Parallel zur Einarbeitung in ihre neuen Aufgaben war Regierungschefin Brigitte Haas in den vergangenen Wochen mit der Vorbereitung der ersten Arbeitssitzung des Landtags beschäftigt. Hinzu kamen Veranstaltungen und eine Reise nach Washington, bei der sie hochrangige Kontakte knüpfen und zentrale Zukunftsthemen besprechen konnte.

Interview: Heribert Beck

Frau Regierungschefin, vor gut einem Monat haben Sie Ihr Amt angetreten. Wie haben Sie die ersten Wochen in Ihrer neuen Funktion verbracht?
Regierungschefin Brigitte Haas: Aufmerksam, wissbegierig, lösungsorientiert, arbeitsintensiv und mit ganz viel Wertschätzung für die ausgezeichnete Arbeit, die meine Mitarbeitenden leisten. Die ersten Wochen vergingen wirklich wie im Flug. Natürlich hatte ich im Vorfeld eine Idee davon, wie es dann als Regierungschefin werden wird. Sobald man aber dann tatsächlich im Amt ankommt, merkt man erst, was sich wirklich verändern wird.
So habe ich zum Beispiel sehr schnell die Kontrolle über meinen Kalender verloren, die Tage füllen sich von selbst … (lacht). Zum Glück kann ich auf ein hoch motiviertes und bereits eingespieltes Team zählen, welches mich bei allem tatkräftig unterstützt.

Sie sagen, die Tage füllen sich von selbst. Wie sieht ein typischer Tag der Regierungschefin aus?
Den typischen Tag an sich gibt es nicht. In den ersten Wochen finden viele Besprechungen und Antrittsbesuche bei internen und externen Stellen statt. Dabei geht es darum, einen Überblick über die anstehenden Aufgaben, die aktuellen Herausforderungen und die geplanten Aktivitäten zu erhalten. Neben den ersten Regierungssitzungen fand diese Woche auch die erste Landtagssitzung statt, zudem kam es bereits zu ersten Reisen, zum Beispiel nach Washington zum Spring Meeting des Internationalen Währungsfonds, kurz IWF. Zwischendurch finden Interviews wie dieses statt, ich bin an öffentlichen Veranstaltungen wie am Dienstag am Finance Forum oder habe Sitzungen zu unterschiedlichsten Themen. Das Aufgabenportfolio in der Regierung ist also sehr vielfältig, was sich nun auch in den Tagesabläufen widerspiegelt.

Worum ging es bei der von Ihnen erwähnten Reise nach Washinton konkret?
Ich habe unsere Teilnahme am Spring Meeting des IWF dazu genutzt, bereits zahlreiche erste Gespräche mit engen Partnern Liechtensteins zu führen und damit die Position unseres Landes zu stärken. Diese Gespräche ermöglichten es uns, uns weit über die Kernthemen des IWF hinaus mit unseren Nachbarn und engsten Partnern abzustimmen. Gerade in diesen Zeiten mit hoher Unsicherheit und wachsenden Handelsbarrieren müssen wir als offene Volkswirtschaften zusammenstehen.

Hand aufs Herz: Ist dafür eine Reise nach Washington nötig?
Man muss dahin reisen, wo die Gesprächspartner sind. Wir können als Kleinstaat Liechtenstein nicht darauf warten, bis jemand zu uns kommt, sondern müssen selbst aktiv sein. Das machen wir, indem wir regelmässig prüfen, an welchen internationalen Treffen oder Veranstaltungen sich eine Teilnahme lohnt und wo nicht. Angesichts der vielen intensiven Gespräche, sowohl auf politischer als auch auf technischer Ebene, kann ich sagen: Es hat sich für Liechtenstein definitiv gelohnt.

Es warten unzählige weitere Aufgaben auf Sie. Inwiefern konnten Sie sich bereits einen Einblick in die anstehenden Aufgaben verschaffen?
Dank der Antrittsbesuche und der vielen Informationen, die mir in den vergangenen Wochen vermittelt und zur Verfügung gestellt wurden, konnte ich mir einen guten Ein- und Überblick verschaffen. Nun geht es auf der einen Seite darum, bereits laufende Projekte erfolgreich weiterzuführen und andererseits die Schwerpunkte der neuen Legislatur zu definieren.

Wie werden diese Schwerpunkte aussehen?
Derzeit laufen die Vorarbeiten für die Entwicklung des Regierungsprogramms 2025–2029, das in den kommenden Wochen mit der Kollegin sowie den Kollegen in der Regierung erarbeitet wird. Dort werden wir die inhaltlichen Schwerpunkte definieren.
Welche Ziele verfolgen Sie persönlich für die Legislaturperiode 2025 bis 2029?
In den nächsten vier Jahren wird es übergeordnet darum gehen, Liechtenstein in einem äusserst schwierigen und sich ständig ändernden Umfeld so zu positionieren, dass sowohl Gesellschaft als auch Wirtschaft stabile und verlässliche Rahmenbedingungen vorfinden. Dabei werden wir einen Schwerpunkt darauf legen, gemeinsam mit allen konstruktiven Kräften an Lösungen zu arbeiten.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit in der neu zusammengesetzten Regierung bisher empfunden?
Sie ist sehr konstruktiv und von einem gegenseitigen Verständnis geprägt. Alle fünf Regierungsmitglieder wissen, dass angesichts der Herausforderungen, die vor uns liegen, keine Zeit für parteipolitische Spielchen bleibt, sondern wir gemeinsam für Liechtenstein und seine Menschen arbeiten. Diesen Anspruch haben nicht nur die Bürgerinnen und Bürger an uns, sondern auch wir an uns selbst.

Was soll nach vier Jahren Amtszeit von der Regierung in Erinnerung bleiben?
Wir wollen stabile und sichere Verhältnisse erhalten und stärken. Das wird angesichts der externen Faktoren zur Herkulesaufgabe. Am besten können wir zusammenarbeiten, wenn wir Lösungen finden, die zum Wohle der Menschen in Liechtenstein beitragen. Die Förderung unserer Volkswohlfahrt steht in unserer Verfassung und gilt als das oberste Ziel unseres Schaffens. Hierfür werden wir uns in den nächsten vier Jahren einsetzen – und damit hoffentlich auch erfolgreich sein.