Förderung, Regelung und Schutz des Automobilwesens in Liechtenstein
Die erste Bewilligung der Regierung für die Führung eines Autos erhielt 1902 Marcus Amann, ein Vorarlberger, der in Vaduz den Konsumverein- Mühleholz leitete. Autos waren zu jener Zeit in Liechtenstein nicht gern -gesehen. Noch im Jahr 1908 gab es einen Vorstoss im Landtag, den -Autoverkehr bis auf wenige Ausnahmen zu verbieten. Aber schon 1924 -gründeten begeisterte Autofahrer den Automobil-Club Liechtenstein.
Text: Günther Meier
Der deutsche Ingenieur Karl Friedrich Benz konstruierte 1885 das erste Auto, das in der Bevölkerung gleichermassen Bewunderung wie Ablehnung hervorrief. Für die Bewunderer brach damit eine neue Ära des technischen Fortschritts an, während die Skeptiker dem selbstfahrenden Vehikel nur eine kurze Lebensdauer voraussagten: Die knatternden Fortbewegungsmittel würden nie in der Lage sein, das bewährte Pferdefuhrwerk zu verdrängen. Liechtenstein blieb von der Auto-Entwicklung einige Jahre verschont, obwohl die Leute zweifellos schon von den neuen Fahrzeugen gehört hatten. Ein erster Bericht über ein Automobil, das Liechtenstein durchquerte, erschien am 17. August 1900 im «Liechtensteiner Volksblatt». Er brachte die Ablehnung und die Sorgen gegenüber den neuartigen Fahrzeugen deutlich zum Ausdruck: «Mit mehr als Eilzugsgeschwindigkeit raste dieser Tage ein von mehreren Personen besetzter Motorwagen durch unser Dorf Vaduz. Ganz mit Recht ist das schnelle Fahren mit Tieren durch Ortschaften verboten, und es wird auch das Rasen mit diesem neuen Beförderungsmittel nicht erlaubt sein!»
Ein Automobil-Club als Interessensvertretung
Trotz dieser Berührung Liechtensteins mit einem der neuen Automobile machte es längere Zeit den Anschein, als ob diese Fahrzeuge die Pferdefuhrwerke niemals ersetzen würden. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 waren erst zwei Autos und zwei Motorräder bei der Regierung registriert. Nach dem Krieg jedoch, als ein wirtschaftlicher Aufschwung einsetzte, nahm die Zahl der Autos zu: Im Jahr 1925 zählte man bereits 35 Automobile und zwölf Motorräder. Die Anhänger der neuartigen Fortbewegungsmittel blickten in die Schweiz, wo sich bedeutend mehr Fahrzeuge, bezogen auf die Bevölkerungszahl, bewegten. Im Nachbarland hatten sich Besitzer von Autos auch bereits zusammengeschlossen und einen Automobil-Club gegründet. Dieser Funke sprang auf die liechtensteinischen Automobilisten über, die sich 1924, vor 100 Jahren, ebenfalls mit der Gründung eines Automobil-Clubs beschäftigten.
Die Vorarbeiten für die Vereinsgründung waren erledigt und mit dem Automobil-Club der Schweiz vereinbart, sich als selbständige Sektion einzugliedern – und damit konnte es losgehen. Die Gründungsversammlung fand am 15. Oktober 1924 im Gasthof «Löwen» in Vaduz statt. Die Versammlung wählte zum ersten Präsidenten Robert Blank und zum Vizepräsidenten Wilhelm Beck. Nach der Vereinsgründung, an der nur wenigen Automobilisten teilgenommen hatten, erfolgten sogleich weitere Eintritte, sodass der Verein bald eine stattliche Anzahl Mitglieder verzeichnen konnte. An der Vereinsgründung wurden auch Statuten beschlossen, deren Zweckartikel folgenden Wortlaut hatte: «Der am 15. Oktober 1924 in Vaduz gegründete Automobil-Club von Liechtenstein (A.C.L.) bezweckt die Förderung des Automobilwesens, den Schutz und die Regelung des Automobilverkehrs in Liechtenstein und die Förderung der Automobilindustrie in den ihr verwandten Gewerben». Ausserdem legten die Statuten fest, der Automobil-Club erstrebe den Zusammenschluss aller Automobilisten und Motorradfahrer «zur Wahrung ihrer gemeinsamen Rechte und Interessen und zur Abwehr jeder Beeinträchtigung des Automobils und des Motorrades als wichtiger Verkehrsmittel». Und schliesslich wollte der Verein auch noch einen Beitrag für die Allgemeinheit leisten, indem «die Bekämpfung von Ausschreitungen im Fahrverkehr und von Gefährdungen» festgeschrieben wurde.
Pferdefuhrwerke gegen «Raser in Automobilen»
Diese Festlegungen blieben nicht toter Buchstabe in den Statuten. Der Automobil-Club reichte schon kurz nach der Gründung zwei Eingaben zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei der Regierung ein. Gefordert wurde das Anbringen von Ortstafeln an den Gemeindegrenzen, wobei auf der einen Tafelseite die Aufschrift «Innerorts» angebracht werden sollte, auf der anderen «Ausserorts». Ausserdem galt die Sorge des Automobil-Clubs der Verkehrssicherheit, besonders der Schulung der Auto- und Motorradfahrer sowie der anderen Verkehrsteilnehmer, immer auf der rechten Strassenseite zu fahren. Wenn sich Fuhrleute und Radfahrer nicht an diese Vorschrift halten würden, wurde mahnend hingewiesen, liessen sich schwere Unfälle mit den neuen Motorfahrzeugen nicht vermeiden. Wie der Historiker Otto Seger in der Jubiläumsschrift «50 Jahre im Dienste des Autofahrers» schreibt, hatte der Automobil-Club rasch Erfolg mit seinen Eingaben. Bald habe es Ortstafeln gegeben und auch Tafeln, die das «Rechts fahren» postulierten. Die Regierung musste die Kosten für diese Tafeln nicht allein tragen, denn die Vereinsmitglieder taten sich zu einer Spendenaktion zusammen und konnten die Regierung mit einer Geldspende bei der Umsetzung der Verkehrsmassnahmen unterstützen.
Wie im erwähnten Zeitungsbeitrag aus dem Jahr 1900 bereits ausgeführt, führte das Zusammentreffen von Fussgängern, Radfahrern und Pferdefuhrwerken mit den schnelleren neuen Verkehrsmitteln auf den schmalen Strassen zu Konflikten. Schon damals beschwerten sich die langsameren Verkehrsteilnehmer über die «Raser» in den Autos und auf den Motorrädern. Aber auch der Automobil-Club war unzufrieden mit der Situation, insbesondere mit den Massnahmen der Regierung, die Auto- und Motorradfahrer zu einem rücksichtsvollen Fahren zu zwingen. Wie Otto Seger aus den Anfängen der Club-Aktivitäten in der Jubiläumsschrift berichtet, beschwerte sich der Club im Jahr 1926 bei der Regierung. Um die Autofahrer zu kontrollieren, hatte die Regierung Zivilpersonen mit einer Stoppuhr ausgestattet und an die Strassen gestellt, um Geschwindigkeitsüberschreitungen festzustellen – was in der Folge dann entsprechende Bussen nach sich zog. Die Automobil-Club wehrte sich dagegen, dass die Geschwindigkeitskontrollen an «ungeschulte Kräfte» vergeben würden und forderte von der Regierung eine Eignungsprüfung für diese Kontrollpersonen. Die Regierung gab in ihrer Antwort zu verstehen, mit den damals drei vollamtlichen Polizisten liesse sich der Motorfahrzeugverkehr unmöglich kontrollieren, womit sich der Einsatz von externen Verkehrsüberwachern aufdränge. Damit diese Personen ihre Kontrollfunktion richtig ausüben könnten, würden sie in Zukunft aber von einem Schweizer Experten geschult, den die Regierung für diese Überwachungsaufgabe angeheuert hatte.
Eine andere Klage aus der Anfangszeit des Automobil-Clubs könnte auch aus der heutigen Zeit stammen. Sie bezog sich auf den Zustand der Strassen. Schlaglöcher schadeten nicht nur den Federungen der Autos, bemängelte der Verein, sondern gefährdeten auch die Sicherheit der Automobilisten und Mitfahrer. Damals waren noch praktisch alle Strassen mit grobem Schotter ausgelegt, was die Fuhrwerke nicht störte, die schnelleren Auto jedoch schon. Die Regierung gab zu verstehen, eine jährliche Neuschotterung könne nicht mehr durchegführt werden, weil die schnellen Motorfahrzeuge die Steine kreuz und quer herumschleuderten. Also bleibe nichts anderes übrig, als die meistbefahrenen Strassen fast jede Woche zu flicken – bis es möglich werde, das gesamte Strassennetz mit Asphalt zu versehen.
Massnahmen gegen den ausländischen AutoverkehrDass schon 1924 ein Automobil-Club gegründet wurde, deutet darauf hin, dass immer mehr Leute an den Siegeszug des Automobils glaubten. Lange war man auch in Liechtenstein überzeugt, die neuartigen Fahrzeuge würden bald wieder von der Bildfläche verschwinden, weil sie die Pferdefuhrwerke keinesfalls ersetzen könnten. Zuerst war Skepsis gegenüber einer neuen Technik vorhanden, dann versuchte man die schnelleren Konkurrenten von den Strassen fernzuhalten. Bevor Liechtensteiner mit Autos durch das Land fuhren, gab es bereits ausländische Automobilisten, die den Weg von der Schweiz nach Österreich durch Liechtenstein suchten. Dagegen erhob sich Widerstand im Land, der teilweise gestützt wurde durch Erschwernisse gegenüber Autofahrern in schweizerischen Kantonen. So schrieb das «Volksblatt» im Sommer 1900, der Kanton Graubünden habe ein Auto-Verbot auf allen Strassen erlassen. Die Redaktion fügte dieser Kurzmeldung den folgenden Kommentar hinzu: «Bravissimo!»
Die liechtensteinische Regierung ging nicht so weit, gab aber 1906 eine Verordnung heraus, die den «Betrieb von Automobilen und Motorrädern» regelte. Dort wurde festgelegt, dass jedes Kraftfahrzeug mit einer «gut hörbaren Signalhupe» ausgerüstet sein müsse. Jedes Fahrzeug sollte mit einem Erkennungszeichen versehen sein, das bei allfälliger Verschmutzung geputzt werden musste – notfalls war es sogar «während der Fahrt öfter von Staub oder Strassenschmutz zu reinigen». Innerorts wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 15 km/h beschränkt, ausserhalb der Ortschaften durfte nicht schneller als mit 45 km/h gefahren werden. Bei Nebel oder schlechter Sicht galten 6 km/h als Höchstgeschwindigkeit, was etwa der Geschwindigkeit eines Pferdefuhrwerks entsprach. Ausserdem stoppte die Verordnung auch ein allfälliges Kräftemessen der Autofahrer: «Wettfahrten mit Kraftfahrzeugen sind verboten.»
Zwei Jahre nach dieser Verordnung versuchte der Landtag erneut, den Autoverkehr auf den liechtensteinischen Strassen weiter einzugrenzen oder sogar zu verbieten. Ein Vorstoss vom 21. Dezember 1908 forderte «ein Verbot dieses Verkehrs» und ersuchte die Regierung um eine Verfügung, um wie der Kanton Graubünden den Autoverkehr zum Verschwinden zu bringen. Die jährliche Zunahme des Automobil-Verkehrs werde in der Bevölkerung als Missstand empfunden, klagten die Landtagsabgeordneten, insbesondere auch deshalb, weil die Strassen fast nur von ausländischen Autos zur Durchfahrt benutzt würden. «Dem Land erwächst aus der Duldung des Automobil-Verkehrs keinerlei volkswirtschaftlicher Nutzen, sondern nur eine Reihe von Schädigungen und von Gefahren für Leben und Eigentum», hiess es weiter in der Begründung des Vorstosses.
Die Regierung lehnte ein Auto-Verbot ab, führte aber zur Beruhigung der Gemüter eine Mautgebühr ein, die bei der Benützung der Strassen zu entrichten war. Der Staatskasse floss aus dieser Strassengebühr einiges an Geld zu, wie aus den Jahresrechnungen hervorgeht: Beispielsweise lösten 1913 über 500 Autofahrer eine Wochenkarte und ein Dutzend sogar eine Jahreskarte. Eine Übersicht zeigt, woher die Autofahrer stammten: 128 aus der Schweiz, 30 aus England, 14 aus Italien, der Rest aus verschiedenen anderen Ländern.
Die damalige «Verbotskultur» gegenüber den Autos brachte auch einige Vorschläge in die politische Diskussion, die heute wohl mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen werden. Die Finanzkommission des Landtags stellte den Antrag an die Regierung, überall an den Durchfahrtsstrassen «Warnungstafeln wegen zu schnellen Fahrens» aufzustellen. In der Nähe einer Telefonstelle könnten in Balzers, Schaan und in Schaanwald auch Vertrauenspersonen postiert werden, um schnelle Fahrzeuge zu identifizieren: Wenn ein Auto zu schnell fahre, sollte diese Vertrauensperson einen Anruf in die nächste Gemeinde machen, wo der fehlbare Raser angehalten und zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Die Vertrauenspersonen sollten ermächtigt werden, selbständig «eine Kaution bis zu 100 Kronen von den Beschuldigten einzuheben und an das Gericht abzuliefern».