Der Euro verteuert sich weiter

Gut für die liechtensteinische Exportwirtschaft – Gespräch mit Christian Hausmann, Leiter des Amtes für Volkswirtschaft

Die Schweizerische Nationalbank erhöht den Leitzins um 0,25%

Der Euro wird immer mehr wert. So eröffnete die europäische Gemeinschaftswährung am Morgen des 4. August 2017 bei 1.1502 zum Schweizer Franken, was einen erneuten Höchstwert für den Euro seit Aufhebung des Mindestkurses durch die SNB Anfang 2015 bedeutet. Christian Hausmann, Leiter des Liechtensteiner Volkswirtschaftsamtes in Vaduz, erklärt im nachfolgenden Interview die Gründe, die zur markanten Abschwächung des Schweizer Frankens geführt haben und was dies für die Exportwirtschaft bedeutet.

Interview: Herbert Oehri

 

Herr Hausmann, der Kurs des Euro hat vor ein paar Tagen wieder an seine rasante Klettertour der letzten Wochen angeknüpft und sich auch zum Schweizer Franken verteuert. Wie ist der derzeitige Wechselkurs zwischen Schweizer Franken und Euro? Und sehen Sie weiteres Potenzial nach oben? 

Christian Hausmann: Es ist tatsächlich so, dass der Schweizer Franken in den vergangenen zwei Wochen rasant an Wert gegenüber dem Euro verloren hat. Aktuell (3.8.2017) liegt dieser bei einer Marke von 1.15, also knapp 5 % tiefer als noch Mitte Juli 2017. Gemessen an der Wirtschaftskraft des Frankenraums und verglichen mit der Wirtschaftskraft im Euro- wie auch im US-Dollarraum widerspiegelt der aktuelle Wechselkurs nach wie vor nicht einen fairen Kurs – zumindest gegenüber dem Euro. Gemäss Studien der Nationalbank wie auch führender Schweizer Banken sollte sich dieser über 1.25 bewegen. Aber wie gesagt: Dies ist das Potenzial und hat leider (noch) nichts mit der Realität zu tun. Hierzu müssten sich wichtige Faktoren zugunsten einer weiteren Abschwächung des Frankens manifestieren.

Auf was führen Sie die Schwäche des Schweizer Frankens zurück? Welche Faktoren müssten sich weiter ändern?
Die Abschwächung von knapp 5 % innert weniger Tage lässt viel Raum für Spekulation. Ich denke, dass hier mehrere Faktoren zusammengekommen sind: Einerseits zeigt sich, dass der Euroraum sich langsam aus der Rezession verabschiedet.Spanien wie auch Frankreich haben starke Wachstumszahlen fürs erste Halbjahr 2017 vorgelegt, Deutschland verzeichnet geradezu einen Exportboom und auch Griechenland konnte sich erstmals wieder erfolgreich am Kapitalmarkt mit frischem Geld eindecken. Diese Umstände haben dazu beigetragen, dass seitens der Anleger das Vertrauen in den Euro gewachsen ist. Zum Zweiten ist der US-Kapitalmarkt aufgrund des Zinsgefälles zu Europa wieder attraktiver geworden. Und drittens ist davon auszugehen, dass die SNB aufgrund dieser Faktoren das positive Momentum ausgenutzt hat, um mit vergleichsweise wenig Mitteln den Franken weiter zu schwächen. Damit der Franken sich noch weiter abwerten kann, bedarf es aber einer weiteren Erholung der Wirtschaft in allen Euroländern. Dies führt in Konsequenz dann zu Vertrauen in den Euroraum, die EZB wird sukzessive nicht um eine Zinserhöhung herumkommen und ausländische Gelder fliessen wieder aus der Schweiz in den Euroraum ab. Dies wird den Franken weiter schwächen. Hierzu müssen wir aber von einem Zeithorizont von drei und mehr Jahren ausgehen.

Christian Hausmann, Leiter des Liechtensteiner Volkswirtschaftsamtes, erklärt die Gründe des rasanten Anstiegs des Euro, der sich auch gegenüber dem Schweizer Franken weiter verteuert hat.

Können Sie uns erklären, was hinter dem Euro-Höhenflug steckt?
Dies ist wie gesagt auf die breite Erholung der Volkswirtschaften der Euromitgliedstaaten zurückzuführen. Deutschland geht ja bereits seit mehreren Jahren mit breiter Brust als Konjunkturzugpferd voran. Das alles schafft Vertrauen und mehr Zuversicht, was sich dann nicht nur auf die Börsen, sondern im weiteren Verlauf auch auf die Währungskurse auswirkt. Wie nachhaltig die Eurostärke nun ist, lässt sich nicht sagen. Gerade die in die Schlagzeilen geratene deutsche Automobilindustrie, an welcher jeder 7. Arbeitsplatz direkt oder indirekt hängt, verzeichnet Absatzprobleme. Auch in den USA scheint die Automobilindustrie zurzeit im freien Fall zu sein. Allein im Juli ging der Autoabsatz um 15 % zurück. Da kommen Erinnerungen an die Anfänge der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahre 2008 auf: In den USA begann damals die Autoindustrie als erstes zu schwächeln, und man versuchte mit sehr lukrativen Angeboten, die Verkäufe anzukurbeln. Aktionen wie «Buy a car at our costs» sind zwar noch nicht zu finden, dennoch sollte man sein Augenmerk auf die weitere Entwicklung richten.

Hat der Höhenflug auch etwas mit der Aussage des SNB-Direktionspräsidenten Thomas Jordan zu tun, der unlängst in der Zeitung «Le Temps» gesagt hat, der Schweizer Franken sei überbewertet, was zu Spekulationen führte, die Nationalbank habe grössere Devisenkäufe getätigt? Und somit den Kurs des Schweizer Frankens weiter geschwächt?
Beobachtet man die Sichtguthaben der SNB in den vergangenen Wochen, so fällt auf, dass die SNB zwar interveniert hat, aber nur mit sehr wenig Mitteln. In der Woche, als der Franken zum Euro bei 1.15 notierte, intervenierte die SNB gar nicht. Dies ganz im Gegensatz zum Januar dieses Jahres, als der Franken kurzzeitig sogar unter 1.06 fiel und die SNB zwischen 3–5 Milliarden für Euro-Käufe pro Woche ausgab. Die Situation ist heute aufgrund der erwähnten Faktoren wesentlich entspannter.

Wie viele Liechtensteiner Unternehmungen – mit ungefähr welchen Exportzahlen in die EU – betrifft diese erfreuliche Schwäche des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro? Und auch gegenüber anderen Währungen?
Der Werkplatz Liechtenstein ist zu 100 % exportorientiert und konnte sich seit jeher ausschliesslich nur über Technologie- und Qualitätsführerschaft und nie über eine Kostenführerschaft international behaupten. Die Produkte und Dienstleistungen «made in Liechtenstein» erfreuen sich weltweit einer sehr hohen Wettbewerbsfähigkeit. Dies hat sich auf eine eindrückliche Art und Weise in den vergangenen Jahren seit der Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt. Während der Krise 2008/2009 brachen die Exporte nachfragebedingt um 27,4 % von rund 4,4 Mrd. Franken auf 3,2 Mrd. Franken ein und kamen im Jahr 2016 bei ca. 3,5 Mrd. Franken zu liegen, wovon rund zwei Drittel in den Euroraum exportiert wurden. Wertmässig ist demzufolge keine Steigerung gegenüber den Krisenjahren feststellbar, dies ausschliesslich aufgrund des immer stärker gewordenen Frankens. Die Exporte in Tonnen gemessen – also in Stückzahlen – zeigen allerdings ein ganz anderes Bild: Der Werkplatz wird in diesem Jahr mengenmässig 50 % mehr exportieren als im wertmässig besten Jahr 2008. Dies zeigt deutlich die Wettbewerbsfähigkeit des Werkplatzes und unterstreicht die Tatsache, dass die ausländischen Kunden auch die aufgrund des starken Frankens massiv teurer gewordenen Produkte nach wie vor stark nachfragen – wegen der Technologie- und Qualitätsführerschaft. Mit dem nun schwächer werdenden Franken wird unsere Exportindustrie noch wettbewerbsfähiger, und die in den vergangenen Jahren getroffenen Massnahmen werden sich mehr als auszahlen – sofern die Tendenz des Frankens anhält.