Am Sonntag, dem 5. Februar 2017, also in ziemlich genau zehn Monaten, finden in Liechtenstein die ordentlichen Neuwahlen zum Landtag statt. Unseren aufmerksamen Leserinnen und Lesern ist es nicht entgangen, dass die unterschiedliche Stimmung in den politischen Gremien und in den drei parteigesteuerten Printmedien allmählich Fahrt aufnimmt.
Text: Fürstlicher Rat Walter-Bruno Wohlwend
Zweifellos verfolgt ein grosser Teil unseres Wahlvolkes – bis zum nächsten Jahr um die 20’000 Frauen und Männer ab 18 Jahren – das politischen Geschehen jenseits unserer Grenzen mit Interesse. Das gilt z.B. für die kürzlich abgehaltenen Wahlen in drei deutschen Bundesländern und zuvor für den Ausgang der Volksabstimmung über die Durchsetzungsinitiative in der Schweiz – für das überraschend gute Abschneiden der Alternative für Deutschland (AfD) und für die Abstimmungspleite der SVP.
KVG-Abstimmung ein Test?
Der aktuellste Test im eigenen Land war die Volksabstimmung über die Regierungsvorlage zum Krankenversicherungsgesetz (KVG) im vergangenen Dezember. Das Ergebnis hat bei den etablierten Parteien (von der FBP und der VU bis zur DU) trotz ihres vergleichsweise knappen Erfolgs an der Urne nicht gerade Begeisterung ausgelöst. Fazit: Die politische Landschaft ist auch in Liechtenstein nicht mehr das, was sie einmal war!
Wie präsentiert sich die Ausgangslage heute? Wenn man von der häufig vernehmbaren Stimmung «im Volk» ausgeht, dann hat man für die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse generell ein eher ungutes Gefühl.
Inzwischen ist bekannt, dass die Vaterländische Union (VU) den bisherigen Vize-Regierungschef Thomas Zwiefelhofer als Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorschlagen wird. Wenn man davon ausgeht, dass Zwiefelhofer gegen den heute amtierenden Chef Adrian Hasler (FBP) antreten wird, kann es ja heiter werden. Man darf gespannt sein, was sich die persönlich offenbar guten Freunde dann gegenseitig vorhalten werden und was wer besser oder einfach anders zu machen verspricht? Es wäre eine grosse Überraschung, sollte die FBP nicht mit dem jetzigen Regierungsteam – Regierungschef Adrian Hasler, Ministerin Aurelia Frick und Minister Mauro Pedrazzini – zu den nächsten Wahlen antreten.
Neue VU-Kandidaten?
Infrastrukturministerin Marlies Amann Marxer (VU) hat öffentlich gemacht, dass sie nach den Wahlen nicht mehr für die Regierung zur Verfügung steht. Als ihre Nachfolgerin wird neuerdings Doris Beck aus Ruggell, VU-Landtagsabgeordnete von 2005 bis 2013 und Mitglied des Parteipräsidiums, genannt. Als weiterer Kandidat für ein Regierungsmandat soll der bisherige VU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Christoph Wenaweser, nachfolgen. Allerdings ist bisher noch keiner der beiden Namen von der VU offiziell genannt oder gar bestätigt worden. Nichts für ungut!
Die Konstellation mit drei Regierungsmitgliedern der VU wäre natürlich nur möglich, wenn die Vaterländische Union am 5. Februar 2017 die Mehrheit zurückerobert und anschliessend mit der Regierungsbildung beauftragt würde. Theoretisch wäre es sogar denkbar, dass ein Wahlsieger mit nur sieben Mandaten den Regierungschef stellen würde. Nach heutiger Kenntnis ist davon auszugehen, dass alle vier Parteien Regierungskandidaten/Innen zur Wahlen stellen werden.
Weitere Mitgestalter der Politik
Im Vorfeld von Neuwahlen konzentriert sich das öffentliche Interesse naturgemäss in erster Linie auf den Wettbewerb der politischen Parteien. In der Realität aber gibt es eine Reihe weiterer Aspekte, die eine Wahl beeinflussen können. Zum Beispiel die industrielle und die gewerbliche Wirtschaft, persönliche Sympathien, Seniorenbund, Verwandtschaften usw. Dazu kommen Gruppen, die sich formell nicht als Parteien, sondern als kritische Analysten verstehen.
«Die Frage ist nur: Wie viele Mandate erobern die Unabhängigen zu den bisher vier Sitzen dazu – und regieren sie allenfalls mit?»
Ein aktuelles Beispiel dafür ist die «Stiftung Zukunft.li», die vergangenes Jahr von drei Mitgliedern der Industriellen-Familien Hilti/Hilcona gegründet wurde. Stifter sind: Heiner Hilti, Michael Hilti und Jürgen Hilti. Weiter gehören dem Gründer-Quintett die Finanzdienstleister Wilhelm Klagian (Morscher-Stiftung) und Peter Marxer sen. (Marxer, Partner) an. Als Geschäftsführer hat die Stiftung Thomas Lorenz, ehemals Stabsstellenleiter Finanzen beim Staat, und damit einen fachlichen Kapazunder, ins Boot geholt. Gemäss eigener Angaben befasst sich die Stiftung, die sich als Denkfabrik (Thinktank) versteht, derzeit u.a. mit so brandaktuellen Fragen wie den Finanzausgleich Staat/Gemeinden, die Zuwanderung und die Finanzierung der Alterspflege.
DU eine Alternative?
Die Unabhängigen (DU) haben unsere politische Landschaft während einer Legislaturperiode bös durcheinandergewirbelt. Viele sind von den etablieren Parteien ins DU-Lager gewechselt, oder werden es bei den nächsten Landtagswahlen tun, weil sie mit der Politik der Grossparteien (sprich Regierung) im Lande ganz und gar nicht mehr zufrieden sind. Dass die DU-Gruppe auch im kommenden Wahlkampf eine nicht unwesentliche Rolle wird einnehmen können, ist unbestritten. Die Frage geht nur noch in Richtung: Wie hoch ist ihr Anteil an der Wählerschaft, oder deutlicher: wie viele Mandate erobern sie zu den bisher vier Mandaten – und regieren die Unabhängigen allenfalls mit?
Kein Kretschmann bei der FL
Dann ist da doch noch die Freie Liste (FL), die sich selbst als «Alternative für Liechtenstein» bezeichnet. Sie wird ihre 3 Mandate nach verbreiteter Auffassung wohl erfolgreich verteidigen. Obwohl sie in der Tat als Alternative angetreten ist, hat die Partei in den vergangenen Jahren auch im konservativen, bürgerlichen Lager häufig positiv von sich Reden gemacht.
Grund für diese widersprüchlich anmutende Situation ist wohl der Umstand, dass die Freie Liste bei allem Engagement für eine gerechtere Heimat (Mietpreise, Wohnungseigentum, Steuergesetz, Sozialwesen etc.) nicht von ihren grünen Grundsätzen abweicht. Ein Fakt, der zwar Respekt erheischt, am Ende aber beim konservativen Bürgertum nicht immer gut ankommt. Und ein liechtensteinischer «Winfried Kretschmann», der alte und neue grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ist bislang auch nicht in Sicht.
2013: Eine klare Konstellation
Die 25 Männer und Frauen Abgeordneten, die sich im Frühjahr 2013 für die Legislaturperiode bis 2017 konstituierten, hatten sich vorher im Rahmen ihrer Nominationen durch die Partei jeweils auch für ein Arbeitsprogramm verpflichtet. Jedenfalls gilt dies für die Parlamentarier der Bürgerpartei, der Union und der Freie Liste, die bereits früher im Landtag vertreten waren. Nachdem sich FBP und VU auf eine Regierungskoalition geeinigt hatten, konnten sie mit einer komfortablen Mehrheit von 18 Mandaten an die Arbeit gehen. Die DU- und der FL-Fraktionen, mit zusammen 7 Mandaten, übernahmen die wichtige Rolle der Opposition und füllten diese sehr positiv aus! Die politische Konstellation hätte klarer nicht sein können: Hier die Regierungsparteien, deren Arbeitsprogramme sich bis heute nicht wesentlich unterscheiden, und dort die Opposition, welche die Mehrheitsbeschlüsse je nachdem mittragen oder Gegenpositionen dazu einnehmen konnten und können.
Parteien und ihre Programme
Wenn man Parteiprogramme ernst nimmt, was wohl ein bestimmter Teil der Wähler und Wählerinnen tut, sollte auch auf deren Erfüllung geachtet werden. Selbst wenn man den Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit mit einbeziehen. Die nachfolgenden, ungezielt aus dem Zusammenhang genommen und im Originaltext zitierten Programmpassagen der FBP, VU und FL sind zwar nicht repräsentativ für das Ganze, aber sie entsprechen dem Ton, der bekanntlich die Musik macht. Gleiches gilt für die Passage aus dem Online-Auftritt der DU, die statt eines Programms ein Positionspapier freigeschaltet hat.
FBP und die Quellensteuer
«Wir setzen uns ein … für eine faire Besteuerung von Mieterträgen durch Angleichung des Steuerschätzwertes von älteren Immobilien an den Ertragswert. Für die Einführung einer Quellensteuer für Grenzgänger aus der Schweiz. Für die Abschöpfung der Gewinne der öffentlich-rechtlichen Unternehmen zu Gunsten des Staatshaushaltes. Dies jedoch nur soweit, dass die betreffenden Unternehmen auf strategische und betriebsnotwendige Investitionen nicht verzichten müssen.»
VU und die Richtungswahl
«Die Landtagswahlen 2013 werden zu einer Richtungswahl, bei der die VU für die Weiterführung des von der Koalitionsregierung eingeleiteten Kurses zur Stärkung und Stabilisierung Liechtensteins eintritt. Unser Land ist nicht dank Polemik und kurzfristigen Versprechen erfolgreich, sondern dank dem Willen zur echten Verantwortung. Eine Umkehr vom eingeschlagenen Kurs würde Liechtenstein zurückwerfen und die grossen Anstrengungen der letzten Jahre zunichtemachen.»
FL und die 50-Prozent
«Verkürzung der Einbürgerungsfrist auf 15 Jahre, Doppelstaatsbürgerschaft für alle bei Einbürgerung, Stimm- und Wahlrecht auf Gemeindeebene für Ausländerinnen mit Niederlassung, Repräsentative Monarchie, Abschwächung des Vetorechts des Fürsten, Stimm- und Wahlrecht für AuslandsliechtensteinerInnen, Frauenquote in der Politik und konsequente Umsetzung der bestehenden Regelung zur Besetzung von Kommissionen, Verwaltungsräten etc. durch beide Geschlechter (Quote 50%), Reform der Medienpolitik und Förderung einer unabhängigen Tagespresse…»
DU und die Alleingänge
Aus dem DU-Positionspapier 2016: «Voreilige, undurchdachte Alleingänge kommen teuer zu stehen. FL Telecom und Landesspital sind nur zwei Beispiele. Liechtenstein hat in den vergangenen Jahren seinen Jahrzehnte alten Partner, die Schweiz, immer wieder unnötig brüskiert. Ein aktuelles Beispiel ist auch die Quellensteuer. Auch dies ist in unseren Augen ein Beispiel dafür, wie unsere erfolgreiche Partnerschaft mit der Schweiz immer wieder missachtet wird…»
Nichts Neues auf Radio L
Wer sich von der Radio-L-Diskussionsrunde mit den Parteipräsidenten (am Sonntag, 20. März 2016) Konkretes erhofft hatte, sah sich enttäuscht. Harry Quaderer (DU) machte sich mit kaum nachvollziehbaren Aussagen wie «Wenn das so weiter geht, gibt es in 50 Jahren keine Liechtensteiner mehr» oder: «Wir werden das Ohr weiterhin beim Volk haben…» bemerkbar. Thomas Banzer (FBP) lobte den Regierungschef und bat bezüglich Kandidaten und Programm um Geduld bis im Herbst. Günther Fritz (VU) reklamierte den ersten Teil der Sparpolitik für die Regierungszeit von Klaus Tschütscher und gab sich für die Wahl 2017 optimistisch. Pepo Frick (FL) trat für die Soziale Marktwirtschaft und unerschrocken für Steueranpassung bei den Reicheren ein: Er rechnete beispielhaft vor, dass bei vielen Minderverdienenden zwei Prozent von CHF 40‘000 mehr seien als zwei Prozent von anderen mit Einkommen von CHF 500‘000. Nichts Neues, aber eine propere Moderation und eine politisch aufschlussreiche Momentaufnahme.
Glücklichstes Volk der Welt?
Das Wahljahr hat begonnen. Worum geht es bei den Wahlen 2017? Die Kandidaten der Regierungskoalition und die anderen werden es uns in den nächsten Monaten bestätigen: Es gilt unsere Position als das glücklichste Volk der Welt zu verteidigen. Alles andere wäre fatal!