«Die Woche hat sieben Arbeitstage und der Tag 24 Stunden»

Dražen Domjanić

Die Welt der Musik hat sich in den vergangenen 60 Jahren stark verändert – insbesondere jene der klassischen Musik und dort wieder der Bereich der Spitzenleistungen. In Liechtenstein und der Region ist dies vor allem dem Einsatz von Dražen Domjanić zu verdanken. Wie es dazu kam und was grosser Arbeitseinsatz, eine T-Shirt von Lacoste und ein Fernseher dazu beigetragen haben, berichtet er mit der ihm eigenen Begeisterung für alle seine Projekte.

Text: Heribert Beck

Die Mutter von Dražen Domjanić war Primarlehrerin, der Vater Agraringenieur, Versicherungsdirektor und auch in der Politik tätig, die Familie der Mutter fast gänzlich unmusikalisch, Dražens Vater jedoch einigermassen talentiert an Gitarre und Mundharmonika. Dies führte dazu, dass Familienfeste bei den Domjanićs im Kroatien der 70er-Jahre immerhin musikalisch umrahmt wurden, der junge Dražen in Kontakt mit der Musik kam und zunächst anfing Gitarre zu spielen. Das gefiel ihm so gut, dass er sich noch autodidaktisch Akkordeon beibrachte und selbst an Familienfeiern auftrat. «Mit klassischer Musik hatte ich aber noch nichts am Hut. Klavier habe ich erst später gelernt. Wir Jungen hörten jeden Sonntag das Wunschkonzert im Radio und versuchten dann, die Melodien mit den Instrumenten, die uns zur Verfügung standen, nachzuspielen», sagt Dražen Domjanić. Er ergänzt lachend: «Meine Verwandten mütterlicherseits schliefen dabei oft fast ein.» Doch das Talent des jungen Dražen blieb nicht lange unentdeckt. «Obwohl meine Eltern mich wirklich nicht in die eine oder andere Richtung gedrängt haben». Was folgte waren Abschlüsse in Primarschule und Wirtschaftsgymnasium, die der Heranwachsende parallel zu einer zehnjährigen Musikausbildung besuchte. Nach dem Abitur folgte das Studium in Klavier und Musikpädagogik in Zagreb und Novi Sad. In der letztgenannten Schule wurde die Elite des damaligen Jugoslawiens ausgebildet: Pro Instrument war nur ein Schüler aus jeder der sechs Teilrepubliken zugelassen – und Dražen Domjanić vertrat seine Heimat Kroatien eben am Klavier. Bald folgte in Belgrad das Masterstudium.

Zwei schicksalhafte Begegnungen

«Mein Start ins Arbeitsleben sah so aus, dass ich als einer der jüngsten Professoren ganz Jugoslawiens Klavier an Konservatorien und Universitäten unterrichtete, während ich mich selbst bei renommierten Professoren in Weimar und Wien weiterbildete», sagt Dražen Domjanić. Ganz dem starren System der Lehre unterwarf er sich dabei aber nicht. «Ich habe die Musik subjektiv in gute und schlechte unterteilt, dabei nicht nur nach Noten gespielt, sondern die Harmonien aufgrund des Gehörten wiedergegeben.» Dies war sicher eine Grundvoraussetzung für den nächsten Schritt im Berufsleben des jungen Pianisten. «Bald spielte ich in Istrien für Touristen und Hotelgäste. Da ich auch einmal Mathematik studieren wollte, musste ich die Löhne für Professoren und Unterhaltungspianisten nicht lange vergleichen. In der Hotellerie habe ich das Dreissigfache verdient», sagt er und lacht. Die Bekanntschaft mit einem österreichischen Manager in Istrien öffnete Dražen Domjanić die Tür nach Westeuropa. «Ich bin in renommierten Häusern aufgetreten, in der Schweiz beispielsweise im Quellenhof in Bad Ragaz, im Steigenberger in Davos oder im Hilton in Basel.» Im April 1989 führte ein solches Engagement den Pianisten für einen Monat ins Café Wolf nach Vaduz. «Zwischen Wirt Albrecht Wolf und mir hat die Chemie sofort gestimmt, und wir haben vereinbart, dass ich zurückkomme.»

Mit dieser Rückkehr zu Albrecht Wolf hatte es jedoch eine besondere Bewandtnis: «In Westeuropa habe ich qualitativ hochwertige Kleidung kennengelernt. So etwas gab es bei uns im Osten nicht, und ich träumte von einer Lacoste-Kollektion. Also bat ich Albrecht Wolf um einen Kredit als Vorschuss und habe im Modegeschäft Brogle so viel gekauft, dass mein Engagement sechs Monate dauern musste», sagt Dražen Domjanić und lacht herzhaft. Dies hatte für ihn ungeahnte Folgen. «Bald lernte ich Albrecht Wolfs Onkel Pepi Wolf kennen, damals noch Leiter des Schulamts. Wir verstanden uns ausgezeichnet und er überzeugte mich dazu, eine Stelle als Lehrer an der Liechtensteinischen Musikschule zu übernehmen. Seit Februar 1990 bin ich nun dauerhaft in Liechtenstein und damit mehr als mein halbes Leben.»

Unzählige Projekte und unschätzbare Auszeichnungen

Spätestens mit der Festanstellung als Lehrer war Dražen Domjanić klar, dass er seine Deutschkenntnisse verbessern musste. «Damals in Jugoslawien haben wir als Fremdsprache Russisch gelernt. Auf Deutsch kannte ich nur die nötigsten Worte, und ich war in einem Alter, in dem man Sprachen nicht mehr ohne Weiteres lernt.» Um den Rückstand so schnell wie möglich aufzuholen, griff Domjanić zu einer ungewöhnlichen, aber für ihn am Ende erfolgreichen Methode: «Ich habe am Abend deutsches Fernsehen geschaut, das Gehörte am anderen Morgen nochmals in der Zeitung nachgelesen und viel mit den Menschen in meiner Umgebung gesprochen. So wurden meine Kommunikationsfähigkeiten rasch immer besser.» 

Mit den zunehmenden Sprachkenntnissen wurden auch Dražen Domjanićs Projekte immer zahl- und umfangreicher. «Ich habe zum Beispiel einen Musikverlag gegründet und zwölf Jahre geleitet. Wir haben CDs mit verschiedenen Begleitungen eingespielt. Diese Produktionen halfen Kindern, beim Lernen eines Instruments schneller ans Ziel zu gelangen.» Daneben ist Domjanić künstlerischer Leiter der gemeinnützigen Stiftung «Musik und Jugend», ab 2010 Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der Musikakademie in Liechtenstein, ebenfalls seit 2010 Gründer und Intendant des FESTIVALS NEXT GENERATION im Grand Resort Bad Ragaz wie auch der Inhaber und Geschäftsführer der Firma DraDoVision, die sich vor allem der Begabtenförderung weltweit widmete und heute unter dem Namen KULMAG Kulturmanagement AG bekannt ist. Im Jahr 2011 übernahm Domjanić die Intendanz und Geschäftsführung des Sinfonieorchesters Liechtenstein. Nur wenige Jahre nach dem Einstand der Musikakademie gründete sich 2015 aus Stipendiatinnen und Stipendiaten das ENSEMBLE ESPERANZA, das von ihm als künstlerischer Leiter geführt wurde. Im Jahr 2016 initiierte Dražen Domjanić das «:alpenarte Festival» im österreichischen Schwarzenberg, das er bis 2017 als künstlerischer Leiter und seither als künstlerischer Berater und Gesellschafter geführt hat. Mit drei Jahren der Vorbereitung rief er als Verwaltungsrat, Intendant und Geschäftsführer im August 2017 das Open-Air-Festival VADUZ CLASSIC ins Leben, das sich seither mit Namen wie David Garrett, Anne-Sophie Mutter oder Andrea Bocelli schmücken durfte. Die Aufzählung der Projekte von Dražen Domjanić liesse sich fast beliebig fortsetzen. Doch das beste Beispiel für die Wertschätzung, die ihm entgegengebracht wurde, liegt nicht in der Masse, sondern in zwei ganz besonderen Auszeichnungen: Im März 2018 erhielt Dražen Domjanić das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste der Republik Österreich und im Oktober 2023 das Ritterkreuz des Fürstlich Liechtensteinischen Verdienstordens.

Heutige Jugend profitiert von einstiger Hilfe

Die Frage, wie er dies alles immer unter einen Hut gebracht hat, beantwortet Dražen Domjanić simpel: «Ich bin so aufgewachsen, dass die Woche sieben Arbeitstage hat und der Tag 24 Stunden.» Er ergänzt: «Ausserdem durfte ich mich immer auf die fantastische Unterstützung meiner Frau und meiner Kinder verlassen.» Dann schiebt er eine weitere Aussage nach: «Heute denken die Menschen, dass ich kürzertrete.» Der Wahrheit entspreche dies aber nicht.

«Ich habe zwar für viele meiner Projekte Nachfolgeregelungen eingeleitet und inzwischen erfolgreich umgesetzt. Auch habe ich die Erfragung gemacht, dass es mit 60 Jahren hilfreich ist, zwei bis drei Stunden am Tag nicht der Arbeit zu widmen, einfach ein gutes Gespräch mit meiner Frau zu führen, ein gutes Glas Wein zu geniessen oder einen Spaziergang zu machen. Doch mit dem bevorstehenden Umzug der Musikakademie ins Hagenhaus und allen damit verbundenen Konzepten und Projekten habe ich auch jetzt mehr als genug zu tun.»

Die Motivation für alle seine Projekte und Vorhaben zu finden und aufrechtzuerhalten, ist Dražen Domjanić nie schwergefallen. «Ich habe sehr schnell gemerkt, welch fruchtbarer Boden Liechtenstein für die Förderung der musikalischen Spitze ist. In der Breite gab es bereits unglaublich viele Angebote, nun auch die Spitze der Pyramide zu erklimmen, war meine fachliche Motivation.» Hinzu kommt eine grosse persönliche Motivation. «Als Jugendlicher und junger Mann wollte ich immer noch mehr erreichen, mich weiter verbessern – das war nur möglich, da ich stets Menschen gefunden habe, die mich dabei grossartig unterstützt und gefördert haben. Daher habe ich mich zusammen mit meiner Familie, nach dem Verkauf des DOWANI Verlags, entschieden, dass auch wir etwas zurückgeben. Umso mehr freut es mich, dass sich der Erfolg nun einstellt. In Berlin, Wien, London oder New York stehen hochbegabten Nachwuchsmusikern viele Türen offen.» In Liechtenstein und Umgebung habe 2010, im Gründungsjahr der Internationalen Musikakademie, ebenfalls grosses Potenzial bestanden. «Wir hatten auf einen Schlag 15 hochtalentierte Jugendliche aus Liechtenstein und einem Umkreis von 50 Kilometern, die an den unterschiedlichsten Orten studierten. Ihnen boten wir eine neue Heimat. Durch diese 15 Musiker und viele andere, die nach ihnen kamen, ist die musikalische Qualität enorm gestiegen. Dass dies gesehen ist und geschätzt wird, zeigt sich am deutlich erhöhten Staatsbeitrag an das Sinfonieorchester Liechtenstein, den der Landtag Ende 2023 gesprochen hat – und ich bin mir sicher, dass sowohl die Akademie als auch die Qualität nach unserem Umzug ins Hagenhaus noch mehr profitieren werden. Die Projekte gehen mir so schnell also nicht aus», sagt Dražen Domjanić mit einem zufriedenen Schmunzeln auf den Lippen.