Die fürstliche Krone im Hilcona-Logo wird nicht durch das Schweizer Kreuz abgelöst – noch nicht!
Hilcona gehört zu den Unternehmen, die den Aufstieg Liechtensteins vom armen Bauernstaat zur prosperierenden Volkswirtschaft massgeblich geprägt haben. Mit dem vollständigen Verkauf der Hilcona AG an die Coop-Tochter Bell segelt ein urliechtensteinisches Unternehmen künftig unter Schweizer Flagge in die Zukunft. Erschienen am 17. Juni 2017 in lie-zeit PRINT
Presta, Hilti, Ivoclar, Hoval, Hilcona: Der wirtschaftliche Aufstieg Liechtensteins nach dem zweiten Weltkrieg ist eng mit diesen Firmennamen verknüpft. Als der damals 21-jährige Toni Hilti am 9. Dezember 1935 gemeinsam mit seinem Schwager, dem Baumeister Georg Frick, den Grundstein für die heutige Hilcona AG legte, war Liechtenstein noch ein bitterarmes Land. Es gab keinen Strom, abends sorgten in den Stuben Petroleumlampen für etwas Licht, die Strassen waren ungeteert, Autos eine Seltenheit. «Da in meiner Jugendzeit Armut herrschte, wie man sie heute nur weit entfernt im Ausland kennt, hatte ich immer das Verlangen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse hier im Land», sagte Toni Hilti – der im Jahr 2014 verstarb – in einem Interview anlässlich seines 90. Geburtstags. So übernahm er kurzerhand eine Geschäftsidee, die schon seinem früh verstorbenen Vater im Kopf herumschwirrte: die erste Liechtensteiner Konservenfabrik aufzubauen. «Meine Vision war es, etwas voranbringen zu wollen. Wir wollten es schaffen und haben alles getan, was in unseren Kräften stand.»
Doch aller Anfang ist schwer, besonders dann, wenn wie Mitte der 1930er-Jahre Weltwirtschaftskrise und Rohstoffmangel herrschen. Das Unternehmen, das sich von Konservenfabrikation AG in «Scana» umbenannte – nach dem keltischen Namen für Schaan – fand nur schwer Zugang zum Lebensmittelmarkt ausserhalb Liechtensteins. Am Ende des ersten Geschäftsjahres verblieben exakt 12,55 Franken in der Kasse. Auf der anderen Seite brauchte die Scana AG viele Arbeitskräfte, besonders während der Erntezeit. Ein Segen für viele Liechtensteiner, denn Arbeit in der Heimat gab es sonst nur wenig.
Sauerkraut für Liechtenstein
Noch schwieriger wurde es für Scana nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, als Güter wie Weissblech und Kohle rationiert wurden. Die Arbeiter waren plötzlich gezwungen, Leerdosen selbst herzustellen und Brennholz zu schlagen, um den Dampfkessel zu beheizen. Trotzdem setzte Firmenchef Hilti auf Expansion und liess ein zweites Werk bauen, um Sauerkraut herstellen, zu können. Sauerkraut war in den Kriegsjahren eines der Hauptnahrungsmittel der liechtensteinischen Bevölkerung. Es hatte den entscheidenden Vorteil, dass es nicht sterilisiert werden musste und länger haltbar war.
Nach Ende des Krieges steigerte das Unternehmen die Produktion, um der steigenden Nachfrage der wachsenden Bevölkerung gerecht werden zu können. Auch wurden die Anbauflächen für die Landwirtschaft erweitert und zusätzliche Dampfkessel in Betrieb gestellt. Der Aufschwung in der Nachkriegszeit verhalf Scana zu einem raschen Wachstum und liess die Firma bald an ihrer Kapazitätsgrenze produzieren. Mitte der 1950er-Jahre übersiedelte das Unternehmen vom Dorfzentrum in einen Neubau auf der grünen Wiese, dem heutigen Standort von Hilcona.
Gründersöhne krempeln Firma um
Mit dem Wandel zur Dienstleistungs- und Industriegesellschaft änderten sich auch die Ernährungsgewohnheiten: Man war nicht mehr Selbstversorger, sondern deckte sich unterwegs oder nach der Arbeit mit dem Notwendigen ein. Einfachere und zeitsparende Formen der Essenszubereitung wurden immer beliebter, das «Convenience Food» eroberte den Markt. Zu dieser Zeit stiegen die Gründersöhne Jürgen und Ekkehard Hilti in den Betrieb ein und krempelten die Firma um – sie wollten das Unternehmen rechtzeitig an den Wandel der Essgewohnheiten anpassen. Bereits 1961 wurde bei Scana Tiefkühlkost hergestellt. So wurde 1971 schliesslich aus der Konservenfabrik die Hilcona – abgeleitet von Hilti Convenience Nahrungsmittel. Für die 80er-Jahre entwickelte «Hilcona» dann eine neue Strategie: Frischprodukte, wie frische Pasta, sollten in Zukunft den Bärenanteil des Umsatzes generieren.
Strategische Weichenstellung
Im grössten Absatzmarkt für die Hilcona, in der Schweiz, bahnte sich in den Folgejahren ein Strategiewechsel der beiden Handelsriesen Coop und Migros an, welche schliesslich zum Teil- und nun zum vollständigen Verkauf der Hilcona führen sollte. Als erstes entschied sich Migros, Frischprodukte verstärkt selbst herzustellen anstatt Produkte «made in Liechtenstein» im Sortiment zu führen. Damit gingen Hilcona auf einen Schlag 50 Millionen Franken Umsatz verloren. Coop wählte eine ähnliche Strategie, setzte allerdings auf Hilcona als Lieferant für die Eigenmarke «Betty Bossi», anstatt selbst Produktionsstrukturen aufzubauen. Heute hat Migros mit selbst produzierten Produkten rund 40 Prozent Marktanteil im Bereich der «Frische Convenience». Coop kommt auf rund 50 Prozent. Zwar wurde Hilcona durch diese Ausrichtung als eigenständige Marke in der Schweiz nahezu unsichtbar, dafür erlaubte die strategische Partnerschaft mit Coop dem Unternehmen, sich in den vergangenen 15 Jahren zu einem der wichtigsten Convenience-Produzenten Europas zu entwickeln – mit Märkten in Deutschland, Frankreich, Österreich, Polen und den Benelux-Staaten.
Das Krönchen im Logo
Vor sechs Jahren war Coop über seine Tochterfirma Bell bei Hilcona eingestiegen, seit zwei Jahren hält Bell mit 51 Prozent der Aktien die Mehrheit. Am 30. Mai kündigte Bell schliesslich an, das Familienunternehmen vollständig zu übernehmen. Auf den Standort Schaan soll der Verkauf laut Bell keine direkten Auswirkungen haben. Das Tochterunternehmen wird unter dem Namen Hilcona weitergeführt. Auch bleibt das Domizil der Hilcona AG in Schaan, das Unternehmen besteht als liechtensteinisches fort. Die fürstliche Krone, die im Hilcona-Logo das i-Pünktchen bildet, wird also nicht von einem Schweizerkreuz abgelöst.