Modernes Erben: Liechtensteins Erbrechtsreform im Fokus

Die Regierung hat in ihrer Sitzung vom Dienstag, 31. Oktober 2023, den Bericht und Antrag betreffend Abänderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und des Ausserstreitgesetzes verabschiedet. Ziel der Reform ist es, das Erbrecht zu modernisieren, indem Erblassern grössere Verfügungsfreiheit über ihren Nachlass gewährt wird.

Text: Domenik Vogt

Allgemeines

Das liechtensteinische Erbrecht, traditionell eng angelehnt an Österreichs Erbrecht, blieb seit 2012 weitgehend unverändert, während Österreich 2015 eine umfassende Reform durchführte. Die liechtensteinische Erbrechtsreform zielt nun darauf ab, diese Divergenz aufzuheben. Die Gesetzesänderungen, die von der Abschaffung des Pflichtteilsrechts der Vorfahren bis hin zur Einführung neuer Regelungen für Schenkungen und Pflegeleistungen reichen, signalisieren einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Vererbung und Nachlass.

Neuerungen im Pflichtteilsrecht

Eine wesentliche Änderung ist die Abschaffung des Pflichtteilsrechts der Eltern. Dieser Schritt spiegelt die Erwartung wider, dass Eltern in der Regel vor ihren Kindern sterben und Kinder sich ihr eigenes Vermögen aufbauen. Folglich beschränkt sich der Pflichtteil nun auf Ehegatten, eingetragene Partner und Nachkommen. Auch die Vorgaben zur Pflichtteilsreduktion wurden erweitert. So erlaubt die Reform nun eine Reduktion des Pflichtteils auf die Hälfte bei längerem Kontaktabbruch (über 20 Jahre).

Gleichbehandlung von Zuwendungen

Die jüngsten Änderungen im Erbrecht führen zu einer umfassenden Gleichstellung und Neuregelung von Schenkungen. Zunächst wird eine Angleichung in der Behandlung von Schenkungen unter Lebenden vorgenommen, wobei alle unentgeltlichen Rechtsgeschäfte, einschliesslich Ausstattungen, die Vermögenswidmung an eine Stiftung sowie Vorschüsse auf den Pflichtteil, fortan gleichbehandelt werden sollen. Als Schenkung soll auch die Einräumung der Stellung als Begünstigter einer Stiftung gelten, soweit ihm die erblassende Person ihr Vermögen gewidmet hat, wobei eine echte Ermessensbegünstigung von der An- und Hinzurechnungspflicht ausgenommen ist. Des Weiteren wird eine zeitliche Begrenzung für die Anrechnung von Schenkungen eingeführt. Die neue Regelung beschränkt diese Anrechnungspflicht auf zehn Jahre, es sei denn, die erblassende Person hat eine andere Anrechnung festgesetzt oder dies mit dem Empfänger der Schenkung vereinbart. Zusätzlich werden Schenkungen auf den Todesfall nun als Verträge betrachtet und entsprechend in der Erbmasse berücksichtigt. 

Erbunwürdigkeits- und Enterbungsgründe

Die Gründe für Erbunwürdigkeit und Enterbung werden erweitert und umfassen nun auch Verhalten gegenüber nahen Angehörigen und Handlungen gegen die Verlassenschaft. Des Weiteren wird berücksichtigt, ob die erblassende Person bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes noch enterben konnte. Der Enterbungsgrund «beharrliches Führen einer gegen die öffentliche Sittlichkeit verstossenden Lebensart» durch eine pflichtteilsberechtigte Person wird als nicht zeitgemäss betrachtet und wird daher aufgehoben.

Testamentsgestaltung und Hinterlegung

Die Definition der fremdhändigen Verfügung wird in Anlehnung an die österreichische Rezeptionsvorlage erweitert. Zudem ist die gleichzeitige Anwesenheit aller Zeugen bei der Testamentsunterzeichnung nun verpflichtend. Neben der persönlichen Hinterlegung besteht nun die Möglichkeit, Testamente und Kodizille durch Anwälte beim Landgericht zu hinterlegen. 

Schliesslich wurden auch die Verjährungsfristen angepasst. Alle Ansprüche aus dem Erbrecht unterstehen einer relativen Verjährungsfrist von drei Jahren und einer absoluten Verjährungsfrist von 30 Jahren.


 

Domenik Vogt, Rechtsanwalt und Counsel

Über die Person
Domenik Vogt ist als Rechtsanwalt in Liechtenstein zugelassen und beschäftigt sich  schwerpunktmässig mit dem Gesellschafts- und Unternehmensrecht . Darüber hinaus befasst sich Domenik Vogt mit Fragen des Wirtschafts-, Vertrags- und Steuerrechts. 

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