Parlament ist nicht auf Augenhöhe mit der Regierung

Im «Geschäftsverkehr- und Verwaltungskontrollgesetz» sowie in der «Geschäftsordnung für den Landtag des Fürstentums Liechtenstein» sind die Instrumente des Parlaments sowie das Zusammenwirken von Regierung und Landtag geregelt. Dass die Regierung mit ihrem Personalapparat von rund 60 Personen (inkl. Rechtsdienst und Presseamt) dem Milizparlament überlegen ist, kam im Rahmen der Landtagsdebatte im Zusammenhang mit der «Gesetzesinitiative zur Stärkung des Informationsrechts des Landtags» deutlich zum Ausdruck. 

Von Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter

 

In den «Politischen Schriften», Band 53, befasst sich Dr. Roger Beck sehr eingehend mit den beiden Staatsgewalten Regierung und Landtag. Neben dem Grundsatz der parlamentarischen Kontrolle sowie den individuellen Instrumenten der Abgeordneten im Rahmen der Informations- und Kontrollmöglichkeiten beschäftigen sich seine Analysen auch mit der Entwicklung der beiden Institutionen in den letzten Jahrzehnten. Dabei schwang bei der ersten Revision der «Geschäftsordnung für den Landtag» (GOLT) im Jahre 2012 sowie bei der neuerlichen Teilrevision der GOLT, welche im März-Landtag dieses Jahres zur Debatte und Verabschiedung figurierte, das Thema der «Stärkung des Landtags» in der Diskussion kräftig mit. «Stärkung des Landtags» – diese gut klingende Wortfolge wird von den Parlamentariern sehr gerne in den Mund genommen, doch wenn es darauf ankommt, sich für die Rechte und Arbeitsinstrumente der Landtagsabgeordneten im Rahmen der Verfassung und Gesetze einzusetzen, schwinden der Mut und das Selbstbewusstsein bei etlichen Volksvertretern. Diese Tendenzen kamen bei der Behandlung der Gesetzesinitiative zur «Stärkung des Landtags» sehr deutlich zum Ausdruck. Dass die Regierung an der heutigen Konstellation nun wirklich nichts ändern will – und schon gar nicht an einer Emanzipierung des Landtags interessiert ist –, kann man ihr nicht verargen. Der Landtag muss sich selbst für diese Rechte und Instrumente einsetzen und für eine bessere Position besorgt sein, um die Aufgaben und Pflichten als starke Volksvertretung wahrnehmen zu können.

Regierung hat ihren Personalbestand mächtig ausgebaut
Die Regierung hat sich an die Anforderungen der Zeit in den letzten Jahren sukzessive angepasst sowie die Ministerien mit einem starken Unterbau ausgestattet. So zählt allein der  Regierungsapparat inkl. Rechtsdienst und Presseamt heute rund 60 Personen. Dem Parlamentsdienst stehen sechs Mitarbeitende – «schlanker» geht es nicht – gegenüber. Die 25 Landtagsabgeordneten und acht Stellvertreter üben ihre Funktion im Milizsystem aus. Dazu hält Dr. Roger Beck fest: «Im Zuge der Entwicklung moderner Staaten zu Wohlfahrts- und Verwaltungsstaaten tritt eine Normierungsflut, ein beschleunigter Gesetzgebungsrhythmus und ein grosser Planungsbedarf ein, welchem die Parlamente, deren Arbeitsweisen und Arbeitsbedingungen trotz veränderter Rahmenbedingungen weitgehend gleich geblieben sind, nicht gewachsen sind.» 

Vereinnahmung des Landtags durch die Regierung
Eine Analyse des Landtags bestätigte diese strukturellen Defizite, dies insbesondere im Verhältnis zur Regierung: Der Landtag verfüge als Milizparlament über knappe personelle Ressourcen und jeder Abgeordnete individuell über begrenzte Kapazitäten. Gepaart mit der zeitlichen Intensität der Landtagsarbeit und der hohen Komplexität der Vorlagen werde der Landtag, so bringt es Dr. Roger Beck in den «Politischen Schriften» auf den Punkt, in eine passive Rolle gedrängt, aus der er sich kaum selbst befreien könne. Durch die systembedingte «Zeitnot, Sachkundenot und Bewertungsnot» entstehe zum Teil Oberflächlichkeit und eine gewisse Willfährigkeit, welche einem entschlossenen Regierungs- und Verwaltungswillen entgegenstehen würden. Die kritische Analyse der Arbeitsweise des Landtags verdeutliche somit die Vereinnahmung des Landtags durch die Regierung. Es liegt also am Parlament, so lässt sich das Fazit ziehen, sich für eine klare Stärkung des Landtags einzusetzen. Das erwartet das Volk auch von ihrer gewählten Volksvertretung.