskommission» dürfte sich dessen sehr wohl bewusst sein, und ich hoffe zuversichtlich auf Ergebnisse, die zur Stärkung unseres bewährten Milizparlamentarismus beitragen!