«In Wahrheit handelt es sich um eine Abschaffungsinitiative»

Sabine Monauni, Regierungschef-Stellvertreterin

Noch vor der Sommerpause soll der Landtag sich mit der Medienförderung und der Neuausrichtung des Radios befassen. Wirtschaftsministerin Sabine Monauni plant dabei, neue Medien zu unterstützen, ohne die etablierten zu schwächen. So könne die für eine funktionierende Demokratie notwendige Medien- und Meinungsvielfalt gestärkt werden.

Interview: Heribert Beck

 

Frau Regierungschef-Stellvertreterin, im vergangenen Jahr haben Sie eine Vernehmlassung hinsichtlich der Abänderung des Medien- und Medienförderungsgesetzes durchgeführt. Wie ist der aktuelle Stand? Wurde die Möglichkeit rege genutzt und wann kann sich der Landtag voraussichtlich mit Ihrem Vorschlag beschäftigen?

Regierungschef-Stellvertreterin Sabine Monauni: Wir haben einige Stellungnahmen zur Vernehmlassung erhalten, vor allem von den Medienunternehmen, die heute schon Medienförderung erhalten, aber auch von einzelnen Journalisten, Interessensgruppen und politischen Parteien. Die von der Regierung vorgeschlagene Erhöhung der Medienförderungsbeiträge wird durchwegs begrüsst, teilweise wird aber eine noch höhere staatliche Unterstützung gefordert. Ich plane, dem Landtag die Medienförderung zusammen mit dem Konzept zur Neuausrichtung von Radio L im Juni zur Behandlung vorzulegen.

Das System der Liechtensteiner Medienförderung hat sich während vieler Jahre bewährt – bis zum Aus des «Volksblatts». Doch dies war wohl eher ein Symptom oder Weckruf. Worin liegen die Ursachen für eine Gesetzesreform?

Die Medien stehen unter wirtschaftlichem Druck. Die Werbeeinnahmen fliessen zunehmend zu den grossen Internet-Plattformen wie Google, Facebook oder Instagram. Diese erbringen jedoch keine journalistischen Leistungen und damit keinen publizistischen Mehrwert. Es gilt daher, die bestehenden Medien zu stärken und gleichzeitig der Medienkonzentration entgegenzuwirken. Deshalb möchten wir gezielt kleinere oder auch neue Medien unterstützen, ohne die etablierten Medien zu schwächen. Was uns klar sein muss: Kein ausländisches Medium wird über Liechtenstein berichten. Dafür ist der Markt zu klein. Daher brauchen wir eine gezielte Förderung für hiesige Medien und zwar unabhängig davon, ob die Trägerschaft privat oder öffentlich-rechtlich ist.

Die eigentliche Medienförderung macht nur rund einen Drittel der staatlichen Förderung aus, wenn die Gelder für Radio Liechtenstein mitgerechnet werden. So bewegen der Liechtensteiner Rundfunk und seine Finanzierung die Bevölkerung auch stärker als die anderen Medien. Derzeit scheint es aber, als sei beim Sender wieder mehr Ruhe eingekehrt. 

Es ist zwischen der Finanzierung von Radio L und der Medienförderung von privaten Medien zu unterscheiden. Medien mit privater Trägerschaft haben keinen staatlichen Leistungsauftrag und sind grundsätzlich privatwirtschaftlich zu finanzieren. Umgekehrt hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Service Public-Auftrag und finanziert sich hauptsächlich durch öffentliche Mittel. In der Schweiz gehen 90 Prozent der Radio- und Fernsehgebühren an die SRG. Letztlich ist es eine politische Frage, ob man sich einen Landessender als souveränes Land leisten will. Ich habe dabei grosses Vertrauen in den neuen Verwaltungsratspräsidenten von Radio L, Jürg Bachmann, dass er als Fachmann aus der Radiobranche dem liechtensteinischen Rundfunksender eine Zukunftsperspektive geben kann. 

Bei der medialen Debatte um die Mobbingvorwürfe bei Radio Liechtenstein, die während der vergangenen rund 16 Monate stattfand, wurde Ihnen zeitweilig vorgehalten, dass Sie nicht genügend interveniert hätten. Worin liegt Ihre Zurückhaltung begründet?

Die Regierung kann und darf sich nicht in operative Geschäfte und schon gar nicht in arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen innerhalb von öffentlichen Unternehmen einmischen. Dafür gibt es eine Geschäftsleitung beziehungsweise einen Verwaltungsrat. In Sachen Mobbingverfahren ist das von der Regierung beauftragte externe Gutachten zum Schluss gekommen, dass der damalige Verwaltungsrat sachgemäss und im Interesse des Unternehmens gehandelt hat. Das erstinstanzliche Gericht hat dies anders beurteilt. Das ganze Verfahren war für Radio L sehr rufschädigend, und ich bin daher froh, dass beide Parteien nun in einem Vergleich vereinbart haben, das Verfahren nicht mehr weiterzuziehen. Jetzt gilt es, nach vorne zu blicken.

Nun steht eine Initiative der Demokraten pro Liechtenstein an, die eine Privatisierung des Senders fordern. Sie sind bekanntermassen keine Anhängerin einer solchen Lösung. Worin sehen Sie die Vorteile des heutigen Systems?

Ein «Radio Liechtenstein» ist mit privaten Mitteln und etwas Werbeeinnahmen nicht zu finanzieren. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass das lediglich so lange funktioniert, wie private Gönner bereit sind, viel Geld zu investieren. Ich möchte nur daran erinnern, dass der Staat 2003 den privaten Radiosender vor der Schliessung retten musste. Die sogenannte Privatisierungsinitiative der DpL ist daher in Wahrheit eine Abschaffungsinitiative. Ein Landessender lässt sich ohne zusätzliche Staatsbeiträge oder Rundfunkgebühren nicht finanzieren. 

Ausser Frage steht, dass die immer wieder nötigen Finanzspritzen des Landes ein Nachteil eines Staatsradios sind, wie Liechtenstein es heute kennt. Verstehen Sie den Frust der Bevölkerung in dieser Hinsicht?

Ja, das ist ärgerlich. Die sinkenden Werbeeinnahmen wurden lange zu optimistisch budgetiert, und am Ende hat das Geld gefehlt. Die Werbeeinnahmen wandern, wie bereits erwähnt, zunehmend ins Internet. Das ist ein Trend, der nicht nur das Radio betrifft. Ich möchte aber auch festhalten, dass das Budget von Radio L im Vergleich mit Lokalradios in der Deutschschweiz nicht überzogen ist. So hat beispielsweise Radio Südostschweiz einen Gesamtaufwand von 5,5 Millionen Franken, wovon gerade einmal 35 Prozent durch Werbeeinnahmen gedeckt sind. 

Versuche, die Angelegenheit zu bereinigen, gab es schon einige, mahnende Worte aus dem Landtag noch mehr. Wie könnte künftig eine tragfähige Lösung aussehen?

Ein Ansatz wäre, zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrags einen mehrjährigen Finanzbeschluss festzulegen. Damit hätte der Sender Planungssicherheit, und wir müssten nicht jedes Jahr neu über den Staatsbeitrag diskutieren. Eine mehrjährige verlässliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist eine zentrale Forderung des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes, welches vor kurzem in der EU verabschiedet worden und auch für den EWR – und somit für Liechtenstein – relevant ist.

Im Zuge der Debatte um den Finanzbedarf des Senders wird in aller Regel gleich auch die journalistische Qualität infrage gestellt. Wie beurteilen Sie diese? 

Eine Studie der Universität Fribourg aus dem Jahr 2019 hat aufgezeigt, dass sich die Qualität der Medien nur schwer objektiv beurteilen lässt. Beim Landessender geht es vielmehr um die Frage, ob er den staatlichen Leistungsauftrag erfüllt und das Vertrauen der Hörerschaft geniesst. Gemäss Medienumfrage des Liechtenstein-Instituts vom Herbst 2023 wurde bei der Frage, welcher Informationsquelle bei Nachrichten und Informationen zum Geschehen in Liechtenstein und in der Welt am ehesten vertraut wird, die inländische gedruckte Presse am häufigsten genannt, gefolgt von Radio Liechtenstein, ausländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und 1FLTV. Wichtig erscheint mir auch, dass die Hörerzahlen von Radio L in den vergangenen Jahren stabil geblieben sind.

Was wünschen beziehungsweise erhoffen Sie sich von der Debatte im Landtag über die Medienförderung und in der Öffentlichkeit über die Zukunft von Radio Liechtenstein?

Eine Demokratie braucht Medien- und Meinungsvielfalt. Viele Medien haben einen grossen Spardruck, was zwangsläufig auch die Qualität der Berichterstattung beeinflusst. Daher brauchen wir eine gut funktionierende Medienförderung. Dabei sollten die einzelnen Medien nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ich wünsche mir in diesem Sinne eine konstruktive Diskussion und klare Zeichen des Landtags für eine vielfältige leistungs-
fähige Medienlandschaft in Liechtenstein.