Der «Grenzenverschieber»

Stars aus Sport, Wirtschaft, Politik und Show-Biz legen sich bei ihm vertrauensvoll auf den Operationstisch. Sie schätzen neben der exzellenten medizinischen Dienstleistung die Persönlichkeit und Diskretion des «Doc». Die Rede ist von Dr. Christian Schenk, Gründer und Leiter des Sanatoriums Dr. Schenk und ein noch immer mit Leidenschaft praktizierender Vollblutchirurg im vorarlbergischen Schruns. Und – möglicherweise – bald auch in Liechtenstein

 


Herr Dr. Schenk, vor 28 Jahren haben Sie als 36-jähriger Jungarzt hier in Schruns im Montafon das Sanatorium Dr. Schenk eröffnet. Mittlerweile zählt Ihr Haus zu den weltweiten Topadressen in der arthroskopischen Chirurgie. Haben Sie sich so eine Entwicklung erhofft? 

Dr. Schenk: So weit habe ich damals gar nicht gedacht. Ich wollte meine Ideen und Vorstellungen umsetzen und das kompromisslos. Wollte an die Grenzen des Machbaren gehen bzw. versuchen, diese Grenzen zu erweitern. Das kann man nur auf eigene Verantwortung machen. Ambulante Operationen waren Neuland und als ich damals z. B. operierte Kreuzbänder schnell mobilisierte und belastete, zeigte man mir den Vogel. Mittlerweile ist das natürlich state of the Art. Grenzen zu verschieben und daran zu wachsen, hat mich Zeit meines Lebens angetrieben. Die Entwicklung des Sanatoriums ist daher mehr eine Folge als ein erreichtes Ziel.

Gerade in der Arthroskopie, der minimal-invasiven Behandlung von Verletzungen, konnten Sie immer wieder Massstäbe setzen. Wo stehen wir da heute? 

Vor 37 Jahren habe ich meinen ersten Meniskus arthroskopiert, vor knapp 25 Jahren die ersten Kreuzbänder. Heute können wir dank optimaler technischer Unterstützung und perfekter OP-Vorbereitung mittels hochauflösender 3D-Bilder aus der Computertomografie auch Trümmerbrüche arthroskopisch operieren. Von knapp 150 Frakturen habe ich letzten Winter nur zwei offen operieren müssen. Und die Technik wird es auch zukünftig sein, die das Verschieben von Grenzen ermöglicht – etwa beim Monitoring von Operationen.

Gab es auch Grenzerfahrungen, die Sie lieber nicht gemacht hätten? 

Ja, auch die gab es. Wobei, im Nachhinein waren ja auch das wichtige Erfahrungen. Man wächst im Grenzbereich immer, auch an der Erfahrung einer unüberwindbaren Begrenzung und am Preis, den man dann zahlt. Ich war nie ein Hasardeur, auch nicht in jungen Jahren, aber im Alter hilft uns die aus den Grenzerfahrungen gewonnene Intuition, die Grenzen des Machbaren noch besser einzuschätzen. Hin zu den Grenzen und sie – dort, wo möglich – zu verschieben, das will ich noch immer, aber die Intuition des Alters, die habe ich dabei sehr zu schätzen gelernt. Als Gesellschaft müssen wir dies meiner Meinung nach noch lernen. Wir vergeben und nehmen uns da etwas, wenn wir die Alten ins Ruhestand-Aus schicken.

Apropos Alter: Sie sind 64-jährig und haben mittlerweile über 45‘000 Operationen hinter sich. Sie stehen vor Ihrer 29. Wintersaison mit nahezu täglich 15 Stunden im OP. Gehen Sie da nicht auch über Ihre Grenzen? Vor knapp zwei Jahren habe ich meine eigenen Grenzen nicht mehr gespürt und das ist gefährlich. Der Turnaround – vor allem mit neuer Achtsamkeit auf Ernährung und Bewegung – hat mich dann wieder in meine Spur gebracht. Heute fühle ich mich voller Energie und freue mich, wieder möglichst vielen Menschen helfen zu können. Man muss auch etwas auslassen können, sich nicht voll auspowern, das habe ich gelernt. Und gleichzeitig ist mein Beruf ja auch eine grosse Liebe, und diese Liebe zu leben, erfüllt mich. Es gibt doch nichts Schöneres, als einen Menschen wieder aufrecht aus der Praxis in die Welt gehen zu sehen.

Denkt man als Arzt in Ihrem Alter auch an die letzte Grenze, den Tod? 

Vor wenigen Wochen ist mein Bruder im Alter von 71 Jahren verstorben. Plötzlich, an den Folgen eines Infarkts. Sebastian war mir nicht nur Bruder, sondern als grossartiger Architekt auch ein wichtiger Partner. Ich fürchte mich vor dem Tod, das ist mir mit dem plötzlichen Sterben meines Bruders bewusst geworden. Und gleichzeitig möchte ich so leben, dass mich der Tod nicht unvorbereitet trifft. Und die beste Vorbereitung – das habe ich an dieser Stelle schon einmal gesagt – ist meiner Meinung nach, wenn man bewusst und intensiv das lebt, was man liebt.

Ist das Sanatorium Dr. Schenk auf die Zeit nach Ihnen vorbereitet? 

Wir sind personell und technologisch top aufgestellt. Mit meinem Neffen Dr. Colin Schenk haben wir einen leidenschaftlichen Internisten im Haus, der unsere medizinische Dienstleistung ganzheitlich und qualitativ bereichert hat. Mit den zwei Chirurgen Dr. Paul Himmelstoss und Dr. Robert Barbetta sowie unserem erfahrenen Team sind wir auch im und rund um den OP bestens besetzt. Meine Aufgabe für die nächsten Jahre sehe ich neben meiner chirurgischen Tätigkeit in der verantwortungsvollen Gestaltung des Generationenwechsels. Im Teambuilding, im Wissenstransfer und im sukzessiven Loslassen, das bereits begonnen hat.

Was macht ein «Grenzenverschieber» wie Sie dann? 

Ich werde auch dann das mir Wertvolle leben. Werde weiter als Arzt arbeiten, nur in einem anderen Rhythmus. Und nicht nur im Sanatorium, sondern auch darüber hinaus. So wie es aussieht auch als Belegarzt in Liechtenstein. Und dann habe ich ja noch meine alte Liebe Tennis wiederentdeckt. Dieser Sport war das erste Feld, wo ich gelernt habe, an und über die Grenzen zu gehen. Es ist wie ein Heimkehren für mich, wieder Tennis zu spielen. Grundsätzlich werde ich neugierig bleiben, immer wieder neue Eindrücke erleben wollen. Und natürlich werde ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. All das hält mich lebendig und gibt mir Energie.